Striptease in der Tempo-30-Zone

Elf Quadratmeter Segel, 25 Meter Leine, drei Räder, extremer Leichtbau – fertig ist ein Kite-Buggy. Die Dinger fegen mit bis zu hundert Sachen über den Sand, und deshalb haben wir, bevor wir überhaupt zum Rennen antreten, schon verloren. Am endlosen Strand von Rømø dürfen wir mit unseren vier Roadstern nur Tempo 30 fahren.

Einen Vorteil haben wir aber doch: Den Wind brauchen wir nicht als Antrieb – sondern als Massage für unsere Seele. Und wir machen ihn selbst, vor allem der neue Nissan Roadster hat einen spektakulären Auftritt. Er ist eine fast barocke Erscheinung, ausladend, bullig, massiv. Nicht überraschend hat er in der Kanzel den meisten Platz – wobei das relativ ist, denn er ist eben nur am wenigsten eng hier.

Und wenn auch die Kunststoffe alle irgendwie abwaschbar aussehen – der Nissan ist mit viel Liebe zum Detail gebaut. Die Instrumente im Motorrad-Stil bewegen sich mit dem verstellbaren Lenkrad auf und ab. Rechts gibt es noch drei schöne Rundinstumente mit Voltmeter, Öltemperatur und einem kleinen Display für den Bordcomputer.

Der Nissan liegt hart und exakt

Das Verdeck muß zunächst per Hand entriegelt werden, öffnet dann elektrisch in 15 Sekunden. Wegen der tiefen Sitzposition, der ausgefeilten Aerodynamik und des kleinen gläsernen Windschotts geht es auch mit offenem Dach im 350Z erstaunlich gesittet zu, ich wollte das erst gar nicht glauben. Aber bis zu mittlerem Tempo streicht der Wind zahm übers Haupt, ehe er dann bei hoher Geschwindigkeit doch wild ins Cockpit bricht.

Das allerdings geschieht ziemlich häufig, und schuld daran, daß du öfter auf dem Gas stehst als eigentlich gewollt, ist der wutschnaubende 3,5-Liter-Motor. Ein kraftstrotzendes Tier mit 280 PS. Er grollt in einem hämmernden Baß, tritt bei mittleren Touren gewaltig an, brüllt dann brünstig und schreit ab 4000 nur noch wild und rauh. BMW und vor allem Honda drehen lockerer, aber die schiere Kraft dieses Alu-V6 reicht, um den relativ schweren 350Z (1,6 Tonnen) genauso heftig zu beschleunigen. Keine Chance selbst für den schnellsten Kite-Buggy.

Das Fahrwerk – samt sehr guter Bremsen – ist den Temperamentsausbrüchen des Motors jederzeit gewachsen. Der Nissan liegt hart und exakt, aber nicht vollkommen erbarmungslos, und mit der präzisen Lenkung fährst du eine souveräne, runde Linie.

Reihensechser spielt im Z4 eine Traumrolle

Angesichts der Größe und Brutalität des Nissan glaubte ich dann im fast zierlichen BMW Z4 irgendwie im Z3 zu sitzen – das Design dürfte jedenfalls immer noch ein Streitpunkt sein. Vor allem an der durchhängenden Flanke scheiden sich die Geister. Dabei ist der BMW streng nach der reinen Roadster-Lehre gebaut: Motor vorn, Antrieb hinten, dazwischen nicht viel und ein Verdeck aus Stoff. Du sitzt dann etwas eingeklemmt auch fast auf der Hinterachse. Unsere Meßwerte sagen, daß der Z4 nach dem Nissan noch der Geräumigste ist. Aber ehrlich: Viel ist davon nicht zu spüren.

Beim BMW öffnet als einzigem hier das Dach vollkommen elektrisch – Knopfdruck genügt, und in zehn Sekunden fluten Licht und Luft ins Abteil. Anders als etwa beim Nissan zieht es mit offenem Verdeck von Anfang an – auch das entspricht übrigens der Roadster-Lehre. So ähnlich muß es in den federleichten Kite-Buggys bei voller Fahrt stürmen.

Der imposante Dreiliter-Reihen-Sechser mit 231 PS ist uns ja schon bei vielen Gelegenheiten positiv aufgefallen, im Z4 spielt er eine Traumrolle. Er dreht wie stets samtweich und sahnig, hat besonders bei hohen Drehzahlen richtig Kraft und schmeichelt Pilot und Co mit einem unübertroffen warmen, wohligerdigen Klang. Der im Vergleich zum Nissan 250 Kilo leichtere BMW fegt mit diesem Trieb-Werk gierig und agil um die Kurven, lenkt aber manchmal etwas eckig.

Crossfire brabbelt heiser und sonor

Doch kein Vergleich zum Chrysler Crossfire. Bei dem zirkelt noch eine Kugelumlauflenkung so gut es eben geht – der schicke Ami fährt ja mit der Technik des ersten SLK. Zwar haben sie ihm die Krallen geschärft, aber an die Dynamik und Agilität der anderen drei hier kommt er doch nicht heran.

