Fahrverhalten in Autobahn-Baustellen
Die Angst fährt mit

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Dauerbaustelle Deutschland: Es kracht immer öfters auf Deutschlands Autobahnen. Viele Fahrer sind in den Baustellen überfordert. Dichter Verkehr ist immer Stress, weil man nicht so fahren kann, wie man will.
Mit 120 Kilometern in der Stunde schießt der VW Bus in die Baustelle. Der Fahrer versucht, einen Lkw zu überholen. Und schafft es nicht. In Höhe des Fahrerhauses rammt er den 40-Tonner, kommt ins Schleudern und dreht sich in den Gegenverkehr. Schreckliche Bilanz dieses Unfalls am 2. Mai 2009 auf der A 1: zwei Tote und zwei Schwerverletzte. "Leider kein Einzelfall, es gibt immer mehr und immer schwerere Unfälle", sagt Detlef Kaldinski von der Polizeidirektion Rotenburg, die für die A1 zuständig ist. Dort hat es in diesem Jahr bereits über 1300-mal gekracht, fünf Menschen starben. Von Januar bis August 2008 waren es 455 Unfälle – danach begannen die Bauarbeiten. Wie auf vielen Autobahnen in der Republik.
Wenn es kracht, kommt kein Rettungswagen mehr durch

Eine E-Klasse ist zu breit für die linke Spur

"Da fühlt man sich bedroht. Durch diese Enge und durch diese hohen Mauern", sagt Wolfgang Herda vom ADAC Hessen. Nachdem es in anderthalb Monaten zu acht schweren Unfällen kam und ein Autofahrer starb, hatte die Straßenverkehrsbehörde ein Einsehen und beseitigte schließlich das Nadelöhr. Ebenso gefährlich wie enge Fahrspuren sind zu kurze Auffahrten – wie auf der A 14 bei Halle. Autofahrer hatten hier kaum eine Chance, sich gefahrlos in den fließenden Verkehr einzufädeln. Der ADAC forderte eine Überprüfung der Baustelle. Mit Erfolg: Es wurden längere Spuren zum Ein- und Ausfädeln geschaffen. Wenigstens hier hat die alltägliche Angst auf der Autobahn ein Ende.
So verhalten Sie sich richtig

Fünf Fragen an Karl-Friedrich Voss (60), Verkehrspsychologe

Dichter Verkehr ist immer Stress, weil man nicht so fahren kann, wie man will. Stattdessen muss man sich den anderen anpassen. Dazu kommt die Enge in der Baustelle. Autofahrer müssen sich so mit allen Sinnen auf das Fahren konzentrieren.
Mit welchen Folgen?
Die Fahrzeug-Umgebung wird nicht mehr wahrgenommen. Viele kennen das: Ein Autofahrer versucht, einen Lkw zu überholen, und traut sich nicht. Statt auf die rechte Spur zu wechseln, bleibt der Fahrer links hinter dem Lkw – er sieht nicht mehr in den Rückspiegel und ist überfordert.
Wie verhält man sich in so einer Situation richtig?
Rücksicht nehmen und bloß nicht über die Fehler anderer aufregen. In engen Baustellen fühlt sich fast jeder irgendwie unsicher. Schon kleine Fahrfehler können zur Katastrophe führen.
Was müssen die Planer von Baustellen beachten?
Sie sollten möglichst breite Fahrbahnen zur Verfügung stellen. Eine gute Idee sind Schilder mit Kilometerangaben. Sie zeigen, wie lang die Baustelle noch ist. Schutzwände helfen, Stress abzubauen. Als optische Barriere lassen sie den Gegenverkehr weniger bedrohlich erscheinen.
Sind Überholverbote in Baustellen sinnvoll?
Nein. Wenn sich alle Verkehrsteilnehmer dem Tempo der langsamen Lkw anpassen müssten, hätten sie dadurch sicherlich noch mehr Stress.
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