An Landwind erinnert sich wohl jeder. Aber Vorsicht, seit der schlechte Nachbau des Opel Frontera von Jiangling Motors im ADAC-Crashtest versagte, sind Jahre vergangen. Jahre, in denen man in China auch mit europäischer ­Hilfe gelernt hat, Autos zu bauen. Wie weit chinesische Autobauer mittlerweile sind, beweisen die vier bei AUTO BILD zum Test angetretenen Probanden, die es allesamt in Deutschland zu kaufen gibt. 

MG5

Der MG5 ist etwas Besonderes. Er ist der einzige Kombi, der rein elektrisch fährt. Wobei wir da gleich bei einem Manko des stromernden Lademeisters sind. Der MG5 hat zwar mit einem Lade­volumen zwischen 479 und 1367 Litern ordentlich Platz, aber die Rückbanklehne steht nach dem Umlegen wie eine Skischanze im Raum. Hinzu kommt, dass das Platzangebot in der zweiten Reihe bei einer Gesamtlänge von 4,60 Metern bescheiden ist. Und vorn kaum besser ausfällt. 
Die zwischen die Achsen gepresste 50,3-kWh-Batterie hebt das Gestühl so in die Höhe, dass der Anstellwinkel der Knie im Fond zu steil ist und der Kopf selbst bei kleineren Fahrgästen sehr dicht am Himmel klebt. Der Pilot selbst findet sich auf einem weichen Polster, nicht wirklich ergonomisch zum Lenkrad platziert. Da hilft es auch nicht, dass sich das Volant in Weite und Höhe verstellen lässt.
Der MG5 ist momentan der einzige elektrisch fahrende Kombi auf dem Markt.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD

Was erfreut, ist das Fahrverhalten. Die Lenkung arbeitet direkt, die Abstimmung des Fahrwerks ist verbindlich, sodass auch Kopfsteinpflaster oder Querfugen ­keinen schlechten Eindruck bei den Reisenden hinterlassen. Wer es sportlich will, kann über den Fahrmodusschalter eine solche Gangart wählen. Dann wird der MG5 beim Tritt auf das Gaspedal durch den 177 PS starken E-Motor mit Nachdruck in Fahrt gebracht und bis zu 185 km/h schnell. Was E-Autos aus hiesiger Produktion nicht unbedingt zulassen.
Flott ist allerdings auch der ­Akku leer. Auf der AUTO BILD-Testrunde genehmigte sich der MG5 im Durchschnitt 28 kWh/100 km, was zur Folge hat, dass bei –7 Grad nach 190 statt der angegebenen 310 Kilometer eine Ladestation besucht werden muss. An der DC-Dose reicht es dann auch nur für 87 kW Ladetempo, was die Verweildauer auf 40 Minuten ausdehnt, um den Akku von 20 auf 80 Prozent zu füllen. Wer mit all dem zufrieden ist, bekommt bereits ab 31 920 Euro einen außergewöhnlichen Elek­tro-Kombi, der einzigartig ist. 

MG ZS EV

Lieber gut kopiert als schlecht selbst gemacht: Für den MG ZS EV gilt das insbesondere innen. Die Lenkradtasten kennen wir so in etwa vom Golf 6, die Lüftungs­düsen von Alfa. Positiv überrascht die Materialgüte: Die Knöpfe und Schalter bieten knackige Druckpunkte, im getesteten "Luxury" zieht sich Kunstleder bis auf die hinteren Türverkleidungen. 
Wirklich störend fällt eigentlich nur der billige Filz auf, der die Hinterseite der Rückbank überspannt und unschöne Falten wirft. Bis aufs Infotainment, das noch den ein oder anderen Übersetzungsfehler aufweist und bei „Ich habe Hunger“ eine HNO-Praxis empfiehlt, bewegt sich der ZS innen sonst aber auf europäischem Niveau.
Man mag sich beim Anblick des MG ZS EV an Bekanntes erinnern, der Innenraum ist individuell.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD

Auf der Straße setzt sich der ­gute Eindruck fort. 156 PS bewegen das 4,32 Meter lange SUV zügig. Die 280 Newtonmeter reichen ­locker für einen Haftungsabriss an der Vorderachse, was die wache Traktionskontrolle aber schnell wegregelt. Die eher schwergän­gige Lenkung gibt sich erfreulich mitteilsam, die Dämpfung ist kom­fortabel, die Bremse spricht linear an. Mit dem größeren der beiden Akkus (50 und 70 kWh stehen zur Wahl) erreicht der ZS EV mit 290 Kilometer Reichweite den Bestwert im Test. 
Auch auf der Autobahn fühlt sich der ZS wohl. An der DC-Dose lädt man mit bis zu 92 kW, was einer Verweildauer von 40 Minuten entspricht, damit der Akku von 20 audeutliche Windgeräusche. Wer es beim 2000 Euro günstigeren Comfort-Trimm belässt, vermeidet diese Komforteinbuße und erhöht die Kopffreiheit hinten.
Apropos Preise: Ab 30420 Euro geht’s los, mit dem kleineren 50-Kilowattstunden-Akku. Zum Vergleich: Der gleichformatige Peugeot e-2008 startet bei gleicher -Batteriegröße ab 37900 Euro. 