Er fährt lässig und entspannt, mit offenem Verdeck fächelt der Fahrtwind noch sanfter als im Nissan. Das Verdeck öffnet etwas mühevoll mit einem schwergängigen, zentralen Griff, faltet dann elektrisch in knapp 25 Sekunden und versteckt sich unter einer enganliegenden Doppelhutze. Der 3,2-Liter-V6 mit 218 PS brabbelt heiser und sonor, zieht schön aus dem Keller. Mögen die anderen hektisch drehen – er hat viel Dampf bei mittleren Touren und ist durchaus nicht langsam, aber ohne jede Hektik.

Damit läßt es sich schön cruisen, denn der Ami ist ein Show-Talent, scheint, obwohl im beschaulichen Osnabrück gebaut, direkt aus dem Spielerparadies Las Vegas zu kommen. Fetter Kühler, flacher Aufbau, famoses Heck. Innen ist es dann noch mal enger als selbst im Honda – und leider auch recht lieblos: Der Crossfire hat einfach eine bessere Verarbeitung und hochwertigere Kunststoffe verdient als das derzeit bei Karmann verbaute Material.

S2000 – nichts für schwache Nerven

Beim Chrysler sind die beiden Höcker auf dem Verdeckkasten noch müde versteckte sportliche Anklänge – der Honda dagegen scheint direkt von der Rennstrecke zu stammen. Er trägt kein Gramm Speck auf der Hüfte, steht schlank und grazil auf der Straße. Die Schnauze spitz wie der Kopf einer Kobra, ähnlich giftig stößt der S2000 auch zu. Der irrwitzige Zweiliter-Vierzylinder dreht wie entfesselt bis knapp unter 10.000 Touren, bei 9000 beginnt der rote Bereich.

Und es ist kein Wankel. Bei niedrigen Drehzahlen passiert dabei – um ehrlich zu sein – nicht viel. Aber wenn dann VTEC bei exakt 5850 Touren die schärferen Ventile für schnelle Gaswechsel aktiviert, bleibt kein Auge trocken, dann zündet der Nachbrenner. Wirklich schade ist nur, daß der Motor einfach nicht klingt – in einer Zeit, in der jeder Staubsauger vom Soundingenieur abgestimmt wird. Ausgedreht peitscht der S2000 aufgeregt durch die Gegend, stets auf dem Sprung. Nichts für schwache Nerven. Die Lenkung spricht ultradirekt an, wirkt aber so künstlich wie an der Spielkonsole. Der Geradeauslauf entspricht dem eines Kite-Buggys bei wechselnd böigem Wind, und in zu schnellen Kurven kommt das Heck gern mal gewaltig. Und das alles passiert ohne Netz und doppelten Boden, denn ESP gibt es nicht. Ein Fahrerlebnis der seltenen Art – für die, die es mögen.

Eine Geschmacksfrage ist sicherlich auch die Inneneinrichtung. Nur ein paar Zentimeter weniger, und ich müßte draußen bleiben, so winzig ist die Kanzel. Die Digitalinstrumente scheinen aus den Siebzigern zu stammen, und einen Anlasserknopf baut inzwischen selbst Renault in brave Familien-Kutschen.

Kosten und Ausstattungen

Den S2000 gibt es für 36.150 Euro, zusammen mit dem Nissan (36.500 Euro) setzt er sich damit etwas vom Chrysler (38.400 Euro) und erwartungsgemäß vom BMW Z4 für 39.900 Euro ab. Dafür bekommt man einige Kite-Buggys (Stück um die 1500 Euro) – aber ich zweifle stark, daß man mit denen auch so wunderbar abheben kann.

Testwerte und Technische Daten

BMW, Nissan und Chrysler bremsen absolut erstklassig, der Honda fällt deutlich zurück. Die 39 Meter (kalt) sind für ein Auto dieses Kalibers zuviel, der BMW steht über zwei Meter früher.

Fazit und Wertung

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Dirk Branke Verlierer gibt es in diesem Vergleich keine, nur Gewinner: vier fabelhafte offene Autos, jedes mit ganz eigenem Charakter. Der BMW mit dem Sahne-Motor ist der ausgewogendste, mit dem machst du nichts falsch. Der allerletzte Kick fehlt, aber nicht jeder will den ja. Der Nissan ist ein Natur-Ereignis: spektakuläres Design, tobsüchtiger Motor. Der Chrysler lebt von seinem umwerfenden Charme, die Mercedes-Benz-Technik erweist sich auch noch eine Generation später als konkurrenzfähig. Auch der Honda hat den gewissen Kick. Mehr Sport-Maschine als Roadster, ein vibrierendes, fiebriges Fahrerlebnis.