Es gibt derzeit nur zwei Arten von Auto, die in der Gunst deutscher Käufer weiter steigen: erstens Kompakte und zweitens SUVs. Was muss dann erst bei den kompakten SUVs abgehen? Richtig, die Post. Eine Neuheit, die auf dieser Welle ganz oben mitschwimmt, steht ab 15. März 2014 bei den Mercedes-Händlern: der neue GLA, der mit seinem flachen Dach und modischem Coupé-Heck die Grenzen zwischen Kompaktklasse und SUV neu auslotet. So wie vor Jahren der BMW X1, den Mercedes als wichtigste Konkurrenz betrachtet und der deshalb bei der ersten Ausfahrt mit dem GLA zum Vergleich mitkommt.

Der Mercedes GLA will nicht hauptsächlich praktisch sein

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Video: GLA vs X1 im Vergleich

Wie viel SUV steckt im GLA?

Bild: AUTO BILD
Auch der BMW galt zu Beginn seiner steilen Karriere als Grenzgänger, weil er seine Insassen eine halbe Stufe tiefer platziert und kürzer ist als der große Bruder X3. Dieses klassische Vollwert-SUV hat er bei den Zulassungen längst abgehängt, der Erfolg gab dem Konzept recht. Doch die Mode entwickelt sich rasant. Mittlerweile wirkt der X1 kantig, aufrecht mit seinen hohen Fenstern und dem kastigen Heck. Der Trend geht zu sanfteren Formen wie am GLA, der sein Dach fünf Zentimeter tiefer duckt, hinten die Blechschultern einzieht und mit dem schrägen Heckfenster auf den letzten Liter Nutzraum pfeift. Man steigt spürbar tiefer ein als in den BMW, bequem ist er trotzdem. Anders gesagt: Den wichtigsten SUV-Vorzug, die besondere Sitzposition, senkt Mercedes auf ein neues, niedrigeres Niveau. Fast wie in einem aufgebockten Kompakten. Das passt, denn im GLA umfangen das hohe Cockpit und breite Dachsäulen die Insassen eher wie eine heimelige Höhle statt als luftiger Wintergarten wie vorn im BMW.

Im BMW schiebt der Zweiliter etwas stärker an

BMW X1
Geht gut: Die 245 PS des Turbo-Vierzylinders bringen den X1 in schlanken 6,4 Sekunden auf Tempo 100.
Hinten ist es mit der Luftigkeit vorbei, in den engen Fußraum müssen Erwachsene sich einfädeln. Der BMW-Fond hat zumindest nach oben mehr Luft, der Kofferraum schluckt bei umgelegten Sitzen eine Tasche mehr (1350 Liter). Wer im Mercedes nur einmal nach schräg hinten durchs schmale Rückfenster schaut, kreuzt in Gedanken sofort den Parkassistenten für 803 Euro an. Klare Sache: Der GLA ist kein Fall für Nörgler und Großfamilien-Opas. Dessen Einrichtung kennt man inzwischen von A-Klasse und CLA. Ordentliche Qualität, große Luftdüsen gelten mehr als große Klimatasten, der schlaue Wählhebel hinterm Lenkrad schafft Platz auf der Mittelkonsole. Mehr als 70 Prozent aller Teile stammen aus der Kompaktfamilie, damit erbt der GLA auch die sperrigen Sitze mit den integrierten Kopfstützen und den Tacho bis 260 – aber den kann der gefahrene GLA 250 4Matic mit dem 211 PS starken Benziner auch gebrauchen. Der Zweiliter-Turbo, ein Motor aus der GTI-Liga, gibt im SÜVchen den braven, familientauglichen Anschieber, ohne jeden Sound oder auffälligen Bums, sodass seine Fahrleistungen dann doch verblüffen: 7,1 Sekunden bis Tempo 100, dazu 230 km/h Spitze.
Der Bordcomputer meldete beim ersten Test knapp zehn Liter Verbrauchsschnitt, was diesen GLA wohl eher für die USA empfiehlt, wo der Verkauf im Juni startet. Bei uns sind andere Bestseller zu erwarten: der GLA 200 CDI mit 136 Diesel-PS und der kleine Benziner (GLA 200) mit 156 PS.  Kundenwünsche, die BMW auch vom X1 kennt. Starke Benziner sind eher die Ausnahme, ihre Leistung passt nicht exakt zum GLA. Im xDrive28i schieben die 245 PS noch einen Tick flotter an, sie schlucken gut einen Liter mehr, auch weil der BMW immerhin 165 Kilogramm mehr wiegt und die größere Frontfläche durch den Wind drückt.

Bei schärferer Fahrweise wird der GLA unsportlich

Mercedes GLA
Mehr Dynamik: Sport-Direktlenkung und Tieferlegung bietet Mercedes als aufpreispflichtige Extras an.
Nach vier Jahren Produktion gefällt der kleinste X durch seine ausgewogene Reife. Dem prinzipiell straffen Fahrwerk schenken die 17-Zoll-Winterreifen akzeptablen Komfort, die Achtstufenautomatik schaltet unauffälliger, die gleichmäßige Gewichtsbalance garantiert schönen Grip. Ein typisch fahraktives BMW-Gefühl, das die hohe Sitzposition beinahe vergessen lässt und den X1 gefühlt in Richtung Asphalt rückt. Dort unten hockt der GLA schon. Quasi von Geburt, durch den flacheren Aufbau. Auch das Fahrgefühl erinnert an einen Kompakten: das Dach ins Sichtfeld gezogen, die Federung eher straff, aber nicht mehr gnadenlos wie in der A-Klasse. Serienmäßig an Bord sind das Komfortfahrwerk und die sanftere Parameterlenkung, beide zusammen selbst mit flachen 19-Zoll-Rädern noch ein stimmiges Paar für entspannten Genuss. Nachteil der neuen Auslegung: Bei schärferer Fahrweise wird der GLA unsportlich, rollt stärker und schiebt an der Haftgrenze stärker über die Vorderräder als der X1. Wer dem Mercedes die Sporen geben will, kann schrittweise dazubestellen: Sport-Direktlenkung, Tieferlegung oder alles im Fahrdynamikpaket. Womit wir bei Paketen und Extras wären. So klein der Mercedes, so hoch seine Preise. Die 29.304 Euro als Basis sind pure Augenwischerei, schließlich fährt niemand mit 17-Zoll-Stahlrädern vom Hof. Mit dem Style-Paket für 1131 Euro (Aluräder, Dachreling und die empfehlenswerten Komfortsitze) geht es los.
"Individualisierung" heißt nämlich, dass den Kunden in der Preisliste ein verwirrender Ritt erwartet, zwischen Wunsch und Budget, zwischen Leasingrate und neuen Verlockungen wie der elektrisch schließenden Heckklappe für 464 Euro. Die gibt's bei BMW (noch) nicht. Dass Extras wie Metalliclack, Sitzheizung oder Parkpieper im Mercedes gern mehr kosten, hat die Käufer der kompakten Sterne bislang wenig abgeschreckt. Eine spezielle Option wird sich die Mehrheit voraussichtlich sparen – den Allradantrieb 4Matic für gut 2200 Euro. Noch ein sicheres Zeichen dafür, wo der GLA im Niemandsland zwischen Kompakten und SUVs steht.

Fazit

von

Joachim Staat
GLA und X1 haben weniger gemein, als es scheint. Optisch und technisch nahe am Kompakten, macht der Mercedes ein neues Fass auf. Er schwimmt mit Stil auf der SUV-Welle – und wird sicher ein Erfolg.

Von

Joachim Staat