Nachlässige Verarbeitung

"Der Jaguar ist ein in jeder Hinsicht furchtbarer Räuber." Brehms Tierleben verrät, warum die britische Autoschmiede in Coventry seit 1945 den Namen dieser Großkatze trägt. Um der Brehmschen Beschreibung als "das gefürchtetste aller Raubtiere" auch in Zukunft gerecht zu werden, schicken die Briten seit Juni 2001 ihr jüngstes Katzen-Baby auf die Jagd. Opfer ihres Streifzuges sollen dabei nicht etwa brave Stubentiger vom Schlage eines Mondeo oder Passat sein, sondern die rassigen Raubkatzen BMW 325i und Mercedes C 240 Elegance. Haben die Grund zur Furcht?

Die erste Begegnung in der Dämmerung dürfte in Stuttgart und München schon für leichte Unruhe sorgen. Anders als der tierische Verwandte, dessen "Gestalt etwas schwerfällig wirkt", blitzt in den vier Augen und dem muskulös schwellenden Körper des X-Type die pure Angriffslust. Mit deutlichen Anklängen an den Jaguar-Klassiker XJ und britischer Noblesse im Blech tritt der Baby-Jag auf wie der König des (Asphalt-)Dschungels.

Bei Licht besehen wirkt er allerdings nicht sehr adlig. Angesichts der Verarbeitung des Jaguar bricht der Katzenjammer los: Türen und Hauben passen nicht exakt, die Halterung der Kardanwelle rüttelte sich los und klapperte (eine Schraube fehlte). Der Kofferraum (mit schlecht passendem Teppich) schließt mitunter widerwillig, die Mittelkonsole trägt billiges Plastik und die Kontrollleuchte des Beifahrerairbags gibt unmotiviert Leuchtzeichen. (Mi)au, Herr Reitzle - der Jaguar-Boss weiß sicher, dass sich solche Manieren für adelige Rassekatzen nicht gehören.

Allradantrieb serienmäßig

Klasse beweist der X-Type dagegen, wenn er freien Auslauf bekommt. Auch wenn die lauten Abrollgeräusche nicht gerade auf Samtpfoten hindeuten, lässt das Fahrwerk doch Geschmeidigkeit erkennen. Leer wie beladen lässt sich der Jaguar von leichten Stolperfallen nicht erschüttern. Erst grobe Straßenschäden bringen den X-Type aus der Ruhe, lassen die Karosserie zittern und die Federn hinten bei voller Zuladung (immerhin 565 Kilo) durchschlagen.

Auf Schmusekurs setzen dafür die weichen, bequemen Polster und das noch akzeptable Platzangebot im Fond. Umso ärgerlicher, dass vorn sowohl bei der Kopf- als auch bei der Beinfreiheit das eine oder andere Zentimeterchen auf die deutsche Konkurrenz fehlt. Das Nachsehen hat auch der 2,5-Liter-V6. Das Alu-Aggregat aus dem Hause Ford stemmt in diesem Trio zwar die größte Leistung, verrät aber wenig Jagdinstinkt. Im X-Type willst du nicht rasen, sondern reisen. Das beim Ausdrehen kernige, etwas unkultivierte Knurren und die ausgeprägte Durchzugsschwäche (zieht im zu langen fünften Gang schlechter als die C-Klasse im sechsten) machen den X-Type eher zum Ausdauer- denn zum Hetzjäger.

Flinkem Beute-Blech kann der Jaguar ohnehin nicht immer folgen. Der Allradantrieb verleiht ihm zwar grundsätzlich ein braves, leicht untersteuerndes Fahrverhalten. Die wenig Rückmeldung liefernde Lenkung erschwert aber das Schlagen wilder Haken. Soll die viel zu schnell angefahrene Kurve dann auf der Bremse gerettet werden, stellt sich der kleine Lord ohne elektronisches Zaumzeug (DSC kostet 1428 Mark extra) gelegentlich quer.

Sport trifft Komfort

Dagegen nur subjektiv ein Problem: die Bremsen. Pudding-weich gibt das mittlere Pedal nach, suggeriert so flaue Verzögerung - tatsächlich stoppt der X-Type aus 100 km/h aber nach 38,2 Metern. Ein tadelloser Wert, selbst wenn BMW und Mercedes noch eher stehen.

Damit zum deutschen Auto-Adel, der Benzinblüter zum Träumen verführt. Die moderne C-Klasse wirkt mit schwungvollen Leuchten elegant wie eine Siamkatze, der sportliche Dreier mit langem Radstand und kurzen Überhängen dynamisch wie ein sprungbereites Raubtier. Das ab September 2001 noch klarer und knackiger auftritt - ein Facelift strafft Optik und Fahrwerk. Der Dreier glänzt mit der Quirligkeit eines hungrigen Löwen und dem Komfort einer Sänfte. Der seidige wie drehfreudige 2,5-Liter-Reihensechszylinder begeistert mit kraftvollem Antritt und tollem Sound, zeigt der Konkurrenz stets die Hinterläufe.

