Wer Luxusklasse sagt, meint eigentlich Mercedes. Gerade beim automobilen Adel strahlt der Stern immer noch heller als die meisten anderen Edel-Embleme. Zugegeben, auch BMW oder Audi haben hübsche Töchter. Aber VW? Undenkbar – allein der Name Volkswagen errichtet Klassengrenzen, unter denen Romeo und Julia sich nie kennen gelernt hätten. Das sieht Stefan Dolg genauso. Der 41-jährige Kaufmann ist überzeugter S-Klasse-Fahrer. Trotzdem war er für uns bereit, probeweise in den VW Phaeton 6.0 W12 umzusteigen. Erstes Urteil: "Die Karosserie wirkt nie protzig, verkörpert beste hanseatische Zurückhaltung." Das heißt aber auch: Der Phaeton fällt im Straßenbild etwa so auf wie eine 90/60/90-Schönheit als Politesse. Mann muss schon ganz genau hinsehen.

Dabei lässt sich dem großen Volks-Wagen sogar eine gewisse formale Eigenständigkeit bescheinigen. Besonders die Heckpartie überzeugt. "Mir gefallen vor allem die von oben nach unten breiter werdenden C-Säulen, die vier elegant in den Stoßfänger integrierten Auspuff-Schlote und die wie Diamanten funkelnden Rückleuchten", sagt Stefan Dolg. Die dynamisch dreinblickende Front lässt dagegen immer wieder den Passat durchscheinen. So viel Nähe zum Mittelklässler aus eigenem Hause dürfte dem Phaeton das Luxus-(Über-)Leben nicht leichter machen.

Das Interieur – besser geht's nicht

VW Phaeton W12
Schöner Wohnen: Der erstklassig verarbeitete, mit edelsten Materialien gespickte Phaeton-Palast wirkt hochwertiger als die S-Klasse.
Ohne jede Hemmung griffen die VW-Ingenieure ins Motorenregal. Der mit einer supersanften Fünfstufenautomatik gekoppelte 6,0-Liter-W12 aus dem A8 lässt 420 PS auf alle vier Räder los. "Er läuft seidenweich und leise, faucht nur beim Kickdown aggressiv – so muss ein Zwölfzylinder sein. Perfekt." Dass ein S 600 trotz 53 PS weniger schärfer spurtet und gerade in hohen Geschwindigkeitsbereichen lockerer zu Werke geht, verdankt der Phaeton seinem Übergewicht. Über 2,4 Tonnen schleppt der Luxusliner mit sich herum – mehr als das viel gescholtene Daimler-Dickschiff W140.

Die Strafe für so viel Zügellosigkeit wird dem Fahrer gleich doppelt serviert. Der ansonsten dank fein ansprechender Lenkung erstaunlich handliche Phaeton verfällt bei forcierter Fahrt in dumpfes Untersteuern. Unsportlich, aber unkritisch. Die Krise folgt beim anschließenden Boxenstopp: 18,2 Liter – kein Ruhmesblatt für den Erfinder des 1-Liter-Autos.

Schmücken dürfen sich die Wolfsburger dafür mit einem der edelsten und schönsten Innenräume weltweit. Abgesehen von einigen leicht keiligen Fugen außen und leichtem Versatz zwischen Fahrertür und Cockpit markiert der Phaeton zurzeit ein neues Nobel-Niveau. Sanft gleiten die Holzblenden vor den Lüfterdüsen nach oben, auf den vier bequemen Einzelsitzen lässt sich entspannt räkeln und das Klima separat regulieren. "Der Phaeton mutet wahrlich nicht wie ein VW an." Kein Wunder, kommt das Know-how der exzellenten Lederverarbeitung doch von Konzern-Juwel Rolls-Royce.

Schweben über dem Asphalt

Auch die Funktionalität lässt in diesem VW kaum Wünsche offen. Logisch und leicht verständlich das Bedienkonzept aus zentralem Dreh-Drück-Knopf, klar beschrifteten Menütasten und variabel belegten Wahlschaltern. Leider kann aber auch VW nicht verhindern, dass bei so viel Licht einige Schatten entstehen. Völlig überflüssig und störend etwa die Schaltwippen hinterm überladenen Multifunktions-Lenkrad: "Spenden Sie die 800 Euro lieber für einen guten Zweck", rät Dolg. Des Weiteren fehlt eine Zuziehhilfe für die schweren Türen, spiegelt sich das helle Interieur bei Sonne brutal in der Heckscheibe, die allerdings mit einer Jalousie elektrisch zugezogen werden kann.

