300C: Cooler Auftritt wie einst John Wayne

Der Anruf kam nachts, und er war dringend. Snoop Doggy Dog wollte von Chrysler-Chef Dieter Zetsche einen 300C. Sofort, bitte. Für alle Leser über 21: Der Mann mit dem Hundenamen ist ein absoluter Megastar in der US-Rapper-Szene. Inzwischen besitzt der Sangeskünstler den Wagen, und mit ihm fahren Tausende Amerikaner wie verrückt auf den 300C ab. Die Produktion dieses Jahres – 95.000 Autos – ist komplett abgesetzt.

Von solchen Zahlen kann Chrysler Deutschland nur träumen – seit April wurden knapp 400 Autos verkauft. Doch wo immer dieses US-Schiff auftaucht, sorgt es für Aufsehen. Es hat einen coolen Auftritt wie einst John Wayne im Western-Saloon: Wo ich bin, ist kein Platz für andere. Der 300C ist groß und fett und einschüchternd. Viel Blech, wenig Glas, riesiger Kühlergrill. Das alles erinnert sicher nicht zufällig an die Lowrider der 50er.

Der Basis-3,5-Liter-V6 läßt es mit seinen 249 PS entspannt angehen, schnurrt zufrieden, wird jedoch von der Automatik eingebremst. Die arbeitet viel zu zäh und nur mit vier Gängen. Der Chrysler schafft damit gerade mal eine Spitze von 204 km/h – mit 249 PS! Der 300C ist halt mächtig, aber alles andere als leichtfüßig. Und trotz der überraschend straffen Abstimmung – er federt manchmal regelrecht mürrisch – bleibt er der sympathische Ami mit großem Selbstbewußtsein und etwas wenig Liebe zum Detail (Verarbeitung, Kunststoffe ...).

Bella Lancia: auffällig, exklusiv, extravagant

Eine ganz andere Klinge schlägt der extravagante Thesis. Den Lancia mag man – oder eben nicht. Als komme er direkt von der Mailänder Modemesse, verführt Bella Lancia mit Charakter-Nase und filigranem Heck wie sonst nur Schmuserocker Eros Ramazotti. Keine Diskussion gibt es auch über den feinen Innenraum. Griffiges Leder, schmeichelndes Alcantara, edles Mahagoni und kühles Magnesium – da schaut man gern hin, und faßt es noch lieber an.

Der Thesis baut allerdings vorn eine Nummer kleiner als die anderen, hinten ist nur noch der Peugeot ähnlich eng. Hinzu kommt eine – für durchschnittliche Nordeuropäer – angespannte Sitzposition. Technisch wollen die Italiener viel, erreichen aber nicht alles. Das elektronische Dämpfersystem Skyhook etwa scheint immer noch nicht passend abgestimmt. Auf glattem Untergrund verwöhnt der Thesis mit durchaus geschmeidigem Komfort, auf schlechtem teilt die poltrige Vorderachse trockene Schläge aus, die Karosserie schaukelt sich gern auf.

Ein Glanzstück ist dagegen der 3,2-Liter mit 230 PS. Der V6 läuft kernig, heiser und hellwach. Allerdings liegen Licht und Schatten auch hier eng zusammen, nervt die aufgeregte, ruckelnde Fünfgangautomatik heftig. Der Lancia ist eben auffällig, exklusiv, extravagant – wer Perfektion sucht, kauft eh woanders.

607: sachlich-nüchternes Mauerblümchen

Auf den ersten Blick scheint der Peugeot 607 bei diesem Treffen fehl am Platze. Mit seinem zurückhaltenden Auftritt ist er nicht halb so exotisch wie die anderen. Wer den fließenden Linien und dem gemalten Profil aber ein wenig Aufmerksamkeit schenkt, entdeckt die schlichte Schönheit des großen Franzosen. Seine Verkaufszahlen (dieses Jahr bisher knapp 900 Stück) stempeln ihn bei uns jedoch zum Mauerblümchen. Ähnlich wie das Außen-Design wirkt auch die Inneneinrichtung eher sachlich-nüchtern. Aber für so etwas vergeben wir ja auch keine Punkte. Sondern für meßbare Dinge, zum Beispiel die Zuladung oder die Anhängelast. Bei beidem liegt der 607 weit vorn.

