BMW 745i gegen Mercedes S 500
—Das Duell
Das Duell der Rivalen
Oder sind die neuen Siebener-Kunden nun 35-jährige Jungmanager, die Handy- und Laptop-Generation? Das wäre neu. Bislang sitzt in BMWs Größtem der Senior-Chef. Und der hat garantiert nicht die Zeit, sich mit 292 (!) Seiten Bedienungsanleitung zu befassen. Voluminöser ist nur noch die Form: der Siebener, das Dickschiff von BMW. Ein Koloss à la W 140. So hieß der Vorgänger der aktuellen S-Klasse, die Sonderklasse aus Sindelfingen, die anfangs nicht mal auf den Autozug nach Sylt passte.
Heute ist es genau andersrum: Mercedes baut die schlanke Luxusklasse, es gab Applaus von allen Seiten. Gewöhnungsfaktor? Null. So muss ein deutsches Vorstandsauto aussehen. Und wie es aussieht, so muss es auch fahren: souverän und in höchstem Maße komfortabel.
Jede Menge Hightech an Bord
So etwas hat Mercedes nicht. Den kleinen "P"-Knopf links am Armaturenbrett auch nicht: Handbremse, Jahrgang 2001. Endlich ist Schluss mit Uralt-Hebel oder Trittpedal. Wurde auch wirklich Zeit. Ingenieurkunst im Kleinen. Die selbst vor dem Scheibenwischer nicht Halt gemacht hat. Damit der Gummi länger lebt, wird er automatisch alle drei bis vier Tage gerade so weit bewegt, bis er sich umlegt. Und um das kaum wahrnehmbare Geräusch zu eliminieren, das entsteht, wenn der zweite Wischerarm per Gelenk zurückschwingen würde, übernimmt dies ein Mini-Elektromotor.
Einer von Dutzenden; denn im Siebener wimmelt es nur so von Elektroantrieben. Selbst die hinteren Kopfstützen fahren automatisch hoch, sobald jemand im Fond Platz genommen hat (man sitzt übrigens fürstlich). Das alles kostet Gewicht. Unser Testwagen kommt fahrfertig auf fast 2,1 Tonnen, trotz Haube und Fahrwerk aus Aluminium. Ganz schön fett, andererseits aber auch mager: Klägliche 380 Kilo Zuladung bleiben übrig. Zu wenig für vier Personen mit Gepäck. (Unter diesem Manko litt die vorige S-Klasse W 140 anfänglich auch.) Hier muss BMW nachbessern.
Schöne neue Cockpit-Welt
Der komplett neu konstruierte Achtzylinder läuft so, wie man es von BMW erwartet: seidenweich, fast nicht hörbar. Ein Genuss. Gratulation an die Entwickler. Einen Rüffel dagegen für die Designer. Warum so ein fummeliger Ganghebel hinterm Lenkrad? Die vielen Pfeile verwirren: Wo ist denn nun P oder D oder N? Da lob ich mir die perfekte Schaltkulisse der S-Klasse.
Alles vergessen, sobald der BMW beschleunigt. Geschmeidig, leichtfüßig und unglaublich leise tragen 333 PS die zwei Tonnen über den Asphalt. Dabei leistet die neue Sechsgangautomatik von ZF perfekte Schaltarbeit. Nicht ganz so souverän der Mercedes. Vor allem sein rauer Motorsound beim Beschleunigen stört die Ruhe des Cheffahrers. Und, ganz erstaunlich: Bei Tempo 100 ist die S-Klasse deutlich lauter als der Siebener! Dabei hatten wir vor drei Jahren noch geglaubt: Leiser als dieser neue W 220 kann doch wohl kein Auto sein.
Fahrdynamik vom Feinsten
Spurwechselmanöver klappen zwar beim Mercedes im Resultat genauso gut, doch auf dem Weg dorthin vermittelt die stärkere Karosserieneigung (Wanken) subjektiv mehr Unruhe. Doch dafür zeigt sich der Schwabe unter normalen Fahrbedingungen stets von seiner komfortabelsten Seite. Selbst kurze Stöße hält sein Fahrwerk von den Insassen fern. Mit ihm zu reisen heißt schweben. Der Siebener (der Testwagen war mit 19-Zoll-Rädern bestückt) hat hier minimal das Nachsehen, rollt etwas härter ab. Doch ist "Selbstfahrer-Sportlichkeit" auch Philosophie des Hauses. Was sich zwar weiterhin im Sitzkomfort bestätigt, nicht jedoch im Cockpit.
Erstmals weicht BMW wieder vom fahrerorientierten Armaturenbrett ab. Schuld ist das riesige Display, zentrales Anzeigefeld für Telefon, Navigation, Musik, Internet und motorisches Wohlbefinden. Zu bedienen über den bereits erwähnten Controller, groß wie eine umgedrehte Kaffeetasse. Über 700 Funktionen sollen über Dreh-, Schieb- und Drückkontakte gesteuert werden (wir verzichteten, alle zu finden), 270 davon sind auch per Spracheingabe möglich.
Vertrautheitspunkte für die S-Klasse
Warum uns Mercedes allerdings weiterhin diese hässliche Plastikverschalung an den Vordersitzen zumutet, kann ich nicht nachvollziehen. Etwas wohler fühle ich mich dennoch in der S-Klasse, was aber an der Vertrautheit liegen mag. Und an der entspannteren Haltung hinter dem Lenkrad. Im BMW ist die Türlehne zu niedrig. Greift man das Steuer "auf neun Uhr", fällt der Ellbogen zu weit nach unten. Die Fensterkante bietet keinen Ersatz, sie ist zu hoch, zu schmal und zu schräg.
Insgesamt aber liefert BMWs neue Luxuslimousine eine eindrucksvolle Vorstellung, beweist einmal mehr, dass es technisch und fahrdynamisch immer noch etwas besser geht. Der Fortschritt ist eben nicht aufzuhalten. In welcher Form auch immer. Wir werden uns daran gewöhnen (müssen).