Eines muss man BMW lassen: Mut haben sie. Nicht etwa, weil sie bei der Überarbeitung des 3ers total verrückt was ganz anders gemacht hätten als bisher. Ganz im Gegenteil, die Veränderungen werden nur Fans auf Anhieb finden. Neue Scheinwerfer und Rückleuchten, ein paar neue Chromrahmen hier und da – mehr hielten sie nicht für nötig, um das wichtigste Modell von BMW fit für die nächsten Jahre zu machen. Wie gesagt: mutig, BMW! Ob dieser Feinschliff ausreicht, um gegen die noch ganz taufrische Mercedes C-Klasse bestehen zu können?

Im Innenraum ist die C-Klasse ein typischer Mercedes

Mercedes C-Klasse
Der geht als kleiner Bruder der S-Klasse durch: Am Arbeitsplatz zeigt sich die C-Klasse hochwertig.
Beginnen wir mit den inneren Werten. Wie schon beim Außendesign hat sich auch im Innenraum des 3ers nicht viel verändert. Bessere Materialien und ein paar Feinheiten – das war es. Schade eigentlich, denn so richtig will das Ambiente nicht zu den hohen Preisen passen. Oder anders ausgedrückt: Während die C-Klasse bei der Cockpitgestaltung als der kleine Bruder der noblen S-Klasse durchgeht, sieht der 3er eben aus wie der große Bruder des 1ers. Immerhin haben die Bayern die Bedienung des Multimediasystems besser im Griff, das iDrive des BMW ist dem Dreh-Drück-Steller des Mercedes weit überlegen, auch ist die Menüstruktur einfacher. Und im Fond ist das Platzangebot des BMW eine halbe Klasse besser als beim Schwaben, der vor allem im Fond ein wenig kneift und mit der kleinen Heckklappenöffnung sperrigem Gepäck nicht so aufgeschlossen ist wie der 3er. Fairnesshalber sei aber erwähnt, dass auch der BMW sicher nicht zu den geräumigen Vertretern seiner Klasse gehört.
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In Sachen Dynamik bleibt der BMW 3er der Klassen-Maßstab

BMW 3er
Das Fahrwerk haben die BMW-Ingenieure komplett neu abgestimmt – der 3er ist jetzt noch dynamischer.
Anders als VW Passat und andere Konkurrenten werden 3er und C-Klasse eh nicht wegen ihrer praktischen Talente gekauft. Vielmehr erwarten die Käufer Charaktertypen, die eine Spur besser fahren als ihre Mitbewerber und so ihre hohen Preise rechtfertigen. Tatsächlich werden weder BMW- noch Mercedes-Kunden enttäuscht sein. Und hier zeigt sich, dass BMW den 3er doch gravierender überarbeitet hat, als es optisch den Anschein hat. Das Fahrwerk haben die Ingenieure komplett neu abgestimmt, es ist jetzt spürbar dynamischer – ganz in der Tradition von BMW. Die direkte Lenkung scheint die Richtungswünsche des Fahrers schon zu ahnen, bevor er sie selber kennt, in Kurven ist der 3er eine Klasse für sich. Dezent übersteuernd nimmt er neutral und ohne nennenswerte Seitenneigung auch schnelle Kurven. Selbst mit dem Zweiliter-Diesel ist der 3er eine Spaßgranate. Wenn Sie sich jetzt fragen, warum der Mercedes trotzdem das Fahrdynamik-Kapitel gewinnt: Es liegt an den schlechten Bremswerten des 320d.
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Aus 100 km/h steht er mit warmer Bremse erst 1,40 Meter nach der C-Klasse –was im Alltag den Unterschied zwischen einem gehörigen Schrecken und einem richtigen Bums macht. Dazu kommt, dass die dynamische Abstimmung des 320d auch eine Kehrseite hat – er federt deutlich schlechter als das alte Modell. Vor allem kurze Unebenheiten poltern unfein in den Innenraum. Nicht dramatisch, aber eine Verschlechterung.

Beim Testwagenpreis kratzen beide an der Oberklasse

BMW 3er Mercedes C-Klasse
Gut ausgestattet werden sie teuer: Mercedes C 250 d und BMW 320d reißen die 50.000-Euro-Marke.
Aus ganz anderem Holz ist die C-Klasse geschnitzt – zumindest wenn sie wie der Testwagen mit der 1416 Euro teuren Luftfederung ausgestattet ist. Im Komfortmodus wogt der Benz über jede noch so grobe Unebenheit und benimmt sich wirklich wie eine kleine S-Klasse. Anders als in der Vergangenheit ist der Mercedes aber alles andere als unpräzise oder gar schaukelig. Ganz im Gegenteil, in Kurven ist er ähnlich dynamisch wie der 3er, schiebt etwas mehr über die Vorderräder. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Antrieb. Der 320d wirkt trotz 14 PS Minderleistung wacher, hängt dynamischer am Gas und bildet zusammen mit der echt gelungenen Achtstufenautomatik ein Traumduo. Zum Glück hat BMW dem 3er die neue Generation Motoren gegönnt, Laufruhe und Geräuschniveau jedenfalls sind endlich auf der Höhe der Zeit. Und auch Mercedes scheint sich die Kritik an Motor und Automatik zu Herzen genommen zu haben. Vom gurgeligen Taxi-Laufgeräusch des Vierzylinders ist jedenfalls wenig zu spüren, und auch die oft gescholtene Siebenstufenautomatik schaltet nun so ruckfrei, wie wir es uns immer gewünscht haben. Unterm Strich könnten sich diese beiden Limousinen kaum deutlicher unterschieden.
Auf gleich hohem Niveau zwei ganz unterschiedliche Charaktere, ruhen aber beide in sich – Geschmackssache. Trotzdem kann der Benz ein paar Punkte mehr in der Eigenschaftswertung sammeln. Punkte, die er gleich im Kostenkapitel wieder verliert. Mit allen bewertungsrelevanten Extras schraubt sich der Preis für den C 250 d von 44.179 Euro Grundpreis auf oberklassemäßige 53.213 Euro, der BMW 320d legt von 37.250 Euro auf 50.950 Euro zu – E-Klasse oder 5er sind kaum teurer. Und jetzt kommen wir zu einem echten Novum bei AUTO BILD: Es gibt zwei Sieger! Beide fahren gleichzeitig über die Ziellinie. Und sind somit das Beste, was es zurzeit in der Mittelklasse gibt. Zumindest bis im November 2015 der neue Audi A4 startet. Jede Wette: Das wird ein neues Herzschlag-Finale!

Fazit

von

Stefan Voswinkel
BMW und Mercedes besinnen sich in der Mittelklasse auf ihre Wurzeln: auf der einen Seite der betont dynamische BMW, auf der anderen Seite der in sich ruhende, komfortable Mercedes. Ein Duell auf höchstem Niveau mit zwei Gewinnern. Am Ende ist es eine Frage des Geschmacks, welche dieser Diesel-Limousinen man kauft, ähm: least.

Von

Stefan Voswinkel