Aiways U5

Sie wollten schon immer mal in einer Stretch-Limo sitzen? Das Platzangebot im Fond des Aiways U5 kommt jener erstaunlich nahe. Und sonst? Auf den ersten Blick sticht vor allem die Optik ins Auge. Anders als, bei den MG lässt sich hier kein Vorbild erkennen. Das kantige Design hebt sich ab, wirkt eigenständig. 
Diese Extravaganz wird dem Innenraum zum Verhängnis. Beispiel Handschuhfach: An dieser Stelle klafft eine Lücke, lediglich zwei Taschenhaken haben die Designer untergebracht. Und auch sonst fehlen Ablagen. Die Cupholder sind zu klein. Das Handy findet zwar Platz in einem Geheimfach hinter dem Bedienfeld der Klimaautomatik – aber das jedes Mal öffnen und schließen?
Der Aiways U5 war das erste chinesische E-Auto, das es in Europa zu kaufen gab.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD

Enttäuschend sind auch Ergonomie und Infotainment. Das Tachoinstrument böte genug Platz für gute Ablesbarkeit. Stattdessen wirken die Zahlen auf dem Display wie Kleingedrucktes im Mobilfunkvertrag. Das Soundsystem klingt dumpf, die Freisprechqualität ist bescheiden. Mobiltelefone müssen anscheinend separat für Telefonie und Mediennutzung verbunden werden – umständlich. Ebenfalls wenig vertrauenerweckend wirkt die Kamera an der -A-Säule des U5: Sie beobachtet den Fahrer, laut Anleitung, um Müdigkeit und Ablenkung vom Verkehrsgeschehen zu erkennen.
Erst mal unterwegs schlägt sich der U5 passabel. Der 204 PS starke E-Motor macht Laune, 310 Newtonmeter wirken bullig. Dabei bleibt es auf der Autobahn auch bei 160 km/h Topspeed leise, der adaptive Tempomat -regelt zuverlässig. Sogar ein autonomer Einparkassistent ist an Bord. Der spricht zwar Englisch mit amerikanischem Akzent, tut aber das, was er soll. Dass der Aiways im AUTO BILD-Test lediglich 239 Kilometer schaffte, dürfte auch daran liegen, dass er kaum rekuperiert – die Verzögerung ist in drei Stufen einstellbar, verändert sich gefühlt aber kaum. Das Gleiche gilt für die Lenkung, die in allen Fahrmodi auffällig leichtgängig bleibt.
Auf Händler im klassischen Sinne hat Aiways verzichtet. Die Auslieferung übernimmt die Elektronikmarkt-Kette Euronics, Reparaturen und Wartung ATU. Die Preise: Bei 36 980 Euro geht’s los, 42870 Euro werden für den Prime fällig, den wir gefahren sind.

Lynk & Co 01

Genau genommen ist der Lynk & Co 01 ein Volvo. Nach außen trägt der Chinese diese Familienbande nicht zur Schau, im Innenraum gibt’s aber einige Gleichteile. Bei Antrieb und Fahrwerk greift der Lynk auf den XC40 Recharge zurück. Insgesamt ist er zwölf Zentimeter länger, und auch der Radstand misst 32 Millimeter mehr. Das lässt den Lynk groß erscheinen und gesteht den Insassen mehr Platz zu. Gerade im Fond wird das spürbar, auch der Pilot fühlt sich pudelwohl. Das liegt nicht nur an den edel rastenden Knöpfen und Reglern, sondern auch an den verwendeten Materialien. Im Gegensatz zu Volvo spielen hier auf dem 12,7 Zoll großen Touchscreen auch Android Auto und Apple CarPlay. 
Als Plug-in-Hybrid kann der Lynk & Co 01 auch problemlos Langstrecke.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD

Bei den Assistenten profitiert der Lynk wieder von Volvo. In Summe ergeben sie einen gut funktionierenden Autobahnassistenten, wobei die Verkehrszeichenerkennung präzise mit dem adaptiven Tempomaten zusammenspielt.   Antriebsseitig ist der Lynk ein Plug-in-Hybrid. Auf unserer Testrunde konsumiert er 4,7 Liter Super und entzieht dem Akku 12,9 kWh Strom, wobei die Antriebswechsel nicht ganz flüssig sind. Selbst wenn die Batterie leer ist, sind 7,8 Liter bei einem Gewicht von 1,9 Tonnen akzeptabel. Rein elektrisch reichte es im Test bei –7 Grad immer noch für 53 Kilometer.   Der Lynk untersteuert gern, lässt sich aber gut um Kurven zirkeln. Trotz seines straffen Fahrwerks ist er kein Sportler. Preis? Ab 46.000 Euro – 2200 Euro unter dem XC40.

