Auch wenn es manch einer nicht wahrhaben will: Der Saugmotor hat seine besten Zeiten hinter sich, seine Tage sind gezählt. "Hubraum runter, Turbo drauf", heißt heute die Devise. Denn aufgeladene Triebwerke haben gezeigt: Im Prüflabor, wo Normverbrauch und CO2-Ausstoß ermittelt werden, haben sie die besseren Karten. Eine Handvoll Hersteller hält dem klassischen Konzept dennoch die Treue. Freunde von Sechszylinder-Limousinen alter Schule werden nach wie vor bei Audi fündig. Und auch Toyotas Edelmarke Lexus verzichtet im beinahe noch taufrischen GS auf den Turbo. Als Hybrid hat der Japaner der deutschen Konkurrenz kürzlich gezeigt, wer den Vorsprung durch Technik wirklich hat. Kann er mit Verbrennungsmotor ebenfalls aufs Siegertreppchen fahren?

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Lexus GS
Selbstbewusst: 50.750 Euro ruft Lexus für den GS 250 auf, bietet dafür aber auch eine üppige Ausstattung.
Preislich tritt der Japaner ja schon mal recht selbstbewusst auf. 50.750 Euro klingen happig, relativieren sich aber mit Blick auf die Ausstattung. Während der Audi 8200 Euro billiger daherkommt, dafür allerdings auch ziemlich nackt ist, prunkt der GS als "Executive Line" bereits ab Werk mit allem, was gut und bei den Ingolstädtern teuer ist. Ledersitze, Rückfahrkamera, Parkpiepser und Popo-Wärmer: Pickte man sich all das beim A6 aus dem daumendicken Extrakatalog heraus – der Preisunterschied wäre schneller geschmolzen als der Zuckerhut bei einer Feuerzangenbowle. Was bekommt der Käufer für sein Geld? In beiden Fällen Autos, denen ihr Premium-Anspruch deutlich anzumerken ist, dem A6 sogar noch etwas mehr. Der GS hat die Qualitäts-Messlatte zwar hoch angelegt, aber der Audi springt drüber – mit lupenreiner Verarbeitung und einem feineren Blick fürs Detail, der beim mit Federhilfe öffnenden Kofferraumdeckel beginnt und bei der besseren Sprachsteuerung noch lange nicht endet.

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Audi A6
Beim Komfort profitiert der A6 spürbar von der im Testwagen verbauten Luftfederung (1950 Euro).
Vorn zwingt der Lexus groß gewachsene Fahrer zu einer leicht froschartigen Haltung. Die Lehnen der Sitze sind selbst in ihrer steilsten Position zu stark geneigt. Dafür reisen seine Passagiere hinten bequemer, da die Rücksitze im A6 zu aufrecht stehen und den Körper seitlich schlechter stützen. Das Cockpit verrät die größere ergonomische Sorgfalt der Audi-Innenarchitekten. Zwar besticht das Bedienkonzept des Lexus durch genial einfache Handhabung. Das "Remote Touch"-Modul auf dem Mitteltunnel funktioniert ähnlich wie eine PC-Maus und hüpft mit einem Cursor treffsicher über die Bildschirm-Icons. Mit etwas Fingerspitzengefühl ist die Ablenkung sogar geringer als beim Audi, dessen hinter dem Wählhebel gruppierte Tasten den Piloten immer wieder zwingen, den Blick kurz von der Straße abzuwenden – etwa wenn er vom Radio- in den Navi-Modus wechseln will. Die Menüstrukturen wirken im Japaner aber weniger logisch. Zudem kultiviert der Lexus hartnäckig die für die Marke schon typische Untugend, Schalter und Knöpfe wirr im Cockpit zu verstreuen. So findet sich beispielsweise die Deaktivierungstaste für die Parkpiepser nach langem Suchen unter der Mittelarmlehne. Und den elektronischen "Handbremshebel" ertastet der Pilot im Tiefparterre knapp über seinem rechten Knie.
Schlüssel umdrehen (oder Knöpfchen drücken, denn im Lexus kann er in der Tasche bleiben) – und los! Die Designer behaupten: Beim Lexus zeichnet die Form des Kühlergrills die Silhouette eines "Diabolo" genannten Luftgewehrgeschosses nach. Allerdings sind die Fahrleistungen, zu denen sich sein Sechszylinder aufschwingt, weder teuflisch noch ballistisch. Statt sich ins Zeug zu legen, kuschelt der 2,5 Liter große Direkteinspritzer lieber mit der sanften, aber trägen Sechsstufenautomatik. Wer ihm auf den Pinsel tritt, weckt zwar die Lebensgeister. Dennoch wirkt der japanische V6, auch seiner trompetenden Akustik wegen, stets ein wenig angestrengt.

