Deutschlands Lieblinge, genauer: Premiumlieblinge. Der Traum der Massen und einer, der keineswegs jenseits jeder Realität stattfindet. Für erstaunlich viele Deutsche geht er in Erfüllung – der Audi A4, der BMW 3er und die Mercedes C-Klasse haben Abonnementplätze in den Top Ten der Verkaufshitliste. So ließ denn auch die Tatsache, dass der A4 zuletzt aus dieser Spitzengruppe herausfiel, bei Audi die Alarmglocken schrillen. Was war passiert? Warum war sie verflogen, die Audi-Liebe? Die Antwort: Ein brandneuer 3er. BMW hatte die Rangfolge durcheinandergebracht. Außer dem: Anti-Aging bei der C-Klasse mittels Facelift und Frischzellen.

Überblick: Alle News und Tests zum Audi A4

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Video: C-Klasse, 3er, A4

Die Mittelklasse: So dynamisch wie nie

Da half auf die Schnelle nur Botox: Audi liftet den A4, aber auf die dezente Art – andere Lichter, renovierter Grill, Elektrolenkung sowie diverse Verfeinerungen des Innenlebens. Genug, um die Nebenbuhler alt aussehen zu lassen? Zur Erhellung picken wir aus der A4-Palette die 2.0-TDI-Variante mit 136 PS heraus. Die Rivalen: BMW 318d (143 PS) und Mercedes C 200 CDI Avantgarde (136 PS). Spontane Frage bei der ersten Begegnung mit dem aufgefrischten A4: Was ist hier eigentlich neu? Die Unterschiede sieht auf Anhieb nur der intime Audi-Kenner. Erloschene Liebe dürfte das wohl kaum neu entfachen. Unverändert anziehend dagegen der Qualitätseindruck: So hochwertig und bis ins Detail sauber verarbeitet muss Premium aussehen. Wir haben die Ausstattungslinie Attraction, dazu die bequemen Sportsitze in Leder für 1900 Euro – sehr nett. Im Leerlauf und beim Losfahren brummt der Diesel nun verhaltener, das fällt auf. Erst obenherum läuft er noch ziemlich rau. Die Kraftreserven genügen, mangelnder Dampf ist normalerweise kein Thema. Den Verzicht auf eine der höheren PS-Klassen versüßt der Verbrauch: 5,4 l/100 km im Test, äußerst wenig für einen 215 km/h schnellen 1,5-Tonner.

Überblick: Alle News und Tests zur Mercedes C-Klasse

Mercedes C-Klasse
Nicht so dynamisch wie die Konkurrenz: Die Mercedes C-Klasse setzt auf eine komfortable Abstimmung.
Nicht optimal, weil zu hakelig, bleibt die Sechsgangschaltung. Dass es auch besser geht, zeigt uns der BMW. Ansonsten gelingt dem Audi jedoch eine respektable BMW-Imitation: Es dominiert der Eindruck ausgeprägter Agilität. Der geliftete A4 wechselt auf Kommando, ohne lange zu fackeln die Richtung, und die angeborene Neigung des kopflastigen Fronttrieblers, in Kurven geradeaus zu schieben, macht sich nur sehr dezent bemerkbar. Dabei hilft ihm seine gekonnt abgestimmte ESP-Regelung. Nicht so vorbildlich dagegen die Lenkung (nun mit elektrischer statt hydraulischer Lenkhilfe), die um die Mittellage präziser sein dürfte, sowie die Ergebnisse im Bremsentest bei serienmäßiger 16-Zoll-Bereifung – die Konkurrenten stehen rund 1,5 Meter vorher. Raum für Verbesserungen lässt der A4 aber auch beim Fahrkomfort: Das zu sportlich abgestimmte Fahrwerk bolzt auf schlechten Straßen munter drauflos und gönnt den Passagieren selbst auf Autobahnen keine Ruhe. Und Abrollgeräusche sorgen für eine akustische Untermalung, auf die wir gern verzichten würden.
Komfortabler, wenngleich auch behäbiger, geht der Mercedes zur Sache. Seine Federung schluckt intensiver, die Geräuschkulisse ist angenehmer, die Komfortausstattung besser – so wie es sich eben für einen Benz gehört, obschon eine weitere Steigerung hier durchaus willkommen wäre. Seiner Neigung zur etwas gelasseneren Fortbewegung entsprechen die dynamischen Qualitäten: Auf die Fahrstabilität ist stets Verlass, der Fixeste ist er in dieser Runde aber nicht. Da spielt dann auch das höhere Gewicht eine Rolle, ebenso wie das gedämpfte Temperament des Antriebs, der hier noch am meisten an einen Diesel alter Schule erinnert. Und einen Schluck mehr als seine Widersacher genehmigt er sich auch. Nicht Mercedes-like: Hinten kommen sich die Passagiere vor wie in einer Notunterkunft. Zumal wenn sie lange Beine haben.

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 3er

BMW 3er
Setzt Maßstäbe in der Mittelklasse: Mit dem neuen 3er ist BMW wirklich ein großer Wurf gelungen.
Dass auch in dieser Klasse nichts ausgereizt, echter Fortschritt also noch möglich ist, beweist unterdessen der neue 3er. Schon auf den ersten Kilometern wird klar, dass der BMW hier Maßstäbe setzt. Sein Zweiliter-Diesel leistet sich eine kleine Anfahrschwäche, dreht dann aber munter und kultiviert bis weit über 5000 Touren. Sehr schön auch die Schaltung mit jener mechanischen Präzision, die Laune macht. Die (aufpreispflichtigen) Sportsitze passen wie angegossen, die direkte, leichtgängige Lenkung verknüpft Zielgenauigkeit mit Lenkkomfort. Und verblüfft stellt der Fahrer fest, dass so wenig Motor in so viel Auto (4,6 Meter Länge, 1,52 Tonnen Gewicht) gehobenes Fahrvergnügen keineswegs ausschließt. Großen Anteil an dieser Entdeckung hat die gelungene Abstimmung des Fahrwerks. Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang: das mehrstufige, adaptive Fahrwerk sowie die Sportlenkung mit variabler Übersetzung (im Testwagenpreis enthalten). Der 3er kann vergnügt und mühelos über kurvenreiche Landstraßen flitzen, sein Talent gefördert von einer ausgewogenen Gewichtsverteilung und den Wahlmöglichkeiten der ausgefeilten Elektronik.
Er kann aber auch Komfort bieten, und das sogar gleichzeitig und noch dazu deutlich mehr als seine beiden Kontrahenten. Ein Augenöffner, dieser 3er, zumal er sich auch sonst keine Schwächen leistet. Er markiert im Test sowohl den Sparsamsten als auch Spurtstärksten, und er bietet am meisten Platz. Damit wäre dann auch der Ausgang des Vergleichs besiegelt: BMW bleibt der Eroberer im Segment. Dagegen reicht ein Facelift nicht.

Fazit

von

Wolfgang König
Ob ein 3er so groß sein muss, darüber lässt sich streiten. Auf mich wirkt er unnötig aufgebläht, wozu auch das Design beiträgt. Unbestreitbar aber: Er ist ein großer Wurf. Sein Fahrwerk setzt Maßstäbe, sein kleiner Diesel macht großes Vergnügen, und die Primärtugenden wie Platz und Sparsamkeit beherrscht er auch. Da muss der geliftete A4 passen, zumal in Sachen Komfort. Auch die C-Klasse findet hier auf vielen Ebenen ihren Meister.

Von

Wolfgang König