Das vergangene Jahr hat es gut mit uns gemeint – natürlich nur automobil betrachtet … Und hier beschränken wir uns sogar auf eine ganz spezielle Spezies: Mittelmotor-Sportler. Da sollte man meinen, mit der ganzen gewollten Elektrifizierung würde es das Spaß-Segment schwer haben. Doch das Gegenteil ist der Fall.
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Nahezu jeder, der Autos produziert, die auch nur im Ansatz versuchen, mit dem Fahrer zu kommunizieren, hat 2022 noch mal aus dem Vollen geschöpft. Manche aus der schlichten Befürchtung heraus, dass man es dieses oder spätestens nächstes Jahr nicht mehr kann, andere, um möglichst früh schon mal auszuloten, wie man auch künftig noch faszinierende Autos bauen kann, ohne von allen Seiten reguliert zu werden. Denn auch wenn bereits gebaute Sportwagen künftig einen riesigen Boom auf dem Gebrauchtmarkt erleben dürften, ist ja nach wie vor ein Verlangen nach Neuem vorhanden.
Ferrari 296 GTB
Gefühlt sitzt man im 296 GTB fast auf der Vorderachse – die Einlenkpräzision ist von einem anderen Stern.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Das zeigt sich allein an den Verkaufszahlen: Ferrari-Kunden müssen mit Wartezeiten von mitunter über einem Jahr rechnen, Lotus hatte schon wenige Wochen nach dem Verkaufsstart der Emira das komplette Kontingent der voll ausgestatteten First Edition ausverkauft, und bei McLaren in Woking besteht gefühlt die Hälfte der Produktionsstraße aus Artura-Bestellungen – das haben wir mit eigenen Augen gesehen, als wir im vergangenen Herbst vor Ort waren.

Drei Mittelmotor-Sportler mit dem Herz am richtigen Fleck

Ist das was Schlechtes? Um Gottes willen, nein. Zeigt es doch, dass die Prognose eines gewissen Ferry Porsche ("Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein") nach wie vor ihre Gültigkeit hat. Zumal diese drei wahrlich das Herz am rechten Fleck haben – auch wenn zwei davon mit einem Schrittmacher leben müssen.
Den Titel des Kaltstart-Kavaliers teilen sich in dieser Gruppe ausgerechnet ein Ferrari und ein McLaren. Verkehrte Welt ... Mehr als ein leichtes Säuseln ertönt beim Druck auf den digitalen Startknopf im Lenkrad von 296 GTB und Artura nicht. Der Italiener ist wie sein britischer Konterpart ein Hybrid, ein Plug-in, genau gesagt. Das kann unter Umständen sogar Freundschaften retten, wenn man sich in der Früh unbemerkt aus dem Wohngebiet schleichen kann, bevor man hinter dem Ortsschild den 2,9-Liter-V6 anwirft.
Ferrari 296 GTB
Wir vermissen den V8 kaum. Der 663 PS starke V6 des Ferrari ist ein Gedicht; klingt wie ein kleiner V12 mit eigener Note.
Bild: Lena Willgalis / AUTO BILD

Und schon geht's im Gran Turismo Berlinetta, so die ausgeschriebene Abkürzung für GTB, akustisch famos röchelnd zur Sache. Den V8 vermissen wir nur ganz kurz, denn der Sechszylinder verwöhnt uns mit seinem ganz eigenen Timbre. Auf der Strecke begeistert er mit feinem Handling, bissiger Vorderachse und dem Talent, jederzeit mit dem Hintern schwänzeln zu können.