Dabei ist der V6 des Peugeot mit drei Liter Hubraum und 207 PS der Kleinste und Schwächste hier. Zum Trost mit einem Verbrauch von 11,6 Litern aber auch der Sparsamste. Er läuft kultiviert, dreht aber nicht gern und wirkt bei hohen Touren wie zugeschnürt. Zu dieser Zurückhaltung paßt dann noch die müde Viergangautomatik.

Auch der Peugeot fährt mit elektronisch verstellbaren Dämpfern, deren Abstimmung scheint aber glücklicher als beim Lancia. Keine Spur von französischer Sänfte, sondern eine souveräne, angenehm straffe Federung. Verglichen mit den anderen drei Darstellern bleibt der 607 eher unauffällig, sammelt mit seiner größeren Alltagstauglichkeit fleißig Punkte.

Vel Satis: gedämpfte Club-Atmosphäre

Mögen 99,99 Prozent aller Autos in der Oberklasse ein Stufenheck tragen, wir können wohl sicher sein, daß Renault dem Fließheck treu bleibt. Der eigensinnige Vel Satis will keine Kopie der deutschen Oberklasse-Elite sein, sondern sein eigenes Aroma entfalten – so wie ein Camembert eben kein Harzer Käse ist. Ob man die bemerkenswerte Form nun als schön oder eher schrecklich empfindet, sei mal dahingestellt. Die stolze Bauhöhe von 1,58 Metern bringt aber viel Platz und ein luftiges Raumgefühl. Nirgendwo thront man in ultra-bequemen Sesseln so entspannt wie im Renault.

Aber trotz der gedämpften Club-Atmosphäre und der komfortablen Abstimmung – der Renault kann durchaus zur Sache gehen. Und das ist ein Verdienst des temperamentvollen 3,5-Liter-V6 mit 241 PS. Lebhaft, laufruhig und drehfreudig, dazu noch die gute Automatik – diese Kombination ist in diesem Vergleich unübertroffen.

Eine regelrechte Blamage – genau wie beim Lancia – sind allerdings die peinlich schlechten Bremsen. Die dort verlorenen Punkte kosten den Renault letztlich sogar den Sieg. Den hatte er mit Platz, Komfort und Fahrleistungen eigentlich schon in der Tasche. Preislich liegt der Vel Satis mit dem Peugeot gleichauf, die Ausstattungen sind bei allen vier Kandidaten bemerkenswert komplett. Was die Italiener zu einer sehr selbstbewußten Preisgestaltung verführt, während Chrysler eher mit dem spitzen Bleistift kalkuliert. Doch hier zählen ohnehin ganz andere Talente. Fragen sie mal Snoop Doggy Dog ...

Technische Daten und Testwerte

Lancia und Renault blamieren sich. Bremswege von über 40 Meter sollte es bei modernen Autos nicht mehr geben. Chrysler und Peugeot bremsen sehr ordentlich.

Kosten und Ausstattungen

Lancia ruft für den Thesis einen ziemlich stolzen Preis (45.200 Euro) auf, der Chrysler am anderen Ende der Skala kostet immerhin 6600 Euro weniger.

Fazit und Wertung

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Dirk Branke Normal gibt's schon, unsere vier Vergleichs-Kandidaten sind anders. Die Perfektion der deutschen Oberklasse etwa erreichen sie nicht mal ansatzweise. Ob sie trotzdem ein guter Kauf sind? Das kommt darauf an. Wer stilistische Extravaganz mag, sollte sich den Lancia Thesis mal anschauen. Wer auf die typischen Ami-Tugenden und richtig große Autos steht, ist mit dem Chrysler 300C gut bedient. Wer gern komfortabel und in luxuriöser Club-Atmosphäre reist, für den ist der Renault Vel Satis erste Wahl. Und wer Wert auf zurückhaltende Eleganz legt und nicht weiter auffallen will, sollte mal an den Peugeot 607 denken. Für alle gilt: Sie stehen nicht an jeder Ecke – und das allein ist für viele Leute ein gutes Kaufargument.

Hier ist Ihre Meinung gefragt

Ob ein Auto letztlich ankommt, wissen nur die Verbraucher selbst – also Sie. Deshalb ist uns Ihre Meinung wichtig. Vergeben Sie eigene Noten für Peugeot 607, Renault Vel Satis, Chrysler 300C und Lancia Thesis. Den Zwischenstand sehen Sie direkt nach Abgabe Ihrer Bewertung.