Dank direkter Lenkung, knackiger Schaltung und elektronischem Schleuderschutz DSC (regelt rigide) lässt sich der BMW außerdem mühelos und schnell über jeden Parcours bewegen. Die Federung lässt kaum Schläge nach innen dringen, belästigt aber in schnellen Kurven mit zu viel Seitenneigung. So ausgereift und perfekt wie das Interieur des Bayern wirkt, so halbstark und unzureichend fallen die Platzverhältnisse im Fond und die Sitzflächen aus - in beiden Fällen fehlen einige Zentimeter zum Glück.

König der Mittelklasse

Nicht nur in diesem Punkt führt die C-Klasse unser Test-Trio an. Reichlich Raum, verschwenderischer Verstellbereich der Vordersitze und bequeme Beinauflage sind in dieser Klasse der Maßstab. Auch bei der Fahrdynamik zeigen die Stuttgarter dem Rest die Krallen. Die straffe, unbeladen etwas steifbeinig wirkende Federung verleiht der C-Klasse schon mit dem Serienfahrwerk ungeahnte Sportlichkeit, die öfter an einen Besuch der Nordschleife denken lässt. Probleme bereitet der C 240 dabei dank ESP nicht (greift gemütlicher ein, erfordert am Limit aber Gegenlenken) - auch wenn die Lenkung direkter und das Schalten der ersten zwei Gänge ruckfreier sein dürften.

Der 2,6-Liter-V6 lässt dagegen kaum Wünsche offen. Beim Ausdrehen klingt der schwächste Motor im Test zwar wenig verführerisch, entschädigt dafür aber mit souveränen Fahrleistungen und sanftem Ton. Den C 240 nimmt der Löwenbändiger zum Entspannen - so wie Stubentiger ihre Streicheleinheiten genießen.

Spätestens die Rechnung beendet dann aber jede Gemütlichkeit. 66.339 Mark für den C 240 Elegance - trotz guter Komfort- und Sicherheitsausstattung happig. Zumal der kaum kargere BMW 325i (60.000 Mark) deutlich günstiger ausfällt, der Jaguar X-Type 2.5 V6 für 59.457 Mark sogar mit Allradantrieb vorfährt. Auch das lässt die Katze aus Coventry weniger furchtbar erscheinen.

Fazit und Zeugnis

Fazit Gut gebrüllt, Jaguar. Dennoch reicht es nicht zur Sensation, können BMW und Mercedes beruhigt in die Zukuft blicken. Der X-Type 2.5 V6 scheitert an seinem müden Motor und der langen Getriebeübersetzung sowie an der wahrhaft nicht königlichen Verarbeitung. Vom englischen Auto-Adel erwarten wir dann doch deutlich mehr als nettes Aussehen und Allradantrieb. Der 325i zeigt dem Engländer mit seinem fantastischen Reihensechszylider (bitte niemals gegen den V6 tauschen) und dem besten Federungskomfort einmal mehr die Rücklichter. Dass es dennoch nicht ganz zu Platz eins reicht, liegt am zu knapp geschnittenen Innenraum. Als König der Mittelklasse fährt der C 240 Elegance nach Hause. Großzügige Platzverhältnisse, sehr gute Fahrdynamik und abgesehen vom ziemlich unverschämten Preis keine nennenswerte Schwäche bringen ihm die Krone in diesem Vergleich.

Punktewertung

Die Mercedes-C-Klasse fährt mit fünf Punkten Vorsprung vor dem BMW den Sieg nach Hause. Der Newcomer X-Type landet mit deutlichem Rückstand auf Platz drei. Vor allem der müde Motor und die schlechte Verarbeitung kosten den Briten wichtige Punkte. Wer andere Akzente setzen will, rechnet einfach die entsprechende Rubrik raus und kommt zum eigenen Ergebnis.

Testwerte und technische Daten

Die Bremsen sind in allen drei Fällen leistungsfähig uns sehr standfest. Beim Jaguar missfällt das teigige Pedalgefühl. Bremsassistenten, die eine Notbremsung erkennen, sind bei BMW und Mercedes Serie.

Preise und Kosten

Für einen echten Gewinner fehlt dem Briten noch Feinarbeit. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Verarbeitungsqualität. Allerdings gibt es eine Dreijahres-Garantie auf die Technik, und der Preis ist angesichtes des serienmäßigen Allradantriebs auch sehr fair.