Marktlage und Qualität

Das konnte nicht klappen. Einfach einen anderen Namen ans Heck kleben, mehr Geld kassieren und hoffen, dass ein Verkaufsschlager aus dem neuen Typ wird. VW wagte das Experiment, erschuf die Zwillinge Golf und Bora Variant. Unterschiede: minimal. Ein anderer Grill, etwas andere Materialien im Innenraum, ein doppelter Ladeboden ...

In der Praxis spielen diese Differenzen keine Rolle. Was der VW-Kundschaft natürlich nicht verborgen blieb. Die Bereitschaft, mehr Geld für einen Bora Variant auszugeben, war und ist gering. Während der Golf Kombi boomt, sich letztes Jahr 52.383-mal verkaufte, kam der Bora Variant nur auf 7568 Zulassungen. Wichtig für Gebrauchtwagen-Interessenten: Die Bora-Motorenpalette beginnt bei 100 PS.

Wer nur 75 Benzin-PS oder gar 68 Saugdiesel-Pferde tränken möchte, muss Golf fahren. Kein Problem. Die möglichen technischen Fehlerquellen teilen sich die VW-Zwillinge brüderlich. An erster Stelle stehen dabei die Getriebe, die oft mit schlechter Schaltbarkeit auffallen, bei vielen Lesern im Rahmen der Garantie gewechselt wurden. Betroffen sind meistens die Zahnradsätze der schwächeren Benzinmotoren.

Motor und Fahrwerk

Die TDI-Motoren geben jedoch auch Anlass zur Sorge: Kritisch ist vor allem der Zahnriemen zum Antrieb der Nockenwelle und damit auch der Pumpe-Düse-Elemente. Zwischen 60.000 und 90.000 Kilometer beträgt seine Laufzeit – was aber nichts nützt, wenn aus der Spur geratene Spannrollen ihn zerstören oder ausgetretenes Öl ihn aufweicht. Doch auch das TDI-Umfeld hält noch genügend Fehlerquellen bereit: Mangelnde Leistung liegt entweder an undichten Gummiringen in den Pumpe-Düse-Einheiten oder an streikenden Vorförderpumpen.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Filter: Wer beim Erneuern des Dieselfilters nicht die beiliegenden Dichtringe benutzt, wird mit Luftblasen in der Einspritzung bestraft, die bis zum Liegenbleiben führen können. Gleiches passiert auch, wenn sich die Kraftstoffleitungen lösen – was bei Dieseln wie Benzinern vorkommt. Die sind eigentlich auf ihre Anschlüsse gepresst, was aber nicht ewig hält. Auch dann tritt Luft ins System – Folgen siehe oben. Vom Fahrwerk sind dagegen kaum Schwächen bekannt. Lenkung, Bremsen und Aufhängung gelten als solide. Über die sonstige Verarbeitungsqualität gibt es hingegen verschiedene Meinungen.

Unbestritten hinterlassen die Materialien in Bora und Golf einen edlen Eindruck. Aber viele Leser klagen auch über Knister- und Klappergeräusche, wackelnde und knarrende Sitze sowie die zickige Elektronik: schlechter Radioempfang, unkontrolliert blasende Klimaanlagen, in der Tiefe der Türen verschwindende Seitenscheiben, die erst mit Werkstatthilfe zum Vorschein kommen. Da ist es dann egal, ob der Kunde nun zum Golf oder zum Bora greift – am besten zu dem Auto, das bei der Besichtigung am besten funktioniert und weniger kostet.

Historie, Schwächen, Kosten

Modellgeschichte 4/99 Zeitgleiche Einführung der Variant-Versionen von Golf und Bora. Golf mit verschiedenen Benzin- und Dieselmotoren von 68–115 PS, Bora von 100–150 PS 11/99 Vorstellung Bora V6 4Motion mit Allradantrieb und 204 PS 1/00 Neuer 1,6-Liter-Vierventilmotor, 105 PS 9/00 Einführung Allradantrieb 4Motion, für Golf und Bora erhältlich, V5-Motor im Bora von 150 auf 170 PS erstarkt 3/01 Neuer TDI mit 130 PS für beide Modellreihen 1/02 1,6-Liter-Benzindirekteinspritzer FSI für Bora und Golf 1/05 Vorstellung des Bora II auf der Detroit Motor Show, Europastart im Sommer

Schwachstellen • Bremssättel an der Hinterachse haben oft Probleme mit dem Betätigungsmechanismus der Handbremse. Ungleichmäßige Wirkung, hoher Verschleiß an Scheiben und Belägen sowie Quietschgeräusche sind die Folgen • Zahnriemen und ihre Spannrollen sind vor allem bei den TDI-Motoren Ursache zahlreicher Motorschäden. Unbedingt die Wechselintervalle einhalten und die Spannung prüfen • Elektronik gibt sich launisch, von fehlanzeigenden Tankuhren bis zu dunklen Anzeigen der Klimaanlage ist alles möglich • typisch für Golf IV und Bora sind defekte elektrische Fensterheber • Undichtigkeiten am Motor betreffen Öl- und Wasserkreislauf, wobei die Diesel häufiger damit auffallen

Reparaturkosten Preise inklusive Lohn und Mehrwertsteuer am Beispiel VW Bora Variant 1.6, 74 kW/100 PS, Bj. 2000. Als Erfinder des Austauschteils kann VW traditionell mit günstigen Ersatzteilkosten brillieren. Vor allem gängige Verschleißteile sind verblüffend preiswert.

Fazit und Modellempfehlung

Fazit "VW Golf IV und der baugleiche Bora gehören zwar nicht zu den absoluten Musterknaben, liegen aber in nahezu allen Prüfkriterien besser als der Durchschnitt. Geringfügig schlechter schneiden beide lediglich bei der Einstellung der Scheinwerfer sowie bei der Funktion der Rückleuchten ab – der Verschleiß an Glühlampen ist sehr hoch. Und auch die Bremswirkung der Hinterachse wird häufiger beanstandet als die der Vorderachse." Gunnar Dahm, Gutachter TÜV Rheinland/Berlin-Brandenburg

Modellempfehlung VW Bora Variant 2.0 (85 kW/115 PS)

Steuer/Schadstoffklasse: 102 Euro im Jahr/D4 Testverbrauch: Werksangabe 8,0 Liter, gemessen 8,4 Liter (Super) Versicherung: Vollkasko (13/1000 Euro SB): 501 Euro. Teilkasko (27/300 Euro SB): 202 Euro. Haftpflicht (13): 704 Euro (Basis: ONTOS-Jahrestarife für Regionalklasse Berlin, 100 Prozent) Inspektion/Kosten: 15.000 Kilometer, etwa 300 bis 500 Euro Wertverlust: Dreijährige verlieren rund 36 Prozent vom Neupreis (Händlerverkaufspreis), danach jährlich um 1400 Euro Verlust