Es ist wieder passiert. An Heiligabend um 12.30 Uhr erschüttert ein gewaltiger Knall den Euro Rastpark im badischen Achern. Beim Betanken eines Audi A3 g-tron mit Erdgas birst plötzlich einer der beiden Unterflurtanks. Das Heck des Kompaktwagens wird vollkommen zerfetzt, der dahinter stehende 34-jährige Fahrer schwer verletzt. Die Wucht der Detonation ist gewaltig. "Es hätte Tote geben können", sagt Michael Wegel, Kommandant der örtlichen Feuerwehr, zu AUTO BILD. "Selbst schwere Trümmerteile flogen 35 Meter weit durch die Tankstelle." Mehrere Autos werden beschädigt. Unter anderem ein Land Rover. Dessen Insassen, eine fünfköpfige Familie, sind zum Glück gerade in die Shell-Station gegangen.

Nicht nur rostige Metalltanks können bersten

Audi A3 g-tron
Eine neue Gefahr? Zum ersten Mal explodierte ein Tank aus modernem Verbundwerkstoff.
Für Audi und den gesamten VW-Konzern ist der Unglücksfall ein Schock, reiht er sich doch ein in eine Serie von Explosionen, deren Ursache schadhafte Drucktanks waren. Besonders brisant: Zum ersten Mal zerreißt es nicht verrostete Metalltanks, sondern einen modernen Tank aus Verbundkunststoff! Mehr als 100.000 solcher Druckbehälter hat der Kasseler Leichtbau-Spezialist Hexagon xperion bereits an Volkswagen geliefert. Sie wiegen 70 Prozent weniger als herkömmliche Stahlflaschen und bestehen aus drei Lagen: Im Inneren sitzt eine Schicht aus gasdichtem Polyamid, darüber sorgt eine Schicht aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) für Festigkeit. Den Abschluss bildet eine Schicht aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK), die vor Beschädigungen von außen schützen soll.

Ist ein Bagatellschaden die Ursache?

Audi A3 g-tron
Der A3 war nach einem Rempler am Stoßfänger repariert worden – der Gastank sollte das aushalten.
Die Behälter speichern Erdgas (CNG = Compressed Natural Gas) unter 200 Bar Druck, halten laut Herstellerangabe aber bis zu 500 Bar stand, bevor sie platzen. Ob beim Unglück von Achern möglicherweise ein Konstruktions-, Fertigungs- oder Materialfehler am Tank vorlag, ist derzeit noch offen. Audi beteuert, ein Herstellerverschulden sei nach ersten Erkenntnissen auszuschließen. Menschliches Versagen beim Betanken komme ebenfalls nicht infrage, sagen Polizei und Feuerwehr nach Auswertung des Überwachungsvideos. Und auch die Zapfanlage soll technisch in Ordnung gewesen sein. Laut Fahrzeughalter, einem Bauunternehmen aus Kehl, ist der Audi am hinteren Stoßfänger repariert worden, nachdem er mit Schrittgeschwindigkeit im Parkhaus gegen ein Hindernis gerollt war. Ein Kuller-Crash, der eigentlich nicht dazu führen sollte, dass der Wagen in die Luft fliegt.

Die Aufklärung des Unglücks kann Monate dauern

Audi A3 g-tron
Jetzt besser erstmal nur Benzin tanken? Audi sagt nein, der BFG hält es vorerst für besser.
Der Bundesverband für Gasanlagentechnik (BFG) konnte den zerstörten Audi A3 besichtigen. "Dabei sind Fragen der Produktsicherheit aufgetaucht, welche das Kraftfahrt-Bundesamt beantworten muss", sagt BFG-Chef Peter Ziegler. Er hat für die Ermittlungsbehörden einen sechsseitigen Bericht verfasst und bei der Staatsanwaltschaft in Baden-Baden Strafanzeige gegen unbekannt gestellt. Außerdem fordert der Verband, die Bundesanstalt für Materialprüfung in die Untersuchung einzubeziehen. Bis ein Ergebnis vorliegt, kann es Wochen, wenn nicht Monate dauern. Sollten Audi-, Seat-, Skoda- und VW-Halter, in deren Autos Leichtbau-Gastanks verbaut sind, solange auf CNG verzichten und nur den vorhandenen Benzintank nutzen? Audi sagt Nein. Der BFG meint: Besser wäre es. Bauleiter Nikolai C., der bei der Explosion des Erdgas-Audi an Stirn und Bein verletzt wurde, ist inzwischen aus der Klinik entlassen. Er steht schwer unter Schock und ist nicht arbeitsfähig.
Das sagt Audi: • Gibt es Erkenntnisse über die mögliche Ursache für das Bersten des Gastanks beim Unglück von Achern? Der Vorgang wird derzeit durch einen Sachverständigen untersucht. Nach ersten Erkenntnissen ist ein Herstellerverschulden auszuschließen. Vor Abschluss der offiziellen Untersuchungen bzw. dem Vorliegen des Sachverständigen-Gutachtens können wir hierzu keine weiteren Aussagen treffen. • Sollten Kunden bis zur Klärung der Unfallursache auf das Betanken mit Erdgas verzichten? Nein, dazu gibt es keine Veranlassung. • Wird es einen Rückruf geben? Nein.

Kommentar

Im AUTO BILD-Dauertest über 100.000 Kilometer erreichte ein Audi A3 g-tron die Traumnote 1+. Würde ich in dieses Modell wieder einsteigen? Ganz klar: nein. Jedenfalls nicht, bevor das Unglück von Achern lückenlos von unabhängiger Seite aufgeklärt ist. Kraftfahrt-Bundesamt, Staatsanwaltschaft und Audi müssen nun liefern. Sonst ist Erdgas als saubere, kostengünstige Alternative tot.