Fata Morgana über der endlosen Weite

Mormonen trinken nicht, sind gläubig und gehen früh zu Bett. Von wegen! Salt Lake City ist die Hauptstadt der Mormonen und wir versuchen, mehr über diese Religion zu erfahren. "Ich bin Mormonin", sagt Esther von der Hotelrezeption und muß über unsere Fragen schmunzeln. "Na ja", sagt sie, "einige Mormonen leben nach den Regeln, andere nicht." Also wie in jeder anderen Religion auch. Salt Lake City liegt am Fuße eines imposanten Gebirgszuges und – wie der Name schon sagt – an einem riesigen Salzsee.

Die Dimensionen sind schwer einzuschätzen, da der Horizont sich im Westen im Hitzeflimmern verliert. "Da! Sind das nicht Kühe?", fragt Holger, "oder Eisenbahnwaggons?" Irgendwas spiegelt sich in der endlosen Weite. Was es ist, bleibt unklar. Eine Fata Morgana. Die I 80 verläuft am Südufer des "Great Salt Lake", der rund 1500 Meter über dem Meer liegt. Westlich davon erstreckt sich die große Salzwüste, auf der der berühmte Bonneville Speedway angesiedelt ist. Natürlich lassen wir uns diesen Leckerbissen nicht entgehen.

Die Zufahrt ist weder durch ein Tor, Schlagbaum oder Wärterhäuschen blockiert. Jeder, der will, fährt die paar Meilen auf der Asphaltpiste bis zum See und dann hinauf auf die weiße Fläche. Das Salz sieht aus wie frischer Schnee und klebt genauso unter den Schuhsohlen wie im Reifenprofil. Beim Bremsen und Driften gibt es schabende Geräusche – so als würde man ein Möbelstück verrücken, ohne es anzuheben. Der Salzsee ist ein ideales Testgelände für Fahrdynamikmanöver. ESP, Bremsweg, Beschleunigung, Elastizität – wir haben zwar keine Meßgeräte dabei, trotzdem nutzen wir die Chance für Fahrversuche.

Fahrdynamiktests auf dem Salzsee

Der direkte Höchstgeschwindigkeitsvergleich zwischen ML 320 CDI und RX 400h ist besonders interessant – bis 170 km/h liegt der Lexus beim Beschleunigungsduell vorn. Dann zieht der Mercedes souverän vorbei. Grund: Das Hybrid-SUV wird elektronisch bei Tempo 200 begrenzt; laut Tacho ist schon bei 190 Schluß. Und die sind für den Diesel kein Problem. Die digitale Tachoanzeige wandert sogar auf 218 km/h – klarer Sieg also für den Mercedes. Gleiches gilt für die Handlingversuche. Das Mercedes-Ruder bietet mehr Rückmeldung und spricht feinfühliger an.

Im Lexus dagegen verhärtet die Lenkung bei abrupten Richtungswechseln. Das ESP muß Überstunden machen. Aber ich bin froh, daß es serienmäßig an Bord ist. Denn ohne den elektronischen Rettungsanker würde der Lexus mit Sicherheit tückische Reaktionen wie Übersteuern an den Tag legen, und das ist in einem über zwei Tonnen schweren Auto alles andere als angenehm. Beim Verbrauch zeigt der Diesel ganz klar seine Stärke. Nach 60 Testkilometern auf dem Salzsee liegt er mit 15 Liter klar vor dem Lexus, der sich satte 24,5 Liter genehmigte. Klar, unter Vollast-Bedingungen hat der Hybrid keine Chance.

Sein V6-Benziner orgelt dann permanent mit voll aufgerissener Drosselklappe an der Drehzahlgrenze und braucht große Mengen Sprit. Unter solchen Extrembedingungen hat der Selbstzünder klare Vorteile. Allerdings ist sein Motoransprechverhalten nicht so spontan und lebendig wie das vom Lexus. Der ML 320 CDI wirkt eine Spur träger. Während sich der Lexus grazil wie ein Hürdenläufer bewegt, kommt mir der Mercedes wie ein Hammerwerfer vor: kraftvoll und solide wie eine deutsche Eiche (obwohl er in den USA gebaut wird).

Die Wagen holpern unruhig über die Piste

Der Bonneville Speedway wirbt mit dem Slogan "The fastest place on earth", und mit diesem Superlativ dürften die Amis ausnahmsweise einmal nicht übertrieben haben. Wie hier allerdings Weltrekorde mit Geschwindigkeiten von über 1000 km/h aufgestellt werden, ist mir rätselhaft. Die Oberfläche sieht zwar eben aus, aber unsere drei Testwagen holpern ganz schön unruhig über die Salzpiste. Glatt wie ein Babypopo ist jedenfalls etwas anderes. Am Wochenende (6./7. August) ist hier wieder die Hölle los. Dann ist Bonneville Speedweek und viele wilde Rennwagen am Start – vom Vorkriegs-Hotrod bis zum hypermodernen Raketenwagen. Für Tempojunkies bedeutet dieser heilige Ort das, was für einen gläubigen Katholiken die Ostermesse auf dem Petersplatz ist: ein absolutes Muß.

