Designerteil gegen Sportskamerad: Der neue Volvo XC60 fordert den Audi Q5 heraus. Ist der Schwede nur schön, oder auch gut?
Wir Auto-Journalisten müssen ja immer so neutral sein wie Fußball-Schiris. Aber an dieser Stelle muss es einfach raus: Volvo: Wir knien nieder vor diesem Auto! Chef-Designer Thomas Ingenlath: Der XC60 ist Ihr persönliches Meisterstück, so schön wie dieser Schwede ist keiner in der Liga der Mittelklasse-SUVs. So, jetzt haben wir gesagt, was gesagt werden musste, und jetzt kann dieser Vergleich endlich losgehen. Volvo XC60 gegen Klassenprimus Audi Q5. Wir sind gespannt!
Das Längenwachstum kommt den Passagieren zugute
Video: Volvo XC60 Fahrbericht (2017)
Die Neuauflage des XC60
Wir knien nicht mehr vorm XC60, sondern sitzen hinten. Und staunen: Sowohl Bein- als auch Kopffreiheit sind immens. Im Audi kommen wir uns auch nicht eingeengt vor, aber der Fond im Volvo ist komfortabler, luftiger, hat größere Fensterflächen. Das neue Schweden-SUV ist um fünf Zentimeter auf 4,69 Meter gewachsen, man merkt es vor allem hinten. Aber nicht im Kofferraum! 505 bis 1432 Liter sind okay, aber der drei Zentimeter kürzere Audi bietet 550 bis 1550 Liter – und ist im Vergleich zu den Konkurrenten von BMW (X3) und Mercedes (GLC) nicht mal der Größte. Was beiden fehlt: Weder bei Volvo noch bei Audi gibt es eine Ablagemöglichkeit für das Laderaumrollo im doppelten Boden. Dafür wird der XC60 zum Showstar, wenn wir die Sitze umklappen. Knöpfchen im Kofferraum drücken, peng, Kopfstütze klappt vor, paff, die Sitzlehne zurück. Rasend schnell geht das, und im Gegensatz zum Q5 entsteht eine ebene Ladefläche. Großes Schweden-Kino!
Herausragend: Die Materialien im Innenraum des XC60 sind noch feiner als im Audi Q5.
Apropos Kino. Kommando-Zentrale ist im Volvo ein tabletartiger Touchscreen mit 22,9 Zentimeter Bildschirm-Diagonale. Für 1170 Euro Aufpreis kommt Navigation mit Echtzeit-Verkehrsinfos rein, für nochmal 450 Euro mehr das digitale Cockpit mit Kartenansicht zwischen den Rundinstrumenten. Der Preis ist fair, denn Audi will für Navi und "Virtual Cockpit" 3350 Euro. Und noch etwas macht der Volvo besser: Für die Oberflächen- Materialien klatschen wir Beifall, viel weicher Kunststoff, piekfein zusammengesetzt, mit viel Liebe zum Detail. Schweden-Flagge in der Sitznaht oder als Dehnungsfuge im Holzdekor – hey, Volvo, habt ihr klasse hinbekommen! Dass wir uns nicht falsch verstehen: Der Q5 ist durch und durch hochwertig. Aber er wäre noch hochwertiger, wenn er kein Hartplastik an der Unterseite der Armaturentafel hätte.
Gleich vorweg: Unser erster Fahrabgleich hat eine 45-PS-Lücke. Beim Q5 ist der 2.0 TDI mit 190 PS der Top- Diesel. Einen solchen Vierzylinder-Selbstzünder gibt's beim XC60 auch, wir konnten allerdings nur den mit 235 PS fahren. Und der hat – im Gegensatz zum Audi-Diesel – keine Abgasnachbehandlung per AdBlue. Dafür mit 480 Nm Drehmoment mehr Bums (Audi: 400 Nm). So marschiert der Volvo in 7,2 Sekunden auf Tempo 100, ist 0,7 Sekunden schneller als der Audi.