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Audi A6 Lexus GS
Motorisch überlegen: Der V6 des Audi macht einen wacheren Eindruck als das Lexus-Aggregat.
Der 2,8-Liter von Audi hinterlässt einen deutlich aufgeweckteren Eindruck. Auch wenn er bei den gemessenen Sprints die Nase nur knapp vorn hat – bei flottem Autobahntempo sieht der Lexus gegen ihn kein Land. Zudem wird er zu keinem Zeitpunkt vorlaut. Überraschend harmonisch klappt die Zusammenarbeit mit der stufenlosen Multitronic. Früher litt das Getriebe, bei dem eine über zwei gegeneinander verschiebbare Kegelradpaare ablaufende Laschenkette eine unendliche Zahl von Übersetzungen ermöglicht, unter dem Gefühl, mit rutschender Kupplung zu fahren. Den Effekt der beim Gasgeben hochschnellenden Drehzahl und der hinterherlaufenden Beschleunigung haben die Audi-Ingenieure inzwischen fast vollständig beseitigt. Selbst die Traktion ist für einen Fronttriebler beachtlich. Nur bei forschem Gasgeben oder auf glatter Straße ringen die Vorderräder um Haftung. Beim Verbrauch (Testwert 8,6 Liter pro 100 km) fährt der A6 einen erklecklichen Vorsprung heraus: 0,9 Liter weniger als der Lexus – das hilft der Umwelt, spart alle 100 Kilometer mehr als 1,30 Euro, schont das Punktekonto, und zeigt zudem: Ein modernes Auto kann auch ohne Turbo sparsam sein.
Lenkung und Fahrwerk merkt man an, dass die Lexus-Entwickler bei der deutschen Oberklasse Maß genommen haben. Das GS-Steuer steht dem des Audi in puncto Feingefühl und Feedback nicht nach. Lediglich beim Komfort profitiert der A6 spürbar von der im Testwagen verbauten Luftfederung (1950 Euro), die Fahrbahnschäden gekonnt ausblendet und unerwünschte Karosserieschwingungen auf ein Mindestmaß begrenzt. Lexus-Passagiere, die serienmäßig auf adaptiven Dämpfern reisen, haben indes nicht wirklich Grund zur Klage. Auch das GS-Fahrwerk verbindet kurvenfeste Straffheit mit bekömmlicher Abrollgüte, bügelt Unebenheiten aber dennoch etwas stumpfer glatt. Auf der Bremse ist der Japaner ebenfalls schwächer: Wer bei 100 km/h voll in die Eisen geht, steht im GS erst über einen Meter später.
Ohne Hybrid kann der GS seinen Triumph also nicht wiederholen. Nicht zuletzt deswegen, weil er auch im Kostenkapitel alt aussieht: Schnellerer Wertverfall, teure Versicherungsbeiträge und unzeitgemäß kurze Wartungsintervalle vermasseln ihm die Tour.
Ohne Hybridantrieb büßt der Lexus den Technikvorsprung ein. Seinen Triumph als Benzin-Elektro-Zwitter kann der GS als Verbrenner nicht wiederholen: Mit dem durchzugsschwachen und durstigen Sechszylinder fährt der Japaner seinem deutschen Kontrahenten hinterher. Auch die All-inclusive-Politik der Japaner bei Preis und Ausstattung bringt den A6 nicht ernsthaft in Gefahr. Dafür liegt der Lexus seinem Käufer bei Wertverlust, Wartung und Unterhalt zu stark auf der Tasche.