Der Kauf eines Bentley Bentayga scheint auf den ersten Blick unvernünftig. Denn fürs gleiche Geld, das hier schon für die "Basisversion" aufgerufen wird, könnte man sich auch zwei, drei Autos gehobener Klasse anschaffen. Warum also an die 200.000 Euro – oder mit Extras über 300.000 – für ein einziges Gefährt aus der Hand geben? Ganz einfach, antwortet der spitzfindige Besserverdiener: weil dieses eine Auto mehr kann als zwei, drei andere zusammen. Die Frage, ob man all das braucht, was es kann, noch dazu gleichzeitig, stellt man in dieser Einkommensklasse nicht.

Der dicke Diesel bedeutet auch ohne Anhänger kaum Verzicht

Bentley Bentayga
Ein Bentayga Diesel ist zwar langsamer als der W12, 270 km/h Spitze reichen aber immer noch locker.
Es gibt aber auch begüterte Menschen, die sich zwar schon etwas gönnen, aber dabei nicht gleich über die Stränge schlagen wollen. Sei es, weil ihnen unnütze Verschwendung von Geburt an zuwider ist; sei es, weil sie sich trotz Wohlstandes eine Art Umweltgewissen bewahrt haben – das aufbegehrt, wenn man bei flotter Fahrt mit dem Zwöfzylinder-Benziner 20 und mehr Liter auf hundert Kilometer durch die Endrohre bläst. Die kaufen den Bentayga Diesel – und sparen damit nebenher den Gegenwert eines VW T-Roc. Unter der Haube grummelt dabei, dezent und gedämpft, ein Audi-Motor: der gleiche, wie er auch in der Topversion des Q7 zu finden ist. Aus vier Liter Hubraum schöpft der V8-Diesel die gleichen 900 Nm Drehmoment wie der Zwölfzylinder-Benziner-Bentayga aus sechs Litern; allerdings kommen wegen der niedrigeren Drehzahl "nur" 435 statt 608 PS heraus. Leistungsmangel verspürt man dennoch nicht. Dass man sich mit 270 km/h statt 301 km/h Spitzengeschwindigkeit bescheiden und für den Sprint von 0 auf 100 km/h 1,2 Sekunden mehr Lebenszeit einplanen muss, wird nur in seltenen Fällen wirklich quälen.

Mit beeindruckender Lässigkeit zieht der Bentayga alles weg

Bentley Bentayga
Total mühelos: Die einschließlich Fahrer und Ballast knapp 4,9 Tonnen sind für den Bentayga kein Problem.
Und mit Anhänger geht ja ohnehin alles langsamer. Gravierend sind die Unterschiede aber nicht – auch der Diesel zieht die zwei Tonnen erheblich schneller vom Fleck als alle anderen getesteten Zugfahrzeuge – mit Ausnahme des Bentley W12; und er beschleunigt behängt immer noch flotter als die meisten Diesel-SUVs solo. Besonders beeindruckt die Art und Weise, wie er das macht. Die Zugkraft baut sich dank der drei Lader nahezu verzögerungsfrei auf, der Maximalwert ist bis auf 1000 Touren herunter verfügbar. Insofern geht der Diesel mit einzigartiger Lässigkeit mit der Anhängelast um: Gaspedalbewegungen werden unverzüglich in Geschwindigkeitsänderung umgesetzt, ohne dass die Automatik den Motor deshalb zu erhöhten Drehzahlen zwingen müsste; das fühlt sich sogar noch unaufgeregter und müheloser an als im W12-Benziner, wo die Automatik häufiger den kleineren Gang reicht. Und über Dinge wie das Anfahren an steilen Steigungen mag man kaum reden, so selbstverständlich und unspektakulär klappt das.

Auf den Rangierassistenten kann man locker verzichten

Bentley Bentayga
Fahrt in die Hecke: Der Rangierassistent funktioniert nicht immer zuverlässig – ein geübter Fahrer ist besser.
Groß sind die Unterschiede hingegen im Verbrauch: Da liegt der Diesel über sechs Liter günstiger als der Benziner unter exakt gleichen Bedingungen. Angesichts der Tatsache, dass hier einschließlich Fahrer und Ballast knapp 4,9 Tonnen nicht nur zügig, sondern auch extrem komfortabel bewegt werden, können die 13,42 l/100 km nur als günstig bezeichnet werden; der Bentley gibt sich da bescheidener als volkstümliche Mobile wie etwa der aktuelle Toyota Hilux oder der Audi Q3 TDI. Hat der teure Brite wirklich gar keine Schwächen als Zugpferd? Doch, wir hätten schon noch ein paar Ideen für die nächste Modellpflege. Etwa eine Heckkamera, die nicht den Stoßfänger, sondern die Anhängerkupplung im Blick hat; oder – zumindest wahlweise – eine normale Anhängerkupplung statt der mit dem unseligen Sensorring für den nicht wirklich zuverlässig funktionierenden und nur im Ausnahmefall nützlichen Rangierassistenten: Der verunmöglicht die Verwendung von Anhängern mit Stabilisierungskupplung. Die wäre am Bentley allerdings, zugegeben, ohnehin überflüssig wie ein Kropf, so sicher und ruhig zieht das Gespann seine Bahn.

Fazit

von

Thomas Rönnberg
Geld müsste man haben, richtig Geld! – Hat man es und will einfach das beste Zugfahrzeug des Marktes, drängt sich der Bentayga Diesel geradezu auf. Ohne teils lästige Schwächen im Detail ist aber auch er nicht.

Von

Thomas Rönnberg