(dpa/cj/brü) Der Ex-Automanager Carlos Ghosn hat sich öffentlich für die spektakuläre Flucht aus Japan in den Libanon gerechtfertigt. Aus seiner Sicht sei ein politisch gesteuertes und korruptes Verfahren gegen ihn gelaufen, daher sei ihm keine andere Wahl geblieben. Das sagte Ghosn am 8. Januar vor Journalisten in der libanesischen Hauptstadt Beirut. "Das war die schwerste Entscheidung meines Lebens." In keinem anderen demokratischen Land der Welt käme man wegen derartiger Vorwürfe ins Gefängnis. Zugleich beklagte der Ex-Chef von Renault-Nissan unmenschliche Haftbedingungen, unter anderem mit langer Einzelhaft mit wenig Kontakt zur Familie. Bei einem Verfahren in Japan hätte dem 65-Jährigen eine mehrjährige Haft gedroht.  Ghosn machte keine weiteren Angaben dazu, wie er von Japan über Istanbul nach Beirut gekommen ist.

Flucht in einem schwarzen Musikkoffer

Stattdessen berichteten Medien über die spektakuläre Flucht. Ghosn soll in einer als Musikkoffer deklarierten Kiste versteckt mit einem Privatjet in den Libanon geflohen sein. Zu der Flucht hätten ihm zwei hierzu eingereiste Amerikaner geholfen, berichteten japanische Medien unter Berufung auf Ermittler. Bei der Flucht hätten zwei Amerikaner geholfen. Einem Bericht des "Wall Steet Journal" (paid) zufolge steckte der 1,67 m große Ghosn bei der filmreifen Flucht in einer Löchern versehene Kiste, die im japanischen Osaka in einen Privatjet geladen wurde. Der US-Zeitung zufolge sollen selbst Beteiligte an der Flucht über die Identität des Fliehenden im Unklaren gelassen worden sein, um den Erfolg der Aktion nicht zu gefährden. Der Flug führte über Istanbul dann mit einem kleineren Flugzeug in den Libanon, wo Ghosn in Beirut ein Luxusanwesen hat. Ghosn besitzt die französische, brasilianische und libanesische Staatsbürgerschaft. Japan nannte die Ausreise illegal.  Laut der japanischen Justizministerin Masako Mori wird die Staatskasse die von Ghosn zur Abwehr einer Flucht entrichtete Kaution einstreichen. Der Manager hatte 1,5 Mrd. Yen, umgerechnet 12,4 Millionen Euro, entrichtet.  

Türkische Sicherheitskräfte untersuchen Kiste

Die irre Flucht des Ex-Renault-Chefs
Ex-Autoboss auf der Flucht: Carlos Ghosn droht in Japan eine mehrjährige Haftstrafe.
Die Instrumentenkiste soll zu groß für den Scanner am Flughafen von Osaka gewesen sein. Auch muss Fluggepäck für Privatjets nicht zwingend durchleuchtet werden, was sicher zum Erfolg der Flucht beigetragen hat. Derzeit untersuchen türkische Sicherheitskräfte in Istanbul die aufgefundene Box. Inzwischen wird mit einem internationalen Haftbefehl nach Ghosn gefahndet. Eine Auslieferung muss Ghosn nicht fürchten, der Libanon hat kein Auslieferungsabkommen mit Japan, Bei der Flucht soll der 65-Jährige einen von zwei französischen Pässen eingesetzt haben, von denen er in Japan nur einen abgegeben habe. Aus libanesischen Justizkreisen hieß es, Ghosn sei mit einem gültigen neuen französischen Pass eingereist.

"Vorwürfe ohne Grundlage"

Bei seinem ersten Auftritt seit der Flucht aus Japan Ende Dezember wies Ghosn am 8. Januar alle Beschuldigungen erneut zurück. "Die Vorwürfe gegen mich entbehren jeder Grundlage." Er sprach von einer Verschwörung, mit der verhindert werden sollte, den Autokonzern Nissan enger mit Renault zu verzahnen. Am 19. November 2018 war Ghosn in Tokio wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Laut Staatsanwaltschaft soll er auch private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Im April 2019 folgte dann die Freilassung auf Kaution aus der Untersuchungshaft – allerdings unter strengen Auflagen, um zu verhindern, dass er flieht oder Beweismaterial vertuscht. Dabei war ihm auch verboten worden, das Land zu verlassen.