Fahrzeugdaten

Fahrzeugdaten
Motor 
Elektromotor 
Dreizylinder, Turbo + E-Motor 
Elektrosynchronmotor 
Elektrosynchronmotor 
Spitzenleistung/Systemleistung 
150 kW (204 PS) 
192 kW (261 PS) 
130 kW (177 PS) 
115 kW (156 PS) 
Dauerleistung 
60 kW (81 PS) 
k. A. 
75 kW (102 PS) 
73 kW (99 PS) 
max. Drehmoment 
310 Nm 
265 + 160 Nm (Benzin/E) 
280 Nm 
280 Nm 
Hubraum Verbrennungsmotor 
– 
1477 cm³ 
– 
Batteriekapazität/Tankinhalt 
63 kWh 
14,1 kWh (netto)/42 l Super 
50,3 kWh 
69,9 kWh 
Schnellladen bis 80 % 
35 Minuten 
– 
40 Minuten 
40 Minuten 
max. Ladeleistung AC/DC 
11/90 kW 
7,2 kW/– 
11/87 kW 
11/92 kW 
Getriebe 
Einganggetriebe 
Siebengang-Doppelkupplung 
Einganggetriebe 
Einganggetriebe 
Antrieb 
Vorderradantrieb 
Vorderradantrieb 
Vorderradantrieb 
Vorderradantrieb 
Bremsen vorn/hinten 
Scheiben/Scheiben 
Scheiben/Scheiben 
Scheiben/Scheiben 
Scheiben/Scheiben 
Leergewicht (Messwert) 
1794 kg 
1887 kg 
1597 kg 
1633 kg 
Zuladung (Messwert) 
361 kg 
463 kg 
420 kg 
437 kg 
0-100 km/h 
7,5 s 
8,0 s 
8,3 s 
8,6 s 
Höchstgeschwindigkeit 
160 km/h 
210 km/h 
185 km/h 
175 km/h 
Anhängelast gebr./ungebr. 
– 
1800/750 kg 
500/500 kg 
500/500 kg 
Stützlast 
– 
90 kg 
50 kg 
50 kg 
Kofferraumvolumen 
496–1619 l 
466–1213 l 
479–1367 l 
448–1166 l 
Länge/Breite/Höhe 
4680/1865/1700 mm 
4541/1857–2141*/1694 mm 
4600/1818/1543 mm 
4323/1809/1649 mm 
Radstand 
2800 mm 
2734 mm 
2659 mm 
2581 mm 
KOSTEN/GARANTIEN
Abgasnorm 
Elektrofahrzeug 
Euro 6d-ISC-FCM 
Elektrofahrzeug 
Elektrofahrzeug 
Steuer pro Jahr 
frei bis 2030 
30 € 
frei bis 2030 
frei bis 2030 
Typklassen HPF/VK/TK 
19/22/21 
18/23/25 
14/24/21 
17/24/21 
Garantie/Gewährleistung 
Garantie 
Garantie 
Garantie 
Garantie 
Technik/km-Begrenzung 
5 Jahre/150.000 km
4 Jahre/120.000 km
7 Jahre/150.000 km
7 Jahre/150.000 km
Batteriegarantie/km-Begrenzung 
8 Jahre/150.000 km
8 Jahre/120.000 km
7 Jahre/150.000 km
7 Jahre/150.000 km
Garantie gg. Durchrostung/km-Begr. 
10 Jahre/ohne 
12 Jahre/120.000 km
7 Jahre/150.000 km
7 Jahre/150.000 km
Mobilitätsgarantie 
3 Jahre 
10 Jahre 
7 Jahre 
7 Jahre 
VERBRAUCH
Sparverbrauch 
22,1 kWh/100 km 
32,3 kWh/100 km (E-Verbrauch) 
19,6 kWh/100 km 
19,1 kWh/100 km 
Testverbrauch
Durchschnitt der 155-km-Testrunde (inklusive Ladeverlusten)
31,4 kWh/100 km 
4,7 l S + 12,9 kWh/100 km
(60 % Hybrid-/40 % E-Anteil)
28,0 kWh/100 km 
25,8 kWh/100 km 
Sportverbrauch 
34,1 kWh/100 km 
7,8 l S/100 km (V. m. leerer Batterie) 
29,5 kWh/100 km 
29,0 kWh/100 km 
CO2 (lokal) 
0 g/km 
111 g/km 
0 g/km 
0 g/km 
Reichweite 
239 km 
535 km + 53 km E-Reichweite 
190 km 
290 km 
PREISE/AUSSTATTUNG
Modell 
Aiways U5 
Lynk & Co 01 
MG5 
MG ZS EV 
Grundpreis (E-Autos vor Förderung)
36.980 €**
46.000 €
31.920 €**
34.420 €**
Navigationssystem 
nur per Smartphone-App 
Panoramadach 
S für Modell "Prime"
S für Modell "Luxury"
Anhängerkupplung 
Metalliclackierung 
650 € 
650 € 
Holger Preiss
Der schlechte Ruf chinesischer Autos ist Geschichte. Im Reich der Mitte hat man viel dazugelernt. Das fängt bei einem eigenständigen Design an und hört bei guten Materialien und einer ebensolchen Verarbeitung noch nicht auf. Auch fahrtechnisch haben die Hersteller jetzt Autos am Start, die sicher noch nicht alles können, aber einiges erwarten lassen.