Audi A4: Fahrbericht
So fährt der neue Audi A4

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Alter Wein in neuen Schläuchen? Beim Audi A4 ist es genau umgekehrt – da wirkt die Hülle sehr vertraut, und die Technik unterm Blech ist neu. Fahrbericht.
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Stell Dir vor, der Promi kommt von der Schönheits-OP und alle sagen: Mensch, klasse, siehst ja aus wie immer! Da hat wohl einer zu wenig geschnibbelt und darf sich ärgern über sein zu kleines Fort-Schnittchen. So geht's dem neuen A4, der Audis Design-Philosophie der ruhigen Hand leider etwas übertrieben hat. Wenn ein Bestseller so brav, so altbekannt die heiß umkämpfte Bühne der noblen Mittelklasse betritt, dann muss er dynamisch ein Fahrerlebnis bieten, das den Kiefer herunterklappt. Und der neue Audi kann liefern. Also steigen wir ein.
Beim Interieur zeigt die Audi-Mittelklasse großes Oberklasse-Kino

So muss eine deutsche Nobel-Limousine verwöhnen: Im neuen A4 stimmt beim Interieur einfach alles.
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Das Interieur bietet wieder die große Audi-Show. Wohin man auch blickt, wohin die Finger auch greifen, so muss eine deutsche Nobel-Limousine verwöhnen. Feine Materialien, wie aus dem Vollen gefräst, dezenter Stil ohne das gelegentlich unseriöse Bling-Bling-Übertreiben der C-Klasse. Der Mercedes hat trotzdem seine Spuren hinterlassen im Audi, denn der Bildschirm steht nun fest wie ein iPad über der Mittelkonsole. In seinem Menü findet sich eine ganze Herde von elektronischen Assistenten, die in dieser Klasse ebenso neu sind wie das Dämmglas vorne. Dämmglas? Diesel? Ach, ja, da war doch was! Der TDI klingt dank der doppelten Lage Scheiben noch eine Spur weiter weg, man könnte glatt vergessen, einen Selbstzünder zu fahren, würde der 2,0-Liter nicht unter Last gelegentlich noch durch die Ritzen nageln. Seine 190 PS ziehen äußerst standesgemäß an, in 7,7 Sekunden sind 100 km/h erreicht und erst bei Tempo 240 ist im handgeschalteten Vierzylinder Schluss.
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Die Elektonik macht den Frontantrieb komplett vergessen
Video: Audi A4 (2015)
Erste Fahrt im neuen A4
Doch selbst brutales Gasgeben beim Anfahren konnte die Vorderräder nicht dazu verleiten, verräterisches Gummikreischen von sich zu geben. Zumindest auf trockener Fahrbahn vermeidet der Frontantrieb das unsportliche Kratzen und bietet – elektronisch geregelt – reichlich Traktion bis an die Haftgrenze, die erstaunlich weit draußen liegt. Aber warten wir mal volle Beladung und feuchte Bergaufkurven ab – ob der A4 dann ähnlich kultiviert bleibt wie auf der ersten Testfahrt? Denn auf italienischen Landstraßen zweiter Ordnung, zwischen Weinbergen und ausscherenden Traktoren, zelebrierte der neue A4 einen Fahrspaß, der so nicht zu erwarten war. Verantwortlich sind die neue elektromechanische Lenkung und die variable Dämpferverstellung, beides Komponenten, die Audis Mastermind Dr. Ulrich Hackenberg nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren kräftig nachgeschärft hat.
Lenkung (Serie) wie Fahrwerk (Option) lassen sich über den Schalter "Drive select" unterschiedlich vorwählen, der Unterschied zwischen beiden Stellungen fiel bei der Lenkung deutlicher auf als an den Dämpfern, die dem Audi trotzdem einen Fahrkomfort verschaffen, der im hölzernen Vorgänger fehlte. Der A4 lenkt nun in Kurven präzise und glasklar ein, hält die Radien spurtreu und neutral, dass wir uns auf den quattro doppelt freuen. Welche Freude müssen dann erst die sportlichen S- und RS-Varianten machen!
An der Kasse werden die Ingolstädter beim neuen A4 mutig

Mindestens 38.100 Euro kostet ein handgeschalteter Audi A4 2.0 TDI – der vergleichbare 320d ist günstiger.
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Zum Verkaufsstart im Oktober 2015 startet die Preisliste bei 150 PS aus einem 1,4-Liter-Benziner und endet bei 272 PS aus dem 3,0-Liter-Diesel, einem Sechszylinder, der auch mit 218 PS zu haben ist. Eine ungewöhnliche Motorisierung, ebenso wie der 2,0-Liter-Turbobenziner, den Audi als "Rightsizing" bezeichnet, weil er Komfort und Sparen vereinen soll. Solche Angebote, zusammen mit modernem Infotainment, einem ganzen Heer aktuellster Assistenten sowie der besten Aerodynamik der Klasse (cW-Wert 0,23) ergeben einen A4, der optisch wenig her macht, aber dem 3er BMW als Klassenbesten das Wasser reichen kann. Deshalb wird Audi auch bei den Preisen mutig und verlangt für seinen Neuling mehr als beim vergleichbaren Münchener: Der A4 2.0 TDI kostet als Handschalter 38.100 Euro, das sind 850 Euro mehr als BMW für den 320d verlangt. Zumindest in der Preisliste also hat Audi ganz gewaltig herumgeschnippelt: Da sieht nichts mehr aus wie früher.
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