Ferrari-Cockpit erstaunlich digital

Trotz der vergleichsweise schmalen 245er-Vorderreifen ist das Turning-Talent verblüffend. Aber irgendwie auch wieder nachvollziehbar, denn im 296 sitzt man gefühlt direkt auf der Vorderachse. Der Leistungsüberfall kommt im GTB unvermittelt, wenn alles auf scharf steht. Der Name ist übrigens ganz klassisch eine Kombination aus Hubraum und Zylinderzahl: 2,9 Liter, sechs Töpfe. Das war schon beim Dino 206 GT (2,0 Liter, sechs Zylinder), 288 GTO (2,8 Liter, V8) oder beim 512 BB (fünf Liter, Zwölfzylinder) so.
Das Ferrari-Cockpit kommt erstaunlich digital daher und ist dabei auf das Wesentliche reduziert. Ein mittiges Zentraldisplay gibt es nicht. Der Fahrer bekommt alles über den Instrumententräger mit, bei Bedarf auch das Bild der Rückfahrkamera. Die restliche Bedienung ist voll auf den Piloten zugeschnitten. Vieles ist bedienbar, ohne dass eine Hand von der perfekten "Drei Uhr, neun Uhr"-Stellung weichen müsste.
Fahrzeugdaten
McLaren Artura
Ferrari 296 GTB
Lotus Emira V6
Abzweigung
Motor
Abzweigung
Abzweigung
Hubraum
Abzweigung
Abzweigung
Leistung
Abzweigung
Abzweigung
Max. Drehmoment
Abzweigung
Abzweigung
Antrieb
Abzweigung
Abzweigung
L/B/H
Abzweigung
Abzweigung
Leergewicht
Abzweigung
Abzweigung
0-100 / 200 km/h
Abzweigung
Abzweigung
Spitze
Abzweigung
Abzweigung
Preis
Abzweigung
V6, Biturbo, Mitte hinten längs, + E-Motor 
2993 cm3
500 kW (680 PS) bei 7500/min
720 Nm bei 2250– 7000/min
Hinterrad, 8-Gang- DKG
4539/1913/1193 mm
1498 kg (DIN)
3,0/8,6 s
330 km/h
ab 230.500 Euro
V6, Biturbo, Mitte hinten längs, + E-Motor
2992 cm3
610 kW (830 PS) bei 8000/min
740 Nm bei 6250/min
Hinterrad, 8-Gang-DKG
4565/1958/1187 mm
1470 kg (trocken)
2,9/7,3 s
330 km/h
ab 283.185 Euro
V6, Kompressor, Mitte hinten längs
3456 cm3
298 kW (405 PS) bei 6800/min
420 Nm bei 3500–6800/min
Hinterrad, 6-Gang manuell
4413/1896/1235 mm
1405 kg (DIN)
4,3 s/k.a.
290 km/h
ab 95.995 Euro

Das Lenkrad selbst ist ein Mix aus mechanischen Tasten (Licht, Scheibenwischer, Blinker und Manettino) und Touchfächen. Letztere sind mal wieder ein Beweis dafür, dass nicht alles Neue auch gleich besser sein muss, denn sie reagieren nahezu willkürlich, und nach jeder Bedienung muss man durch den nötigen Kontrollblick doch wieder den Blick von der Straße nehmen.
Und was ist nun mit dem 167 PS leistenden Elektromotor? Der wirkt nicht wie bei vielen auf die Vorderachse und realisiert dadurch einen Allradantrieb, er unterstützt den Verbrenner in jenem Bereich, in dem dieser seine kleinen Schwächen hat (wenn man das in diesem Fall überhaupt so bezeichnen darf). Dieser hätte zwar durch sein Biturbo-Layout auch so einen guten Punch aus dem Keller, tatsächlich macht der E-Motor mit seiner unmittelbaren Leistungsabgabe aber doch den feinen Unterschied.

In 2,9 Sekunden auf Tempo 100

So pfeilschnell spurtet kein F8 Tributo dieser Welt aus dem Startblock. 2,9 Sekunden auf Tempo 100 erscheinen in der heutigen Supersportler-Welt nicht mehr vom anderen Stern, aber vergessen Sie nicht: Wir sprechen hier von einem rein hinterradgetriebenen Exemplar. Über den Preis spricht man bei Ferrari traditionell nur widerwillig. Wir verraten ihn trotzdem: Bei 283.185 Euro geht es los.
Lotus Emira V6
95.995 Euro kostet die First Edition der Emira mindestens. Kostete, müssten wir eigentlich sagen, denn sie ist längst ausverkauft. Dieses Jahr kommen ein Vierzylinder und die Basis-Ausstattung.
Bild: Lena Willgalis / AUTO BILD

