Angeschlagen, angezählt, am Boden – aber k. o.? Niemals. Nicht Alfa. Nicht Bella Macchina, die Seele italienischer Autokultur, die unseren Verstand vernebelt und unsere Herzen öffnet. Und jetzt schon gar nicht, nun, da die alte Liebe wieder aufflammt – Giulietta heißt sie, wie damals im Alfa-Frühling, und schön ist sie. Oder sagen wir: apart. Und ja, sie tritt wieder an, zum klassischen Duell: Alfa gegen BMW. Giulia TI gegen 1800 ti, Giulia Super gegen 2002, Alfetta gegen 520i – das waren die Begegnungen einer großen Zeit, als Alfa dem deutschen Gegner bisweilen die Nase polierte.
Alfa Giulietta
Allein, der Erfolg war nicht von Dauer: Später, während Auto-Fans den BMW-Händlern die Bude einrannten, saßen die Alfa-Verkäufer allein in ihren Läden neben toten Topfpflanzen, die Heizung zum Sparen heruntergedreht, und kein Mensch ließ sich blicken. Solch Schicksal, gepaart mit vielen verpassten Chancen, zwang den Helden aus Milano in die Knie. Doch nun trippelt Alfa wieder aus der Ecke, durchtrainiert und angriffsbereit wie schon lange nicht mehr. Hier die junge Giulietta: neues Chassis, neuer Motor, neue Qualität, aber tief drinnen der alte Geist seiner legendären Ahnen. Schwört Alfa. Dort der 1er in weiß-blau: der Tom Cruise seiner Klasse, kompakt, wendig, premium und Everybody’s Darling. Das beweist schon der Verkaufserfolg. 170 italienische Pferde (Alfa Romeo Giulietta 1.4 TB 16V MultiAir) gegen 170 deutsche (BMW 120i), Hinterrad- gegen Vorderradantrieb, Turbo gegen Sauger. Wir sind gespannt.
BMW 1er
Ein Brummer ist sie geworden, die Giulietta, 13 Zentimeter länger als der 1er, auch breiter und höher, vorn mit mächtigem Überhang. Dabei wurde sie, wie Alfa versichert, auf Diät gesetzt, soll weniger wiegen als ihr zierlicher Vorgänger, der 147. 1365 Kilo kommen aber noch zusammen, der BMW wiegt zehn mehr. Drinnen erwartet uns ein modisch gestyltes Cockpit von ordentlicher Qualität, aber mit wenig Alfa-Charakter. Das hat auch seine Vorteile, denn die klassische Froschhaltung ist passé. Die Sitze sind für Langbeinige allerdings zu kurz bemessen. Probesitzen im Fond: Beengter als etwa im VW Golf, knappe Sitzflächen, aber im Gegensatz zum BMW auch für Erwachsene geeignet. Sprich: mehr Beinraum. Doch nun zum Wesentlichen – schließlich handelt es sich hier um einen Alfa. Also: Verdient der Neue endlich seinen Scudetto (so nennt der Italiener den Traditionsgrill)? Oder entpuppt sich der Star unterwegs wieder als Glühwürmchen? Wie früher – mit tauber Lenkung, schwammigen Bremsen und stuckrigem Fahrwerk?
Erster Eindruck beim Losfahren: Es könnte was werden. Der kleine Turbo startet mit einem kurzen Schwächeanfall, kommt aber schnell zur Sache. Enorm, wie sich das 1,4-Liter-Motörchen nun in Szene setzt, tief Luft holt und mit Gusto losdampft. Dabei grummelt er auch noch sympathisch. Erst bei hohen Drehzahlen mischt sich ein Dröhnen in die Akustik. Dennoch: ein würdiger Alfa-Motor. Und technisch hochkarätig – die Einlassnockenwelle ersetzt beim Multi-Air-Motor hydraulische Stellglieder, welche die Ventile bedarfsgerecht steuern. Das dient der Leistung und (im Verbund mit der Start-Stopp-Anlage) der Sparsamkeit: 5,8 Liter pro 100 Kilometer Normverbrauch.

Die Giulietta zirkelt unverhofft präzise um die Kurven

BMW er Alfa Giulietta
Der 120i schafft das nicht (6,6 l/100 km), trotz Direkteinspritzung und Start-Stopp. Überhaupt backt er kleinere Brötchen. Um auf Trab zu kommen, muss er angestrengt drehen. Und so klingt er auch. Es fehlt ihm im Vergleich an Drehmoment, und deshalb heißt es: häufiger schalten. Was mit der knochigeren Schaltung kein reines Vergnügen ist. Wir vermissen den sahnigen Sechszylinder, dann wäre sie vielleicht da, die versprochene Freude. So aber erleben wir sie vor allem im Alfa, zumal nicht nur der Motor positiv überrascht. Wo haben die Italiener plötzlich gelernt, ein Fahrwerk so sauber abzustimmen? Die Giulietta zirkelt unverhofft präzise um die Kurven, die Lenkung schön straff und fast ohne Antriebseinflüsse. Ihre Vorderräder stemmen sich bei verschärften Manövern so unverzüglich gegen die Fliehkräfte, dass beim Einlenken selbst der 1er mit dem Hinterradantrieb seinen Vorteil der ausgewogeneren Gewichtsverteilung nicht ausspielen kann.
Und steht der sogenannte DNA-Schalter für die Elektronik auf "Dynamic", darf dazu mit dem Gaspedal nachgeholfen werden. Noch besser: Das berüchtigte Alfa-Stuckern des Vorderwagens ist nahezu verschwunden. Stattdessen belässt es die Giulietta bei einer sportlichen Straffheit, die von guter Dämpfung und gekonnter Harmonie zeugt. Dagegen erlaubt sich der BMW stärkere Vertikalbewegungen, federt bockiger. Kann es also sein, dass das italienische Fliegengewicht den bayerischen Preisboxer auf die Bretter schickt? Zugegeben, zum K. o. langt es nicht. Aber ein paar Treffer landet er bei diesem ersten Schlagabtausch auf jeden Fall.
Technische Daten BMW 120i: Vierzylinder, vorn längs • vier Ventile pro Zylinder • Hubraum 1995 cm³ • Leistung 125 kW (170 PS) bei 6700/min • max. Drehmoment 210 Nm bei 4250/min • Hinterradantrieb • Sechsganggetriebe • 0–100 km/h 7,8 s • Spitze 224 km/h • EU-Mix 6,6 l Super/100 km • CO2 153 g/km • Preis: ab 27.150 Euro
Technische Daten Alfa Giulietta 1.4 TB Multiair: Vierzylinder, Turbo, vorn quer • vier Ventile pro Zylinder • Hubraum 1368 cm³ • Leistung 125 kW (170 PS) bei 5500/min • max. Drehmoment 250 Nm bei 2500/ min • Vorderradantrieb • Sechsganggetriebe • 0–100 km/h 7,8 s • Spitze 218 km/h • EU-Mix 5,8 l Super/100 km • CO2 134 g/km • Preis: ab 22.400 Euro 

Von

Wolfgang König