Fahren im Phaeton ist zwar keine neue Dimension, aber durchweg Luxusklasse pur. Wie eine gute Sekretärin lästige Besucher hält die Luftfederung Straßenschäden von uns fern. Nur ganz fiese Frostaufbrüche dringen auch mal nach innen durch. Immer vorausgesetzt, die Dämpfer wurden auf "Komfort" eingestellt – im Sportmodus fällt der Straßenzustandsbericht dann doch deutlich detaillierter aus.

Eine exakte Kontoübersicht sollten Sie einholen, bevor Sie den vornehmen VW bestellen. Der üppig ausgestattete Phaeton 6.0 W12 mit vier Sitzen kostet immerhin 104.100 Euro (als Fünfsitzer 98.600 Euro) und damit mindestens 2800 Euro mehr als der alte A8 mit dem gleichen Motor. Doch getreu dem Motto "Was teuer ist, muss auch gut sein" lässt sich fehlendes Image ja auch über den Preis bilden, oder?

Technische Daten und Preise

Der neue W12-Motor (420 PS) besitzt üppige Kraftreserven – und das bei jeder Drehzahl. Das Maximum von brachialen 550 Nm steht über einen Bereich von 1800 Umdrehungen zur Verfügung.

Wertung und Fazit

Wertung Wir orientieren uns bei unserem Test am Maßstab. Heißt: Das jeweils meistverkaufte Modell in Deutschland markiert in jedem Kapitel 100 Prozent. Für diesen Einzeltest stellt natürlich die Mercedes S-Klasse das Maß der Dinge, in diesem Fall als S 600 – auch wenn es den nur als Langversion gibt. In den jeweiligen Kapiteln zeigt sich, ob der VW Phaeton 6.0 W12 besser oder schlechter abschneidet als der Marktführer Mercedes S-Klasse. So können Sie Ihren persönlichen Favoriten küren.

Fazit Der VW Phaeton 6.0 W 12 überholt den Mercedes in vier von fünf Kapiteln. Für ihn sprechen ein meisterlicher Motor, souveräner Federungskomfort und ein klassengerechtes Platzangebot. Sogar in Sachen Verarbeitung kann er die S-Klasse schlagen. Nicht gelungen ist es dem Flaggschiff Phaeton, sich technisch an die Spitze der Luxusklasse zu setzen. Bei einem Leergewicht von 2,4 Tonnen, das sogar den heftig kritisierten Dickdampfer W140 noch übertrifft, hätten in den Entwicklungsabteilungen eigentlich alle Alarmglocken läuten müssen. So gerät der Phaeton zu einem übergewichtigen Luxusliner, der mit dem Sprit umgeht, als seien die Vorräte unerschöpflich. Dazu kommt, dass der Phaeton sich optisch nicht deutlich genug vom Passat unterscheidet. Prognose: Der große VW wird es schwer haben, sich gegen Mercedes und BMW zu behaupten. Verdient jedoch hätte er es. Auf jeden Fall wird es Jahre dauern, wie das Beispiel Audi belegt.

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AUTO BILD
Der VW Phaeton 6.0 W 12 überholt den Mercedes in vier von fünf Kapiteln. Für ihn sprechen ein meisterlicher Motor, souveräner Federungskomfort und ein klassengerechtes Platzangebot. Sogar in Sachen Verarbeitung kann er die S-Klasse schlagen. Nicht gelungen ist es dem Flaggschiff Phaeton, sich technisch an die Spitze der Luxusklasse zu setzen. Bei einem Leergewicht von 2,4 Tonnen, das sogar den heftig kritisierten Dickdampfer W140 noch übertrifft, hätten in den Entwicklungsabteilungen eigentlich alle Alarmglocken läuten müssen. So gerät der Phaeton zu einem übergewichtigen Luxusliner, der mit dem Sprit umgeht, als seien die Vorräte unerschöpflich. Dazu kommt, dass der Phaeton sich optisch nicht deutlich genug vom Passat unterscheidet. Prognose: Der große VW wird es schwer haben, sich gegen Mercedes und BMW zu behaupten. Verdient jedoch hätte er es. Auf jeden Fall wird es Jahre dauern, wie das Beispiel Audi belegt.