Manchmal sind de Ideen von uns Autojournalisten – formulieren wir es vorsichtig – nicht besonders originell. Vor allem aber sind es Kombis, die uns den Floskeldrescher fremdzustarten scheinen. Kaum streckt einem einer den kastigen Po entgegen, planen wir Familien, imaginieren als Staubsaugervertreter durch die Republik oder fesseln Billy in den Kofferraum, obwohl alles, was man je aus schwedischen Möbelkolonien entführt hat, ein Beutel Teelichter ist. Diesmal jedoch wird niemand verladen; eingeladen werden höchstens Sie, und die großen Klappen dienen nur als Bindeglied dafür, dass jeweils viel dahintersteckt. Zumal der Kombi, den wir den dreien mal ganz salopp unterstellt haben, sowieso keiner sein will.

Überblick: Alle News und Tests zum Ford Focus ST

Ford Focus ST Turnier
Knallroter Verfolger: Man sollte sich nicht wundern, wenn im Rückspiegel der Focus ST Turnier auftaucht.
Mercedes nennt den CLS einen Shooting Brake, Ferrari baut ihn als FF, und auch Ford ist rechtzeitig etwas eingefallen, um um den sperrigen Ausdruck herumzukommen. Turnier hätte die Realität sportlich schönfärben sollen, verbiss sich in den Erinnerungen der meisten dann aber doch eher als Taunus in schrillem Steingrau, wie sie früher gern mit Stukkateur-Zubehör überladen Richtung Baustelle rumpelten. Farbe bekommt die Sache jedenfalls erst jetzt, als Focus ST. Er ist der dritte Kom… – Verzeihung – Turnier, dem Ford das Sport Technology als Kürzel verleiht, aber nach den beiden Mondeo der erste richtig ernst gemeinte. Vorn ein schwarz lackierter Grill, dem banausisch Aufgelegte gern Ähnlichkeiten mit Zagato-Aston-Martins nachunken, hinten ein mittig gescheiteltes Endrohr, und dazwischen eine Silhouette, die ihre Erotik allein aus der Zweckmäßigkeit schöpft. 200 PS traut man ihm vielleicht noch zu, die 250, die er hat, im Leben nicht. Entsprechend verdattert scannen Vorausfahrer den Rückspiegel, wenn man ihnen den Zweiliter immer fester in die Waden beißt. Und genau dafür ist der ST gemacht.

Überblick: Heiße Sportler bei AUTO BILD SPORTSCARS

Ford Focus ST Turnier
Bequem nur für Zeitgenossen, die gut in Form sind: Die Recaros kneifen die Problemzonen im Hüftbereich.
Er ist keiner, der sich so ohne Weiteres an die Linie leinen lässt, nicht der, der Befehlen brav hinterherdackelt, sondern ein wilder Hund. Er knurrt, zerrt und zappelt. Mal fuchteln die 360 Newtonmeter wüst in der Lenkung herum, mal reißen sie ihm den Boden unter den Schlappen weg, mal ziehen sie einem die Ärmel lang. Im Nassen regelt sich die E-Sperre die Sensoren wund, trockene Straßen packt sie am Schlafittchen. Harmonisch ist anders, langweilig aber auch. Wer den Focus schont, wird mit Grünzeugsymbolen im Effizienzprogramm des Bordcomputers beschenkt; wer ihn behandelt, wie sich's gehört, hat das Unkraut binnen zweier Kilometer wieder restlos rausgerupft. Die griffige Lenkung reagiert scheitelpunktgenau, der Motor im Ansatz vielleicht einen Tick zu weich; ausdrehen will er nicht so recht, durchziehen dafür umso mehr; die sechs Gänge schüttelt man locker flockig aus dem Handgelenk, die Recaros kneifen die Problemzonen im Hüftbereich, während ein Soundsymposer das Ansauggeräusch zu einem derart dumpfen Prusten aufbläst, dass nicht nur Focus-RS-Infizierte – wozu sich offen gesagt auch der Autor zählt – den alten Fünfzylinder herauszuhören glauben. Die Quintessenz: Räume liegen oft näher, als man meint.Deutlich teurer – um genau zu sein, zwei ganze Passat Variant – kommt jedenfalls der CLS. Er ist der wohl einzige Kombi, der von sich selbst behauptet, ein Coupé zu sein. Diese Anmaßung scheitert streng genommen jedoch ebenso am Fünftür-Layout seiner Karosserie wie der Zusatz Shooting Brake, der – Zitat Pressetext – auf zweitürige Sportwagen mit großer Heckklappe zurückgehe. Alle Klarheiten beseitigt? Prima! Aufregend ist er – so oder so. Rundrücken, Mandelaugen, frauliche Ponton-Hüften und der Doppelturbo-V8 des 500ers, mit dem selbst einer wie er in die Herzen erzkonservativer Sacco-Jünger fährt.

