VW ID.4 Pro 4Motion: Elektro, Allrad, Fahrbericht, Motor, Akku
Im ID.4 zum Geysir: Wie weit bringt der neue Allrad den Elektro-VW?

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Um Alltagstauglichkeit geht's beim neuen VW ID.4 Pro 4Motion gar nicht erst. Mit Allradantrieb soll er sogar reif für die Insel sein – für Island! Geht das gut?
Bild: Volkswagen
Die ersten Zweifel kommen schon kurz nach dem Flughafen in Keflavík nahe der Hauptstadt Reykjavík auf. Aus dem Seitenfenster des schwarzen VW ID.4 schaue ich direkt in die Radnabe eines Toyota Land Cruiser. Selbst einem Mercedes Sprinter ziehen die Nordländer riesige Ballonreifen auf, die alle anderen wie Spielzeugautos aussehen lassen. Hier bist du was, wenn du dein Auto höher- und nicht tieferlegst.
Bei so viel zur Schau getragener Allradkompetenz kommt man als Islandnovize schon ins Grübeln angesichts der eigenen Mission. Weil die Alltagstauglichkeit von Elektroautos mittlerweile nicht mehr infrage steht, will VW mit dem neuen ID.4 Pro 4Motion zeigen, was der Mittelklasse-Crossover auch abseits befestigter Straßen draufhat.

Mercedes Sprinter mit XXL-Reifen werden in Island als Wohnbusse vermietet. Daneben wirkt der ID.4 eher schlecht gerüstet.
Bild: Volkswagen
Aber können zwei E-Motoren Klassiker wie Differenzialsperre und Reduktionsgetriebe ersetzen? Und riskiere ich mit den Akkus im Boden nicht bei der ersten Flussdurchfahrt einen Kurzschluss? Und wie sieht es mit der Reichweite aus? Island ist nicht gerade für sein urbanes Flair bekannt.
Der Akku soll für 515 Kilometer gut sein
Die Reichweite ist kein Problem. Mit 77 kWh sollen 515 Kilometer drin sein. Das scheint schon deshalb realistisch, da selbst auf den wenigen Schnellstraßen der Insel maximal 90 Sachen erlaubt sind und die Strafen, nach dem, was man sich hier erzählt, noch spektakulärer ausfallen als die wilde Landschaft.
Für alle, die gern Schilder lesen, sind selbst die 90 km/h noch zu schnell. Die Orte heißen Uxahryggir, Lyngdalsheiði oder Breiðabólsstaður. Als Mitteleuropäer fühlst du dich nur im tiefsten Asien verlorener.
Island ist ein extrem teurer Spaß
Das hält Scharen von meist jungen Touristen nicht davon ab, mit gemieteten Geländewagen und Dachzelt auf Erkundungsfahrt zu gehen. Eine gut gefüllte Reisekasse kann dabei nicht schaden. Island ist teuer. Der Liter Benzin kostet 2,50 Euro, selbst eine einfache Pizza Margherita beim Kebabmann haut mit strammen 19 Euro ins Kontor.

Es zischt und spritzt überall: Im Tal von Haukadalur gibt es zahlreiche geothermische Geysire und heiße Quellen.
Bild: Volkswagen
Die Modegeschäfte heißen hier 66° North, Icewear oder Arctic Explorer. Shorts und Sandalen sucht man vergebens, dafür sind sie absolute Spezialisten bei dicken Jacken, Schals und Wollunterhosen. Verständlich. Trotz Hochsommer zeigt das Thermometer schattige 14 Grad Celsius – für Island ist das knuffig.
Die Landschaft ist atemberaubend
Für die Kollegen von VW ist es eine feine Sache. Keine Klimaanlage oder Heizung, die kräftig am Akku lutscht und die Reichweite zerstört. So summt der ID.4 fast lautlos und entspannt dahin und überlässt die große Bühne der Natur. Schon abseits der Landstraße qualmt es überall aus den Bergen. Kleine Geysire machen sich Luft.

Ein neuer "Traction"-Mode soll dem ID.4 maximale Offroad-Kompetenz verleihen. Mit Ausnahme der Reifen klappt das.
Bild: Volkswagen
Unzählige Wasserfälle ergießen sich ins Tal. Der Angler am wilden Strom sieht aus wie aus der Werbung, zieht einen Fisch nach dem anderen heraus. Die kindische Idee, spontan ins kristallklare Wasser zu springen, endet mit einem großen Zeh ohne Gefühl. Es ist bitterkalt.
Ein neues Programm für schlechte Straßen
Also stromern wir weiter. Schilder warnen, dass ab jetzt nur noch Allrad erlaubt ist. Kein Problem. Der zweite Motor an der Vorderachse macht den neuen Pro 4Motion zum 4x4. Konkret heißt das: Zum permanenterregten 204-PS-Motor hinten gesellt sich eine 109 PS starke Asynchronmaschine auf der Vorderachse. Macht eine Systemleistung von 265 PS.
Damit turnt der 2,2-Tonnen-Moppel leichtfüßig in 6,9 Sekunden auf 100 km/h und über die meisten Geröllstrecken, die uns vor die LED-Scheinwerfer kommen.
Traktionsprobleme kennt der VW nicht
Weil das enorme Drehmoment sofort ansteht und geschickt zwischen den Rädern verteilt wird, kennt der 4Motion keine Traktionsprobleme. Mit der Sicherheit einer Bergziege kraxelt der ID.4 unverdrossen über das raue Vulkangestein.

Leichtfüßig bergauf: Der ID.4 kommt deutlich weiter als gedacht – dank 265 PS Systemleistung und intelligentem Allradantrieb.
Bild: Volkswagen
Der fehlende Unterfahrschutz wird von der ordentlichen Bodenfreiheit gekontert. Breit grinsend jage ich den nächsten Berg hinauf, alles scheint jetzt möglich. Wer braucht bei so viel Hightech schon die alten Diesel-Dinosaurier mit ihren Jurassic-Park-Schlappen?
Plötzlich ein lautes Zischen: Was ist passiert?
Ein lautes Zischen stört die aufkeimende Euphorie. Der linke Vorderreifen ist geplatzt. Die gummibedampften 19-Zöller sind nichts für die ruppige Wildnis. Islandtauglich ist der ID.4 trotzdem. Vor der nächsten Tour besorge ich mir aber auch diese coolen riesigen Ballonreifen.
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