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Video: Jaguar XF (2015) Test

Erste Fahrt im neuen XF

Jaguar gehört der indischen Tata Group, das Sagen haben in England aber die Deutschen. Fast die gesamte Führungsmannschaft war früher bei BMW beschäftigt. Und das merkt man: Die zweite Generation des XF fährt sich wie ein sportlich angehauchtes Premium-Produkt made in Germany.  Der Audi A6 hingegen pflegt die klassischen Audi-Tugenden. Er ist noch besser verarbeitet als sein Herausforderer, lässt sich intuitiver bedienen, federt wegen der optionalen Luftfederung deutlich geschmeidiger, ist leiser und auf Wunsch mit einer Endlosliste von Assistenzsystemen zu haben.

Die englische Raubkatze krallt sich an den Asphalt

Jaguar XF
Sportlimousine: Der Jaguar XF lenkt gierig ein, hält sauber die Linie, verzögert prompt und nachhaltig.
Womit sich die Frage stellt: Dynamischer Dandy von der Insel oder klassische deutsche Reiselimousine – wer hat im automobilen Oberhaus die Nase vorn? Der taufrische Jaguar setzt auf jeden Fall die formalen Akzente, ist ausstattungsbereinigt angemessen bepreist (20d mit Automatik ab 45.060 Euro) und behält auf den kurvigen Bergstrecken im Baskenland dank Hinterradantrieb klar die Tatzen vorn. Der XF lenkt gierig ein, hält sauber die Linie, verzögert prompt und nachhaltig. Die Klettverschluss-Straßenlage, das Autoscooter-Handling und die Instant-Rückmeldung machen den Jaguar zu einer Sportlimousine, die Freude bereitet und Vertrauen schafft. Der frontgetriebene Audi präsentiert sich gelassener, ausgewogener, entspannter. Den Grenzbereich erkundet der defensiver abgestimmte Ingolstädter bevorzugt über die Vorderachse, die etwas niedrigeren Kurventempi kompensiert der A6 aber durch ein klares Plus an Fahrkomfort, das Eigenlenkverhalten bleibt brav. Nur die Bremse könnte mehr Biss vertragen.
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Der 2.0 TDI zerrt mitunter unfein am Audi-Lenkrad

Audi A6
Fühlbarer Frontantrieb: Bei ungestümer Gangart reicht der Audi A6 Antriebseinflüsse in die Lenkung weiter.
Motorisch nehmen sich die beiden Diesel nicht viel. Der Leistungsvergleich geht mit 190 zu 180 PS nach Deutschland, das Drehmomentduell entscheidet der Brite mit 430 zu 400 Nm für sich. Die Unterschiede bei Beschleunigung (XF vorn) und Spitze (A6 vorn) bleiben marginal. Der Normverbrauch ist mit gut vier Litern bei beiden erfreulich gering. Wohl eher Prüfstands-Dichtung als Realleben-Wahrheit. In beiden Fällen kostet die Automatik extra. Audi verbaut den flinkeren, aber etwas weniger verbindlichen Doppelkuppler mit sieben Fahrstufen, Jaguar setzt noch einen Gang oben drauf und vertraut auf den klassischen Drehmomentwandler. Was der XF nicht kann, ist Segeln (Abkoppeln des Motors vom Antriebsstrang) und Rekuperieren (Rückgewinnung der Bremsenergie), dafür hält er sich auf Knopfdruck an jedes Tempolimit. Szenenwechsel. Jetzt sind wir auf gut ausgebauten Landstraßen unterwegs. Während der A6 bei ungestümer Gangart die Antriebseinflüsse bis in die Handflächen weiterreicht, punktet der flinke und wendige Brite mit hoher Lenkpräzision.
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Schäfchenweicher Abrollkomfort und lange Federwege sind dagegen nicht seine Stärke. Das liegt zum einen an der strafferen Grundabstimmung, zum anderen am R-Sportpaket und 20-Zoll-Rädern. Gegen den A6 mit 19-Zoll-Bereifung und Drive Select in der Komfortstellung sieht der Brite so kein Land. Die Alubauweise verhilft dem XF immerhin zu einem Gewichtsvorteil von 65 Kilo, dennoch liegt die Limousine satt auf der Straße.

Zwei unterschiedliche Charaktere begegnen sich auf Augenhöhe

Audi A6 Jaguar XF
Der Jaguar XF ist das dynamischere Auto, der Audi A6 der bessere Allrounder – es gibt keinen klaren Sieger.
Bei Materialqualität und Solidität fährt der Audi dennoch vorweg . Der über viele Jahre gereifte A6 ist eine Trutzburg auf Rädern – konservativ, aber allem Anschein nach gebaut für die Ewigkeit. Der Rückweg nach Pamplona führt über die Autobahn. Bei 130 km/h wirkt der Jaguar aufmerksamer und hängt etwas besser am Gas. Doch das Geräuschniveau dürfte niedriger sein, und das zittrige Ansprechverhalten auf Querfugen stört ebenso wie die Empfindlichkeit der Lenkung auf einseitigen Fahrbahnunebenheiten. Dafür punktet der XF mit seinem aktuelleren Infotainment, das uns nach Herzenslust touchen, zoomen, scrollen und wischen lässt. Vor allem das große Elektronikpaket mit dem kontrastreichen Zehn-Zoll-Monitor gefällt uns. Beide Business-Diesel sind jedenfalls große Limousinen mit kleinem Durst. Am Ende des Tages steht so kein eindeutiger Sieger fest, doch die Positionen sind bezogen. Der Jaguar verlangt eine gewisse Kompromissbereitschaft beim Komfort, aber er ist der flottere Dynamiker. Der Audi mag etwas weniger reizvoll sein, aber dafür ist er der harmonischere Allrounder.
Technische Daten Audi A6 2.0 TDI • Motor: Vierzylinder, Turbo, vorn längs • Hubraum: 1968 cm³ • Leistung: 140 kW (190 PS) bei 3800/min • max. Drehmoment: 400 Nm bei 1750/min • Vmax: 232 km/h • 0–100 km/h: 8,2 s • Antrieb: Vorderradantrieb/Siebengang-S-Tronic • Tankinhalt: 73 l • L/B/H: 4933/1874/1455 mm • Kofferraum: 530 l • Leergewicht: 1660 kg • EU-Mix: 4,2 l Diesel/100 km • Abgas: CO2 109 g/km • Preis 44.050 Euro.
Technische Daten Jaguar XF 20d • Motor: Vierzylinder, Turbo, vorn längs • Hubraum 1999 cm³ • Leistung: 132 kW (180 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment: 430 Nm bei 1750/min • Vmax: 229 km/h • 0–100 km/h: 8,1 s • Antrieb: Hinterradantrieb/Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 66 l • L/B/H: 4954/1880/1457 mm • Kofferraum: 540 l • Leergewicht: 1595 kg • EU-Mix: 4,3 l Diesel/100 km• Abgas: CO2 114 g/km • Preis 45.060 Euro.

Fazit

von

Georg Kacher
Der Jaguar stellt die erste Wahl für Bauchmenschen, die sich mit diesem schillernden Stück Nonkonformismus schon mal am frühen Samstagmorgen auf der Lieblings-Landstraße die Seele aus dem Leib fahren wollen. Wenige Limousinen sind so dynamisch. Mit dem Audi geht der Kunde auf Nummer sicher. Er ist kommod, wie aus einem Stück gefräst, ein Großmeister der Ausstattungs-Verführungen, frei von Risiken und Nebenwirkungen sowie fahrtechnisch ausgesprochen zutraulich. Edel, dieser Audi.

Von

Georg Kacher