Überblick: Alle News und Tests zum Mercedes CLS Shooting Brake

Mercedes CLS Shooting Brake
Nur wenige schieben so ordentlich: der Mercedes CLS Shooting Brake mit 4,6-Liter-Biturbo-V8 und 408 PS.
Den Laderaum legen sie ihm auf Wunsch mit Kirschbaum aus, das Cockpit ist weitflächig mit Pappel bedeckt, doch das meiste Holz hat er vor der Hütte. 4,6 Liter, 408 PS und 600 Newtonmeter als breites Hochplateau zwischen Talstation und Gipfelkreuz. Es gibt nicht viele, die schieben wie er. Und keinen in seiner Liga, der dabei so gelassen bleibt. Im Vergleich zum Focus, der einem seine Kraft als Böen entgegenbläst, kommt einem der Mercedes-V8 trotz Orkanstärke wie eine warme Brise vor. Dabei wirbeln seine Lader spontaner los, wehen langatmiger, dazu ungleich vehementer und drückten die 1,9 Tonnen wohl bis an die dreihundert heran, würde ihnen die Elektronik nicht bei zwofünfzig die Luft abschnüren. An den rahmenlosen Seitenscheiben bürstet der Streckenrand nach 16 Sekunden mit 200 km/h vorbei, die weiche Lenkung gleitet die Kartografie entlang, während der Wandler seine sieben Stufen ganz sanft an den Achtzylinder patscht. Getriebe und Dämpfer lassen sich schärfen, pfeffern querdynamisch tatsächlich nach, versalzen den sämigen Charakter aber nie. Man genießt ihn, schlemmt Drehmoment in raumhaftem Ambiente, lauscht kuschelrockiger V-Musik, walzert den Takt der Straße entlang, um sich schließlich von seinen Assistenz-systemen in den Arm nehmen zu lassen und gemeinsam heimzuschlendern.

Überblick: Alle News und Tests zum Ferrari FF

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Video: Ferrari FF V12

Der Familien-Ferrari

Keine Frage, der CLS taugt für ein romantisches Rendezvous, doch der Ferrari wirkt wie das "Ja!" auf die Frage "Zu mir?"! Dieser verschmitzte Blick, dieses verräterische Grinsen, ihr kirschrotes Pininfarina-Kleidchen, das Diffusor-Dekolleté und erst die Figur, die beweist, dass sich Vo-la-hi-ku nur erlauben kann, wer Italienerin ist. Drinnen ist Platz für vier, alles ist bis in den hintersten Winkel mit Leder belegt und duftet wie in einer dieser Edelboutiquen, wo die Zahl der Angestellten schon mal die der Artikel übersteigt. Das Kofferraumvolumen liegt auf dem Niveau eines C-Klasse-Coupés, der Hubraum höher als bei jedem AMG. Beifahrer dürfen sich mit einem eigenen Performance-Display trösten, für den Fond gibt's TFTs, doch der Thriller läuft vorn links. Die Story? Nichts Neues – Motor kämpft gegen Masse, und am Ende kriegen sie sich. Das Besondere sind das Drehbuch bis 8000 und die Spannung, die der FF daraus zieht. In den Hauptrollen: erstens ein charismatischer V12, der rekordverdächtig aus den Blöcken bustert; zweitens sein Komplize, der Doppelkuppler, der hier nicht ganz so brutal rüberkommt wie in seiner Rolle als Einpeitscher im 458; und zuletzt die brillante Fahrwerksabstimmung samt messerscharfer Lenkung, mit der die Geschichte immer wieder eine neue Wendung nimmt.
Regie führt man über das Manettino, den Soundtrack moduliert der Gasfuß, und Backstage zaubert das Allradsystem, das gänzlich ohne Verbindung zwischen den Achsen auskommt und nicht nur deswegen ein gehörige Portion Science Fiction ins Fahrgefühl mixt. Es gibt Autos, die sind nur 1300 Kilo schwer und schaffen es nicht, der Porsche zu sein, der sie so gern wären. Dieses hier wiegt fast zwei Tonnen und ist Ferrari durch und durch. Dass er ganz gut gehen würde, war abzusehen, wie er ums Eck geht, ist jedoch eine Sensation. Brottrocken, neutral und selbst dann noch linientreu, wenn das eigene Herz allmählich Richtung Hose rutscht. Wissen Sie, was ich meine? Dieses mulmige Gefühl, wenn alles auf einmal gleitzureiben beginnt? Im FF geben Sie dann einfach Gas, den Rest regelt er. Wie? Weiß der Kuckuck! Vielleicht liegt sein Geheimnis in der Drehmomentverschiebung, mit der er seinen Körper in Kurven gelenkt; vielleicht in der schnappigen Quersperre, vielleicht im Zusammenspiel beider, vielleicht aber auch einfach unterm Kopfkissen von Signore Montezemolo – als Gegenentwurf zur Massenphysik – ledergebunden, von Generation zu Generation weitervererbt, mit tanti saluti vom Commendatore himself und der streng gehüteten Formel, wie man Räume lebendig macht.

Fazit

von

Stefan Helmreich
Wen interessieren schon die Laderäume, wenn das, wo wirklich was drinsteckt, der Motor ist. Dennoch ist es wieder mal die Größe, um die sich am Ende alles dreht. Der CLS zeigt sie, im FF spürt man kein bisschen von ihr, und der Focus beweist als ST, dass man sie mit Talent kompensieren kann.

Von

Stefan Helmreich