Warten auf die Halbjahresbilanz

Das Wort Krise will bei Volkswagen niemand hören. Doch der Motor von Europas größtem Autobauer stottert gewaltig: Die Absatzzahlen liegen unter den Erwartungen, Probleme gibt es vor allem auf den wichtigsten Märkten Deutschland, China und USA. Der Hoffnungsträger Golf verkauft sich nicht so gut wie erhofft, kostspielige Rabatt-Aktionen drücken zusätzlich auf die Gewinnmargen. Für Schlagzeilen und Furore an der Börse sorgten unterdessen sogar Gerüchte über eine mögliche Gewinnwarnung. VW nahm dazu keine Stellung und verwies auf die Bekanntgabe der Halbjahreszahlen am 23. Juli. Erklärtes Ziel des Wolfsburger Autobauers für 2004 ist es, mindestens das operative Ergebnis des Vorjahres von 2,5 Milliarden Euro vor Sondereinflüssen zu erreichen.

Im ersten Quartal 2004 hatte nur die ertragsstarke Sparte Finanzdienstleistungen den VW-Konzern vor einem Rutsch in die roten Zahlen bewahrt. Es mehren sich die Hinweise, dass auch das zweite Quartal hinter den Erwartungen geblieben ist. "Schauen Sie auf die Zahlen", heißt es bei VW hinter vorgehaltener Hand. Auf dem wichtigsten Markt Deutschland gingen bei VW die Zulassungszahlen im ersten Halbjahr um 1,1 Prozent zurück.

"Die Situation bei VW ist nicht einfach", meint Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der FH Gelsenkirchen. VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder habe viele Probleme von seinem Vorgänger, dem jetzigen Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch geerbt – etwa die Luxuswagenstrategie mit dem schwach verkauften Oberklasse-Modell Phaeton und nicht gut aufeinander abgestimmte Modellzyklen. "Pischetsrieder ist dabei, das alles wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen." Der schwache Auto-Markt mache dem VW-Chef aber einen Strich durch die Rechnung.

Auch das Auslandsgeschäft bröckelt

Bei Volkswagen selbst gibt man sich nach außen gelassen. "Von Krise kann keine Rede sein. Da hatten wir schon andere Situationen", heißt es in Wolfsburg. Mit mehreren Maßnahmen reagierte die VW-Führung bisher auf die Autoflaute. Neben dem Sparprogramm ForMotion mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro zählt dazu auch ein Umbau des Vertriebs. Das Magazin "Der Spiegel" berichtet, zusammen mit einem bereits laufenden Programm sollten die Kosten sogar um drei Milliarden Euro gesenkt werden. Bei VW heißt es, die schwierige Autokonjunktur habe eine Menge an strukturellen Problemen hochkommen lassen.

Um die Effizienz zu steigern, sollen nun die einzelnen Konzernmarken gestärkt werden, vor allem VW. Das wichtigste Modell, der neue Golf, galt zunächst als Hoffnungsträger des gesamten Konzerns – doch er hat VW noch immer nicht wie erhofft nach oben gezogen. Zwar legte der Absatz zuletzt zu – erreicht wurde dies aber nur mit der Zugabe einer kostenlosen Klimaanlage im Wert von mehr als 1200 Euro. "Gerade aus solchen Zusatzausstattungen erzielen die Konzerne normalerweise Gewinne", sagt Analyst Georg Stürzer von der HypoVereinsbank. Das anziehende Volumen des neuen Golf bedeute daher für VW nicht unweigerlich steigende Profitabilität.

Wenig Freude macht VW derzeit auch das Geschäft auf wichtigen Auslandsmärkten. In den USA drücken der starke Euro und eine heftige Preisschlacht auf das Ergebnis, in China blieb der "Platzhirsch" zuletzt hinter der Marktentwicklung zurück und musste bei Preissenkungen mitziehen. Um das Ergebnis im deutschen Heimatmarkt zu bessern und Jobs zu erhalten, hat Personalvorstand Peter Hartz angekündigt, die Personalkosten um fast ein Drittel senken zu wollen – im Spätsommer sind harte Verhandlungen um den Haustarifvertrag zu erwarten. Für viele VW-Arbeiter ist aber derzeit erst einmal Erholung angesagt, und das länger als sonst: Wegen der Flaute auf dem Automarkt stehen die Bänder im Stammwerk Wolfsburg in diesem Jahr weitgehend vier statt drei Wochen still.