Fahrbericht Ariel Atom 300
Rakete mit Rädern

—
Wenn schon offen, dann richtig. Der Ariel Atom verzichtet auf alles. Nur Leistung hat er im Überfluss. So treffen 300 PS auf 500 Kilo – und sorgen für brachiale Fahrerlebnisse.
Bin ich das? Die Beine fühlen sich wackelig an. Die Augenbrauen sind weg, das Gesicht sieht aus wie Hackfleisch. Das ist es, was der Ariel Atom aus einem macht. Wohl zu viele gepuderte Autos gefahren? Hübsche Cabrios mit kuscheligen Cockpits und blutarmen Motoren? Da hilft nur eins: Nimm Ariel. Denn der geht sofort ins Blut. Auto wäre zu viel gesagt, Roadster eine Verniedlichung. Vom Sitz aus sehe ich das Lenkgetriebe, das Innere der tanzenden Räder, die Aufhängung und unter mir die Straße. Was ich nicht sehe, sind die Fliegen, die mir an die Stirn klatschen, mit Tempo 100, Tempo 160 oder 200. Ich sehe auch nicht, wie der Orkan meinen Kopf durchknetet. Kein Innenspiegel – zum Glück. "Dann fahr halt mit Helm", meint Simon Saunders nach der ersten Ausfahrt gnädig.
Die nackte Kanone – den Ariel gib es nur hüllenlos
Auch wenn es dem Reinheitsgebot des Ariel-Mannes eigentlich widerspricht. Denn auch ein Helm bedeutet zusätzliches Gewicht. Und Saunders, Erfinder und Produzent des Ariel Atom, hasst vor allem eines: Gewicht. Verdeck und Windschutzscheibe? Lächerlich. Türen? Überflüssig. Karosserie? Weg damit. Polster auf den Sitzen? Ein Ariel ist kein Maybach. Und überhaupt: Mit Konventionen hat das Ding nichts am Hut. Ein Ariel Atom konfrontiert uns mit automobiler Anarchie. Es gibt nur ein Gebot: Lasset weg, was euch nicht schneller macht. Was dabei herauskommt, ist so leicht, dass man es beim Parken festbinden muss. Ein solider Rohrrahmen, vier Räder und zwei Liter Motor – macht 500 Kilogramm Leergewicht. Und hinten quer lauern 300 PS. Saunders nimmt den Antrieb des $(LB59361:Honda Civic Type R)$ und bläst ihm mittels Kompressor den Marsch. Das wirkt und hält. "Noch kein einziger Motorschaden", schwört der Meister des Abspeckens, der großen Wert auf seriöse Konstruktionspraktiken legt.

Gesamteindruck: irrwitzig
In knapp drei Sekunden jagt der Ariel auf 100 km/h, in 6,8 Sekunden liegt Tempo 160 an. Unsere Kollegen vom britischen Fachblatt "Autocar" haben es nachgemessen und dem Ariel zugleich einen Lorbeerkranz umgehängt: Diesseits des Bugatti Veyron kommt er am schnellsten von null auf 160 und wieder auf null. 11,35 Sekunden dauert die Prozedur. Ein $(LB334933:Porsche 911 GT3)$ zum Beispiel lässt sich dafür 11,6 Sekunden Zeit, bedient sich allerdings auch eines 3,6-Liter-Sechszylinder-Boxermotors mit 415 PS. Gesamteindruck vom ebenso schrägen wie schnellen Engländer: irrwitzig. Und absolut beeindruckend. Denn fast genauso überirdisch wie beim Start sind die Eindrücke beim Anhalten und Abbiegen. Der Ariel bremst, als wäre ein Wurfanker im Spiel. Und er krallt sich in Kurven fest wie eine Echse. Der Begriff Handling bekommt hier eine neue Dimension: Lenken per Gedankenübertragung. So kommt einem das zumindest vor. Einfach nur zielen und leicht mit den Handgelenken arbeiten. Und alles mit Gefühl natürlich, denn elektronische Fahrhilfen sind für Ariel-Chef Saunders indiskutabel. Also selbst machen: Eine Zehenspitze zu viel Gas, und ich fahre rückwärts.
Technik diktiert Ästhetik: Ariel-Philosophie

Ein Mann, eine Idee, ein Auto
Von Berufs wegen ist Ariel-Chef Simon Saunders eigentlich Designer, kein Techniker. Stationen: Kunstschule, Norton (Motorräder), Design-Guru Terence Conran (Möbel), GM, Aston Martin, Porsche. Später Lehrer am renommierten Design-College in Coventry. 2000: Saunders präsentiert den Atom – der radikalste unter den radikalen Roadstern.
Technische Daten
Ariel Atom 300 Vierzylinder, Kompressor, hinten quer • vier Ventile pro Zylinder • Doppel-Querlenkerachsen v./h. • Zahnstangenlenkung • Gitterrohrrahmen • Hubraum 1998 cmê • Leistung 221 kW (300 PS) bei 8400/min • max. Drehmoment 220 Nm bei 7200/min • Hinterradantrieb • Sechsganggetriebe • Reifen 195/ 50 R 15 v., 225/40 R 16 h. • L/B/H 3410/1798/1195 mm • Radstand 2345 mm • Tankinhalt 60 l Super • Kofferraum 30 l • Leergewicht 500 kg • Beschleunigung 0–100 km/h 3,0 s • Vmax 245 km/h Preis: 56.000 Euro
Service-Links