Deutlich günstiger geht es da im kleinen Örtchen Hethel im Osten Englands zu, wo auch nach der Übernahme durch den chinesischen Konzern Geely sämtliche Lotus-Sportwagen gebaut werden.
Die Taktik ist ganz einfach: Lotus muss künftig Geld verdienen, und das funktioniert nicht mit alltagsuntauglichen Leichtbausportlern für hartgesottene Fans. Ein Reichweiten-Booster muss her, der vom nach wie vor intakten Renommee des Namens Lotus profitiert. Vorhang auf für den Eletre – ein fünf Meter langes, zwei Tonnen schweres Vollelektro-SUV. Also all das, was Firmengründer Colin Chapman die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.

Emira ist die Letzte ihrer Art

Aber: Auf der anderen Seite plant Geely, die Erlöse aus diesen in China gefertigten Massenmodellen zu nutzen, damit die Fabrik in Hethel echte Sportwagen bauen kann. Wie die 2000 PS starke Evija zum Beispiel – oder den Nachfolger dieses kleinen Schmuckstücks hier. Denn die Emira ist die Letzte ihrer Art. Der letzte Verbrenner, der letzte Handschalter und der letzte Lotus nach klassischer Bauart.
Wir sind ganz ehrlich: Wir hatten viel gehofft, aber viel erwartet hatten wir nicht. Schließlich haben die Briten lang nichts wirklich Innovatives mehr auf den Markt gebracht. Die Elise war auch nach über 25 Jahren für sich gesehen noch ein phänomenales Spielzeug, aber eben auch nicht mehr. Exige und Evora versuchten sich in anderen Extrembereichen, der eine als Tracktool, der andere als Alltags-Lotus – beide mit bescheidenem Erfolg.
McLaren Artura
Gewicht macht vielen Hybriden den Spaß kaputt. Nicht so bei McLaren: Der Artura wiegt schlanke 1498 Kilo bei 680 PS Systemleistung.
Bild: Lena Willgalis / AUTO BILD

Die Emira ist derweil keine Revolution, aber ein wirklich gut gemachtes Auto, das genau da Dinge richtig macht, wo der Evora bestenfalls halbherzig wirkte. Der Innenraum ist erstmals wirklich hochwertig gemacht, verfügt über moderne Technologie, und Ein-/Ausstieg erfordern ebenfalls keine zwei Jahre Yoga-Training. Und bei alldem hat sie sich dennoch vor allem dem Fahrspaß verschrieben.
Mit dem archaischen Kompressor-V6 aus Toyota-Produktion und der teils widerspenstigen Handschaltung entspricht sie ganz und gar nicht dem Zeitgeist – aber dem, wonach die Fans lechzen. Die Emira ist nicht das Auto, das heutige Kunden kaufen sollen, es ist das Auto, das die Kunden haben wollen. Vor allem weil danach nur noch Elektro kommt.

Fahrspaß ist bei der Emira Trumpf

In unserem Supertest konnte der 405 PS starke Sportler zwar nicht an die Rundenzeiten der direkten Konkurrenz heranschnuppern, aber was den Fahrspaß angeht, ist er ganz vorn bei der Musik. Keine anderthalb Tonnen Leergewicht und ein hinreißender Sound, der weder aufdringlich noch pubertär wirkt. Er ist einfach, was er ist: ein mechanischer Fahr-Athlet, der getreten, gerissen und in den Scheitel gezupft werden will.
Gerade in Verbindung mit dem bereits angesprochenen Sechsganggetriebe ist das nicht weniger als ein inneres Blumenpflücken. Gerade wenn man den Vergleich zur Automatikversion hat, deren Schaltpaddel selbst für Fahrer mit Basketballer-Pranken zu weit innen liegen und die schlicht keine Klick-Rückmeldung bieten. Ja, der Sechsgang-Handschalter verlangt nach viel Kraft im Arm, belohnt den Fahrer dafür mit einer tollen Rückmeldung.
Zwei Herangehensweisen, aber drei völlig unterschiedliche Charaktere. Das Fahrgefühl verbindet sie dennoch
Bild: Lena Willgalis / AUTO BILD

Zudem hat sich Lotus beim Fahrwerk nichts zuschulden kommen lassen: präzises Handling, schön dosierbare Bremse und ein agil am Limit tänzelndes Heck. Nur mit Lastwechseln hat die Emira so ihre Probleme, meinte zumindest Testfahrer Guido Naumann nach diversen Slalom-Durchläufen. Im Endeffekt egal, denn der Kunde entscheidet mit einem unterschriebenen Kaufvertrag.