In Sachen Sport sollte man nicht zu viel vom XC60 erwarten
Auch wenn es einen Dynamik-Modus gibt, bleibt der XC60 stets ein kommoder Gleiter.
Bei der Endgeschwindigkeit fahren beide wieder Blech an Blech: 218 km/h im Audi zu 220 km/h im Volvo sind nicht wirklich der Rede wert. Eher die Fahrwerks-Unterschiede. Unser Test-Volvo ist mit dem adaptiven Luftfahrwerk für 2270 Euro Aufpreis ausgerüstet. Per Rollrad auf der Mittelkonsole lassen sich verschiedene Fahrmodi anwählen, grundsätzlich startet der Volvo im Komfort-Modus. Dann schaukelt er Fahrbahnunebenheiten nur so weg, wird zur Wellness-Reisesänfte. Im Dynamik-Modus wird die Karosserie um zwei Zentimeter abgesenkt, Lenkung, Federung und Getriebe sind sportlicher abgestimmt. Allerdings: Nur weil Dynamik draufsteht, muss noch lange kein Dampfhammer drinstecken, zu stark sind in schnellen Kurven die Wankbewegungen, zu gefühllos arbeitet die Lenkung. Der Volvo kann nur Komfort, da kann das Zwei-Tonnen-SUV nicht raus aus seiner Haut.
Auf kurvigen Straßen fährt der Audi dem Volvo davon
So geht Sport-SUV: Der Audi Q5 ist querdynamisch überlegen, und er kann auch komfortabel.
Der Audi ist 145 Kilo leichter. Und er wird auf der Landstraße zu Bruder Leichtfuß. Mit der Luftfederung für 1950 Euro Aufpreis filtert er grobe und feine Stöße sensibel raus, und er beherrscht den Spagat: Der kann nicht nur zart, der kann auch hart! Mit seiner Agilität fährt der Audi auf BMW-Niveau, lässt sich quirlig ums Eck zirkeln, hat eine direkte, aber niemals nervös ansprechende Lenkung. An dieser Stelle müssen wir Audi applaudieren. Bei der Fahrdynamik spielt der Q5 in einer anderen Liga. Sehen übrigens auch die Schweden so. Und sagen: Wer XC60 kauft, will Komfort. Und kriegt ihn, wir haben's erlebt. Ach ja, der Verbrauch nach unserer 300-Kilometer-Ausfahrt. Beim XC60 standen nach zügiger Tour 9,3 Liter Diesel auf dem Bordcomputer, Volvo sagt 5,5 Liter, in der Mitte dürfte die Wahrheit liegen. Der Q5-Computer zeigte 8,6 Liter an, beim Test auf der 155-km-Strecke rund um Hamburg hat der Audi 7,2 Liter genommen.
Mindestens 48.050 Euro für einen XC60 mit 190-Diesel-PS, der 235 PS starke D5 startet bei 52.600 Euro. Warum so teuer? Immer Automatik, immer Allrad. Audi bietet den Q5 auch als 150-PS-Diesel an, dank Handschaltung und Vorderradantrieb ab 39.500 Euro – und Volvo wird kontern, die kleineren Motoren zu günstigeren Einstiegspreisen nachschieben.
Alle Achtung, Volvo! Zum Start fordert der neue XC60 gleich mal den Spitzenreiter heraus, fährt in unserem Vergleich gegen den Audi Q5. Und der schöne Schwede schlägt sich gut! Wer auf Komfort steht, wem cooles Design über alles geht, wer sich abheben will aus der Menge der Mittelklasse-SUV, der nimmt den Volvo. Für uns ist der XC60 der Chef-Styler in dieser Liga, so cool wie er ist keiner. Aber er ist kein Sportler. Wer Komfort UND Dynamik will, muss den Audi nehmen. Der Q5 beherrscht den Spagat aus beidem – und er bleibt beim Fahren der Maßstab.