Carsharing: Car2Go – Erfahrungsbericht
Das 20-Minuten-Auto

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Sie werden benutzt, bezahlt, besudelt und am Ende einfach stehen gelassen. Bis der Nächste kommt. AUTO BILD-Redakteur Jörg Maltzan hat sich angesehen, was ein Smart von Car2Go an einem normalen Arbeitstag erlebt.
Was für ein Schicksal: Sie sind für jeden da. Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 im Jahr. Ein gültiger Führerschein reicht, schon kann der Auto-Quickie losgehen – aufmachen, abfahren, abstellen. Der Nächste bitte. In immer mehr Städten werden die blauweiß lackierten Smart zum Trendgefährt. Denn Car2Go gilt als cool, fortschrittlich und clever. Aber so ein Carsharing-Smart hat es nicht leicht. Im Gegenteil. Die wendigen Zweisitzer sind Schwerstarbeiter und erleben in zehn Stunden mehr als andere Autos in einem ganzen Jahr. Jeder Tag ist dabei anders, unkalkulierbar, voller Überraschungen. Wer steigt ein? Wohin geht die Fahrt? Wie lange steht er am neuen Standort? AUTO BILD hat das Car2Go mit der Nummer HH–GO 8319 von neun bis 19 Uhr begleitet und Protokoll geführt. Ein Tag mit interessanten Touren und noch interessanteren Typen.
9.00 Uhr, Hamburg Barmbek: Der Smart parkt in einer Seitenstraße. Um 22.34 Uhr hat ihn sein letzter Ausleiher am Vorabend hier abgestellt. Es ist ruhig, Kundschaft nicht in Sicht. Bleibt er heute etwa unberührt? Von wegen! Um 9.10 Uhr nähert sich Panos Meyer schnellen Schrittes, einen Gepäcktrolley im Schlepp. Schon im Gehen zückt er seine Kundenkarte und steuert auf 8319 zu. Per Smartphone hatte Panos ihn geortet und reserviert. "Ich besitze einen eigenen Smart, aber Car2Go ist für mich heute praktischer", sagt der 40-jährige Unternehmer. Denn er will zum Bahnhof, von dort mit der Bahn nach Berlin, dann weiter zu einem Termin in Amsterdam. "Zurück nach Hamburg nehme ich den Flieger und greife mir am Airport wieder ein Car2Go." Sein Geld verdient Panos mit einer App namens "Flying". Die sei bei Vielfliegern beliebt. "Gilt bei denen als Statussymbol für Unternehmensberater", lacht er und steigt in den ICE. Panos ist ein moderner Nomade und typischer Carsharer. Oft sind es Besserverdiener mit großer Affinität zum Internet. Mobilität findet für sie nicht nur mit dem eigenen Auto statt, sondern auf allen verfügbaren Kanälen.
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Diese Erkenntnis bestätigt auch Matthias Odendahl (54). Er ist heute der zweite Kunde, der die Dienste von 8319 nutzt. Kaum von Panos abgestellt, sitzt der selbstständige Finanzberater um 9.50 Uhr hinterm Lenkrad und gibt kräftig Gas. Flotte Fahrweise ist eine oft zu beobachtende Car2Go-Eigenart. Schließlich wird im Minutentakt abgerechnet. Zeit ist Geld: Wer schneller fährt, zahlt weniger. Bei Odendahl ist es aber eher der Wunsch nach Effizienz. Zügig will er ins Büro, um ein paar Geschäfte zu erledigen, und dann schnell wieder zurück zum Haus im Grünen. Stolz zeigt er seine Bahncard 100. Damit kann er das ganze Jahr kostenlos alle Züge benutzen – bundesweit und jederzeit. Trotzdem hat er zu Hause vier Autos: "Einen VW Bus für die Familie, zwei VW Up für die Kinder und einen Mercedes-Youngtimer für mich", sagt Odendahl. Die Kombination Autofan und Carsharing-Nutzer muss also kein Widerspruch sein.
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Zur weltweiten Car2Go-Flotte gehören inzwischen auch mehr als 1000 Smart fortwo mit Elektroantrieb.
Auch das ist typisch für Carsharer. "Ich brauche kein eigenes Auto mehr", sagt Lindeman. Bevor es hinter die Kamera geht, fährt er bei seiner Altbauwohnung vorbei. Er hatte Unterlagen vergessen. Für die kurze Standdauer beendet er die Miete nicht, sondern schaltet den Smart in Parkmodus. Dadurch sinkt der Minutenpreis von 29 auf 19 Cent. Um 14.36 Uhr trifft er vorm Studio in einem Gewerbegebiet ein und stellt den fortwo hinter einen Car2Go-Artgenossen. Das war's. Schichtende! Die Gegend ist ein totes Pflaster. Bis 19 Uhr steigt keiner mehr ein. Dienstschluss! Zumindest für uns. Für GO 8319 aber geht es weiter und weiter und weiter ...
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