Fabian Vettel (20) schreit durch seinen blau lackierten Helm, während wir mit Tempo 200 über die legendäre Nordschleife rasen: „Mit dem GT3-Mercedes geht das alles Vollgas!“ Von Anspannung keine Spur. Im Gegenteil: Total cool kutschiert Vettel den AUTO BILD MOTORSPORT-Reporter im Porsche 911 GT3 RS (520 PS) durch die Grüne Hölle. Der Youngster schmunzelt: „Im Renntempo fahren wir hier bis zu 260 km/h!“
Exklusiv für ABMS nahm der jüngere Bruder von Formel-1-Star Sebastian Vettel  den legendären Eifelkurs im Porsche-Renntaxi seines Teams GetSpeed Performance unter die Räder. Und das nicht ohne Grund: Der „kleine“ Vettel startet in diesem Jahr zum ersten Mal beim 24h-Rennen (20. bis 23. Juni 2019) auf dem Nürburgring – mit einem Mercedes-AMG GT3 (V8-Saugmotor, ca. 500 PS).
„Die ganze Nordschleife ist ein Erlebnis“, schwärmt Vettel. „Sie ist mit nichts auf der Welt zu vergleichen. Es ist kein Platz für Fehler, obwohl wir am Limit fahren.“ Dabei fuhr Fabian erst 2018 erstmals einen BMW M235i in der VLN. 2019 dann Absage wegen Schneefalls. Terminüberschneidungen mit dem ADAC GT Masters. Viele Nordschleifen-Runden ist er im GT3 noch nicht gefahren. Doch wie sein Bruder in der Formel 1 ist er ehrgeizig. „Von nichts kommt auch nichts. Deshalb fange ich direkt mit diesem schwierigen Rennen an.“
Der Vettel für 24 Stunden
Fabian Vettel ist ein Newcomer in der Eifel.
Vettel II fährt erst im dritten Jahr seiner noch jungen Motorsport-Karriere. Lange hat sich in der Familie alles um Sebastian gedreht. Erst mit 18 entschied auch Fabian, seinem Bruder in die Szene zu folgen: „Motorsport reizt mich einfach“, sagt er. „Ich bin durch meinen Bruder ja quasi an der Rennstrecke aufgewachsen, hatte mein ganzes Leben lang mit Rennautos zu tun. Irgendwann habe ich Lust bekommen, auch selbst zu fahren.“  Zunächst im Audi TT Cup, später in der Lamborghini Supertrofeo, jetzt im ADAC GT Masters – und eben bei den 24h.
Dabei ist der Rennsport nur ein Nebenjob. Hauptberuflich studiert er Architektur in Heidelberg, völlig bodenständig. „Jeder, dem ich das erzähle, ist überrascht“, grinst Fabian Vettel.
Auf der Rennstrecke gibt er trotzdem alles: Zwei Wochen vorm Langstreckenklassiker krachte Vettel mit seinem Mercedes-AMG GT3 vom Team HTP Motorsport beim Rennen in Österreich in die Leitplanken und zog sich eine leichte Gehirn­erschütterung zu. Aber: „Es hört sich schlimmer an, als es ist“, winkt er ab. 
Vettel liebt die Herausforderung. Das wird auch bei der Taxifahrt im Porsche klar, als er die Tiergarten-Senke durchfährt. „Im GT3-Auto setzen wir hier immer wieder auf“, ruft er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Es knarzt und wackelt im Porsche. „Das ist doch ein unglaubliches Gefühl, oder?“, fragt er.
Vettel ist ein Newcomer in der Eifel. Auch Erfahrung bei Dunkelheit fehlt ihm noch. „Das wird eine große Aufgabe für mich“, sagt er. „Aber ich habe keine Angst davor, das wäre auch der falsche Weg.“ 
Dazu kommt der Verkehr auf der Nordschleife. Vettel warnt: „Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Klassen sind riesig.“ Mit dem GT3-Mercedes ist er an einigen Streckenabschnitten bis zu 100 km/h schneller als die Autos aus kleineren Klassen, wie Renault Clio oder Volkswagen Golf (je 200 PS). „Es ist schwierig dazuzumeistern. Aber das ist auch das Einzigartige bei diesem Rennen.“
Das sein Bruder übrigens nie gefahren ist. Fabian: „Ich glaube, er hat mal ein paar Runden gedreht, aber sein Ziel war ja auch nie die Nordschleife. Trotzdem freut er sich natürlich. Es ist eins der legendärsten Rennen der Welt, und jeder kennt es. Deswegen ist es auf jeden Fall ein großer Schritt.“
Vettels Ziel: „Wir sind unerfahren, deshalb wäre Ankommen ein großer Erfolg.“

Von

Sönke Brederlow