Bonneville ist nicht nur ein Abenteuerspielplatz für Automobilisten, sondern auch ausgefallenen Freizeitaktivitäten frönen die Amis hier. Zum Beispiel Raketen abschießen. Kein Witz: In den USA gibt es eine Szene, die wettbewerbsmäßig Miniatur-Appolos in den Himmel jagt. Die Dinger fliegen acht Kilometer hoch und landen anschließend mit einem Fallschirm. Damit man das gute Stück wiederfindet, ist es mit einem GPS-Ortungssystem ausgerüstet. Jeder Start kostet etwa 2500 Dollar Treibstoff- und Motorkosten und wird mit Kameras und Höhenmeßgeräten akribisch registriert. Hobbys gibt's, die gibt's gar nicht.

Viel gewöhnlicher ist da, was "Sunshine" in ihrem Urlaub treibt. "Sunshine" lebt in LA, ist mit ihrem gelben Hummer unterwegs und zieht auf dem Anhänger ihre 25.000 Dollar teure Harley Davidson Road King. Ziel: Sturgis in South Dakota. Dort ist am kommenden Wochenende das legendäre Harley-Treffen. "Sunshine" ist natürlich nur ein Künstlername. Ihren echten mag sie nicht verraten. "Man kann ja nie wissen, wozu ihr meine Fotos benutzt", meint sie übertrieben mißtrauisch. Na ja, vielleicht hat sie mal schlechte Erfahrungen gemacht. Immerhin ist sie so offen, zuzugeben, wieviel ihr Hummer an Sprit verfeuert: "13 Meilen auf die Gallone." Also gut 18 Liter auf 100 Kilometer. "Sunshine", möge die Sonne weiter über dir scheinen.

Ein Mann auf der Sonnenseite des Lebens

Richard Dixon steht schon seit Jahren auf der Sonnenseite des Lebens. Er rollt mit seinem nagelneuen Chevy SSR auf die Sinclair-Tankstelle bei Wendover. Der Chevy ist eine Mischung aus Pick-up und Klappdach-Cabrio. Unter der Haube sitzt ein Sechsliter-V8 mit 390 PS. Preis: 49.000 Dollar. Normalerweise jedenfalls, doch Richard hat gehandelt und das feuerrote Spielmobil für 38.000 gekriegt. Der erbitterte Rabatt- und Preiskrieg zwischen GM, Ford und Co macht's möglich – und auch vor Exoten wie dem Chevy SSR nicht halt.

"Ich liebe das Auto. Es hilft mir, mich wieder jung zu fühlen", sagt Richard. Bis vor kurzem hatte er 35 Autos. Fast alle verkauft. Nur Porsche 911, Mazda MX-5, Nissan Murano, Lexus LS 430, MG TC und den Lincoln Blackwood nicht. Auch den Mercedes 300 SL-Flügeltürer hat er versilbert. Schade eigentlich. Aber Richard hat bestimmt auch mit dem Rest seiner bescheidenen Sammlung viel Spaß.

In Nevada wechselt die Zeit von Mountain in Pacific Time Zone – wieder eine Stunde gewonnen. In New York ist es jetzt schon drei Stunden später. Die I 80 verläuft erst in rein westlicher, später in südlicher Richtung durch den Wüsten- und Spielerstaat. Straßen gibt es wenig. Nur ein paar asphaltierte Nord-Süd-Pisten verknüpfen die Provinz mit dem Interstate. Der Rest sind Schotterwege ins Nirgendwo.

Wettrennen mit der Eisenbahn

Parallel zum Interstate verläuft die Bahntrasse und wir haben mehrfach Gelegenheit, uns Wettrennen mit den Güterzügen der Union Pacific zu liefern. Ein chancenloses Unternehmen für die Bahn. Die rollt stur mit 60 km/h.

Mit dem Sonnenuntergang erreichen wir Reno. Doch dunkel wird es hier nie. Wie in Las Vegas: Die allgegenwärtige Neonreklame illuminiert das Spielerparadies mit mehreren Millionen Watt. Werbung, wohin das Auge blickt. Vor allem die Casinos blinken hell und aggressiv. Die drei Edel-SUV passen perfekt hierher. Nicht wenige, die in Reno ihr Glück machen, entscheiden sich für Lexus oder Mercedes.

Ob sie sich dabei auch von Benzin-Verbrauchsaspekten leiten lassen, ist fraglich. Für uns bleibt das die zentrale Frage. Morgen wird abgerechnet. Es geht nach San Fransisco. Das heißt Showdown: Wie war der Verbrauch Coast to Coast? Wer ist der Verbrauchssieger? Mercedes oder Lexus? Das Fazit gibt es im letzten Teil unseres Coast-to-Coast-Marathons.