Pickups sind im Grunde ihres Wesens höchst schlichte Gesellen, die vornehmlich für Dritte-Welt-Länder sowie Regionen mit statusbewussten Bewohnern gedacht sind. Denn in keiner anderen Fahrzeugklasse bekommt man so viel Auto fürs Geld. Pick-ups sind zwar groß, aber stets simpel konstruiert und gebaut, sodass auch Leute mit schmalem Geldbeutel ein richtig mächtiges Auto bekommen. 5,35 Meter misst beispielsweise der neue Ford Ranger. Daneben sieht ein doppelt so teurer Audi Q7 mit seinen 5,07 Meter Länge fast wie ein Mittelklassewagen aus. An sich ist gegen simple Technik rein gar nichts einzuwenden. Bei Pick-ups findet sie sich beispielsweise gern an der Hinterachse. Hier hat die blattgefederte Starrachse überlebt, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg als veraltet galt. Doch noch heute gilt, dass sie eine geniale Simpellösung für das Problem ist, einem Auto bei minimalem Kostenaufwand eine hohe Zuladung zu ermöglichen.

Überblick. Alle News und Tests zum Ford Ranger

Ford Ranger
Schlechter Bremser: Aus Tempo 100 kommt der Ford Ranger erst nach 41,3 Metern zum Stehen.
Einen permanenten Allradantrieb hat man den beiden Konkurrenten selbst in den Topversionen vorenthalten. Die Kräfte eines 200-PS-Fünfzylinders (Ford) und eines 231-PS-Sechszylinders (Nissan) müssen im Straßenbetrieb allein von der klobigen Hinterachse verkraftet werden, wenn man sicherheitshalber der bestmöglichen Bremsleistung und damit dem abgeschalteten Allradantrieb den Vorzug gibt. Dabei ergaben sich im Test bereits bei abgeschaltetem Allradantrieb höchstens durchschnittliche Bremsleistungen: Im Mittel kommt der Nissan aus Tempo 100 nach 40,0 Metern zum Stehen, der neue Ford nach 41,3 Metern. Wohl auch deshalb wird der Ford bei echten 180 km/h sanft tempobegrenzt, während der Nissan bei Vollgas 195 km/h rennt, bergab sogar die 200-km/h-Marke reißt. An Kraft mangelt es den beiden Pick-ups also wahrlich nicht. Schon der sympathisch knurrig tönende Fünfzylinder-Turbodiesel des Ford gefällt mit lässiger Kraft aus seinen 3,2 Liter Hubraum. Er entstand aus einem um einen Zylinder verlängerten Ford-Transit-Vierzylinder und fühlt sich wohl auch deshalb reichlich nach Nutzfahrzeug an.

Überblick: Alle News und Tests zum Nissan Navara

Nissan Navara
Besser motorisiert: Der V6-Diesel des Nissan Navara läuft geschmeidiger als der Ford-Fünfzylinder.
Der Motor läuft spürbar rau, wie auch der gesamte Antriebsstrang. Einen Schmusekurs fährt der neue Ford Ranger nicht. Nicht nur wegen des deftigen Dieselmotors und der zuweilen etwas unvermittelt schaltenden Automatik aus dem amerikanischen Ford Mustang. Auch das Fahrwerk vermittelt authentisches Lastwagengefühl. Lenkpräzision und Kurvenverhalten geben keinen Anlass zu großer Klage, aber der Federungskomfort bleibt auf der Strecke; der Ford bockt und hopst über kurze Unebenheiten. Schlecht verlegte Kanaldeckel lassen die ganze Karosserie erzittern. Dass man auch in einem Pickup etwas komfortabler unterwegs sein kann, zeigt der direkte Umstieg in den Nissan. Dessen von Mutter Renault stammende Pkw-V6-Diesel macht den Navara zwar kaum leiser als den Ranger. Aber der Sechszylinder läuft spürbar geschmeidiger, sanfter, ruhiger als der Ford-Fünfer. Und schließlich erweisen sich die 231 PS des Nissan nicht als leeres Versprechen, denn der 76 Kilogramm leichtere und 31 PS stärkere Navara zieht dem Ford Ranger beim Gasgeben in jedem Tempobereich davon – nicht weltbewegend, aber deutlich.Das Werksversprechen eines deutlich niedrigeren Dieselverbrauchs kann der Nissan dagegen im Test nicht einlösen. Statt der per Normverbrauch avisierten 0,9 Liter Unterschied/100 km ergaben sich bei unseren Messungen gerade einmal 0,3 Liter Differenz/100 km. Sonst zeigt auch der Nissan Navara exemplarisch die typischen Pick-up-Nachteile: Er hopst fast genauso untalentiert über Frostaufbrüche und Kanaldeckel wie der Ford. Und er ärgert im Alltag mit seinem riesigen Wendekreis von 14 Metern. Der Ford kommt hier immerhin mit gut einem halben Meter weniger aus.

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Ford Ranger Nissan Navara
Dass der Nissan trotz der Modellpflege vor zwei Jahren der deutlich ältere Pick-up ist, zeigt der Innenraum. Speziell der Aufenthalt auf der Rücksitzbank macht keine Freude. Es fehlt an Knieraum, vor allem aber an einer Rückenlehne mit menschenwürdiger Neigung. So hockt man hinten in unnatürlicher Position und hofft auf das baldige Ende der Fahrt. Ganz anders der sieben Jahre jüngere Ford: Vorn genießt man die betont hohe Sitzposition und die gute Übersicht, die Fondpassagiere freuen sich über reichlich Knieraum und eine wirklich bequeme Rückbank. Was die Pick-up-Hersteller ihren Topversionen mitgeben, wird damit klar: Das Besondere beschränkt sich auf drehmomentstarke Motoren für gutes Spurtvermögen sowie auf eine großzügige Serienausstattung. Die ist in der Tat großzügig: Beide treten ab Werk an mit flauschigen Teppichböden, elektrisch einstellbaren Ledersitzen, wirksamer Klimaautomatik, klangstarken Stereoanlagen, auftrittsbewussten 18-Zoll-Rädern und sogar mit Bildschirmnavigation und Rückkamera. Letztere nimmt man bei jedem der wegen der riesigen Wendekreise häufigen Rangiermanöver wirklich dankbar zur Kenntnis.
Was können diese Pick-ups noch? Sie sind trotz Luxusausstattung belastbare Arbeitstiere mit einer knappen Tonne Zuladung und mindestens drei Tonnen Anhängelast. Und sie haben keine Angst vor dem Ende des Asphaltbandes. Schließlich sind sie dafür gebaut, in Ländern mit rudimentärem Straßenbau jahrelang von einem Schlagloch ins nächste zu hüpfen. Massive Schutzplatte unter den Aggregaten und kräftig dimensionierte Fahrwerksteile zeigen, dass diese Pick-ups nichts gegen echte Arbeit einzuwenden haben Eine Geländeuntersetzung ist in beiden Fällen selbstverständlich. So geht beiden auf alpinen Almwegen selbst dann nicht die Kraft aus, wenn auch noch ein schwerer Anhänger den Berg hinaufgezerrt werden soll Man spürt förmlich, dass beide solche Schwerstarbeit geradezu gerne verrichten.

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Fazit

von

Martin Braun
Viel Auto fürs Geld: Ausstattungsbereinigt ist der 200-PS-Ford nicht teurer als ein vergleichsweise winziger VW Tiguan. Gegen den Nissan macht der Ford das Rennen, trotz seiner Komfortmängel. Sein 4500 Euro günstigerer Preis und die geräumigere Kabine bringen ihn nach vorn.

Von

Martin Braun