Es wird ernst für den neuen Audi A6: Im ersten Vergleich warten BMW 5er und Volvo S90 – alle mit starken Dieseln. Fährt der Ringträger an die Spitze?
Harte Zeiten für Audi: Der Chef sitzt im Knast, der Diesel-Skandal nimmt einfach kein Ende, zuletzt präsentierte die Konzern-Schwester Porsche eine saftige Rechnung für die 22.000 Diesel-Cayenne, die zurückgerufen werden mussten. Wegen der Motoren von Audi. Da kommt ein neuer A6 als Lichtblick gerade richtig. Kann er in der Oberklasse wieder den Ton angeben? Leicht haben wird er es nicht, es warten mit dem 5er von BMW und neuerdings auch mit dem Volvo S90 ausgesprochen talentierte Konkurrenten.
Gelungen: Der tief heruntergezogene Kühlergrill und die ausgestellten Kotflügel stehen dem A6 sehr gut.
Das Design des neuen A6 hat Audi bemerkenswert gut hinbekommen. Mit tief heruntergezogenem Grill, den ausgestellten Kotflügeln – ähnlich wie beim Ur-quattro – und einem markanten Heck. Was dort allerdings die Fake-Blenden sollen, weiß nur der Designer. Der BMW trägt stolz zwei ordentliche Endrohre. Der 530d wirkt im Vergleich mit dem wuchtigen, ausladenden A6 regelrecht zierlich – trotz sehr ähnlicher Außenabmessungen. Und der Volvo? Er muss sich zwischen den beiden Deutschen keinesfalls verstecken, im Gegenteil. Er sieht einfach hinreißend aus, lang gestreckt und mit einem flachen, coupéartigen Dach. Das bedeutet dann allerdings auch etwas weniger Kopffreiheit im Fond als in A6 und 530d. Die Messwerte ergeben zudem, dass der Schwede insgesamt etwas knapper geschnitten ist, zu spüren ist davon im Alltag nicht viel – alle drei wirken luftig und geräumig.
Zwei Bedienkonzepte brauchen zu viel Aufmerksamkeit
Edel: Der Volvo ist fein eigerichtet, aber die Bedienung per Touchscreen lenkt – wie im A6 – zu sehr ab.
Im A6 glänzt und funkelt es im Cockpit nur so, kein Wunder bei den drei riesigen Bildschirmen: 12,3 Zoll für die digitalen Instrumente (Serie sind sieben Zoll), 10,1 Zoll für Navi und Multimedia (Serie 8,8 Zoll). Beides zusammen kostet im Paket mit Navi plus 2200 Euro. Und dann gibt es noch zusätzlich ein drittes, 8,6 Zoll großes Display, das hauptsächlich fürs Klima und bei Bedarf als Schreibpult für das Navi dient. Die Displays haben eine feine Grafik und bieten schönes haptisches Feedback. Drückt man auf den Touchscreen, klackt es leise. Aber letztlich ist die Bedienung wegen der vielen Funktionen und Menüs nicht ganz einfach. Das gilt auch für den Volvo mit seinem senkrecht stehenden 9-Zoll-Berührungs-Bildschirm in der Mitte, mit ebenfalls jeder Menge Funktionen und leicht verschachtelten Menüs. Sagen wir mal so: Die Bedienung lernst du schnell, die Ablenkung bleibt.
BMW pflegt nach wie vor einen unaufgeregten Stil, mit fast schon klassischer Einrichtung, klaren Instrumenten und vor allem einem einwandfrei zu bedienenden iDrive-System. Der 530d hat den Dreiliter-Sechszylinder mit 265 PS unter der Haube, gekoppelt an die Achtstufen-Sportautomatik (250 Euro). Eine kaum zu schlagende Kombination. Der feine Reihensechszylinder dreht seidig, tritt bissig an und summt sonor, der Achtstufenautomat reagiert perfekt.
Der 5er überzeugt mit überraschender Leichtfüßigkeit
Fein abgestimmt: Der BMW rollt samtig ab, nimmt längere Wellen sanft wogend – und er ist flink.
Das Testauto hat die Vierradlenkung an Bord (1250 Euro), dazu die adaptiven Dämpfer (1190 Euro), steht auf 18-Zöllern. So liegt es satt und wuchtig, fährt sich auffällig leichtfüßig und erstaunlich flink für diese Größe. Dazu noch die direkte, warmherzige Lenkung und schon ist Spaß garantiert. Und der BMW rollt samtig ab, nimmt längere Wellen sanft wogend. Der Volvo kommt grundsätzlich mit 2,0-Liter, als D5 in der leistungsstärksten Version mit 235 PS, Achtstufenautomatik und Allrad. Der Vierzylinder läuft vibrationsarm und legt sich nach Kräften ins Zeug – hat aber gegenüber den Sechszylindern das Nachsehen. Er dreht zäher, klingt bei höheren Touren rauer, muss sich einfach mehr anstrengen. Der Test-Volvo besitzt die Luftfederung an der Hinterachse (1970 Euro) und dazu 20-Zöller. Er fährt sich damit unauffällig, mit seiner leichtgängigen Lenkung im direkten Vergleich allerdings weniger handlich als A6 und 530d, wirkt kopflastiger. Die Federung bietet einen soliden Grundkomfort, nimmt Querfugen und Ähnliches aber ziemlich sperrig.
Für den Audi empfehlen wir die Allradlenkung
Handlich: Mit Hilfe der Allradlenkung zaubert Audi die über zwei Tonnen Gewicht des A6 einfach weg.
Den Test-A6 hat Audi mit allem ausgestattet, was gut und teuer ist: Allradlenkung (1900 Euro), Luftfederung (2000 Euro), Sportdifferenzial an der Hinterachse (1500 Euro), 20-Zöller (2200 Euro). Der 3,0-Liter-V6 mit 286 PS strotzt nur so vor Kraft, klingt kerniger und präsenter als der Reihensechser im BMW, läuft aber nicht ganz so kultiviert. Zudem klappt das Zusammenspiel mit der Automatik nicht reibungslos: Es dauert gefühlt eine halbe Ewigkeit, ehe es nach dem Tritt aufs Gas wirklich losgeht. Unangenehm an der Ampel oder wenn man schnell von der Kreuzung will und der 40-Tonner immer näherkommt. Die Luftfederung wirkt insgesamt etwas spröder als der BMW mit seinen Stahlfedern, reagiert auf größere Unebenheiten steifer. Eine Empfehlung ist die direkt ansprechende Allradlenkung. Mit ihr wirkt der große, über zwei Tonnen schwere A6 erstaunlich leichtfüßig und handlich.
Mit vollem Lametta und opulenter Testwagen-Ausstattung steht der Audi für 75.680 Euro in der Liste. Viel, wie der Vergleich zeigt: BMW möchte für den 530d vergleichsweise bescheidene 68.560 Euro und Volvo für den S90 D5 64.820 Euro. Harte Zeiten für Audi.
Überraschend, wie klar der BMW vor dem nagelneuen Audi liegt. Der 530d wirkt durchkomponiert bis ins letzte Detail, der A6 irgendwie noch nicht ganz zu Ende entwickelt. Der Volvo ist die Empfehlung für Leute, die alles etwas gelassener sehen.