Greenwashing durch E-Motor?

Auch im Hause McLaren dürfte man nicht unzufrieden ob der Verkaufsperformance des Artura sein. Es gibt nicht viele Hersteller, denen wir zutrauen, das Thema "Performance-Plug-in" im Sportfahrer-Sinne umzusetzen. Also: nicht zu viel Gewicht on top, nach wie vor agiles und mitteilungsfreudiges Handling sowie ein Sound zum Niederknien. Und bitte kein Marketing-Geschwafel zum Thema E-Reichweite!
Elektro finden wir gut, wenn es zum Boosten eingesetzt wird; nicht zum Greenwashing. Dass der Artura in der Praxis die angegebenen 5,5 Liter alle 100 Kilometer verbraucht, glaubt doch ohnehin keiner. Fürs grüne Gewissen haben McLaren-Kunden ein 15.000-Euro-Rennrad in der Garage stehen. Mit dem Supersportler kommt es auf den Spaß am Wochenende an.
Gut, dass wir gerade am Lausitzring sind. Halleluja, lenkt das Teil ein! Agiler Vorderwagen, rückmeldungsfreudige und direkt übersetzte elektrohydraulische Lenkung – so sind wir es von McLaren gewohnt, und daran ändert sich zum Glück auch nichts. Nur wer zu früh ans Gas geht und so Gewicht von der Vorderachse nimmt, erntet kurvenausgangs Untersteuern.
Sobald jedoch die Antriebskombination mit voller Wucht zuschlägt, geht der Hinterwagen kontrolliert in die Rotation, und der Artura streckt lasziv den Allerwertesten raus. Fein kontrollierbar in der Gasannahme und mit merklichem E-Schub.

Bissfeste Carbonkeramik mit fein dosierbarem Druckpunkt

Alles funktioniert extrem harmonisch und instinktiv. Das gilt auch für die Bremse: bissfeste Carbonkeramik mit fein dosierbarem Druckpunkt und keinerlei Ausfallerscheinungen auch nach mehreren schnellen Runden. So mögen wir die Zukunft. Innen dagegen verwirren uns die beiden plumpen Tasten-Knubbel in Flügelmutter-Form, die wie Ohren auf dem Instrumententräger sitzen. Ist den Designern da echt nichts Eleganteres eingefallen?
Der Rest ist mit seinen stark konkaven Tasten altbekannt, wenn auch mit merklich modernisiertem Infotainment. Die Verarbeitung ist auf hohem Niveau, das Lenkrad so puristisch es nur geht, und die durchgehende Schaltwippe dreht wie in der Formel 1 mit dem Lenkrad mit.

Downsizing nach gleichem Prinzip

Und warum haben wir jetzt den Huracán Tecnica oder die Corvette nicht zu diesem Vergleich hinzugebeten? Ganz einfach: Sie verwehren sich noch einem ganz offensichtlichen Trend im Sportwagenbereich: dem hin zum V6. Maseratis MC20 könnte man in diesem Atemzug noch nennen, aber die Italiener hatten zu diesem Zeitpunkt leider kein Auto für uns.
Ferrari, Maserati, McLaren – alle downsizen sie nach dem gleichen Prinzip, aber wenn die Resultate so aussehen, sich so anfühlen und sich vor allem auch noch so anhören, können wir damit nicht nur leben, dann feiern wir sie auch künftig gebührend. Und Lotus? Die machen dasselbe eine Etage tiefer, denn dieses Jahr kommt die Emira mit einem Zweiliter-Vierzylinder von AMG.