Überglücklich riss Lewis Hamilton seine Arme in die Höhe, dann streichelte der alte und neue Weltmeister sein Auto noch auf der Ehrenrunde und schluchzte über den Teamfunk: „Ich danke euch so sehr, so sehr. Meine Familie, ich liebe euch.” Im mitreißenden US-Thriller von Austin ließ sich der Brite auch von seinen wie entfesselt fahrenden deutschen Verfolgern nicht stoppen und krönte sich wieder zum Formel-1-Champion. Der 30-Jährige trotzte am Sonntag selbst mehrfachen Safety-Car-Phasen und gewann zum Abschluss eines völlig chaotischen Rennwochenendes den Großen Preis der USA vor seinem Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg und dem Ferrari-Piloten Sebastian Vettel. Damit ist Hamilton nach dem 43. Karrieresieg der dritte Titel seiner Karriere nach 2008 und 2014 in den noch ausstehenden drei Saisonrennen nicht mehr zu nehmen.
Krach bei Mercedes in Austin: Kappen-Zoff und Start-Stress
Hamilton
Hamilton jubelt auf dem Podium über den Sieg und seinen Titel: Rosberg und Vettel sind bedient
„Das ist der größte Moment in meinem Leben”, sagte ein ergriffener Hamilton, der in der Euphorie auf dem Asphalt rauchende Donuts drehte. Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff staunte. „Ein unglaublicher Wahnsinn. Mir fehlen einfach die Worte. Es ist gut, dass wir den Sack hier zugemacht haben”, sagte der Österreicher. „Mir tut es ein wenig für Nico leid”, Hamilton habe indes „unglaubliche Rennen abgeliefert, das Auto hat ihn nie im Stich gelassen, wie den Nico ein paarmal.” Tief geknickt reagierte auf dem Podium hingegen Rosberg: „Ich bin einfach nur riesig enttäuscht.” Vettel zollte Hamilton Respekt. „Er hat einen tollen Job geleistet”, resümierte der Heppenheimer. Vor der Siegerehrung kniete Hamilton noch sichtlich ergriffen nieder und scheute den Blick in die Kameras.
Lewis Hamilton im Portrait: Der alte und neue Weltmeister

Silberner Lackaustausch am Start

Zwei Stunden zuvor hatte, wie schon das ganze Rennwochenende über, nur der Himmel geweint. Das schlechte Wetter stellte die Fahrer, Teams und Fans in Austin auf eine Geduldsprobe. So musste das Qualifying wegen Regens und Sturms über Texas von Samstag auf Sonntag verlegt werden, ehe schließlich die finale Ausscheidung um die besten zehn Plätze abgesagt wurde. Nutznießer war Rosberg, der sich vor seinen britischen Teamkollegen auf die Pole setzen konnte. „Da ist irgendwas falsch mit den Vorderreifen”, klagte der Deutsche vor dem Start im halbwegs Trockenen über fehlenden Grip. Und aus der dritten Pole in Serie konnte der gebürtige Wiesbadener in einem hochspannenden Rennen keinen Profit ziehen.
Lewis Hamilton im WM-Interview: Konnte den Titel schon schmecken
Rosberg
Knallhartes Duell am Start: Hamilton (r.) zwängt sich vorbei an Silberpfeil-Kollege Rosberg (l.)
Hamilton zwängte sich gewaltsam an seinem Teamkollegen vorbei und setzte sich nach dem steilen Aufstieg der ersten Kurve an die Spitze des Feldes. Beide Silberpfeile touchierten sich sogar leicht, Rosberg musste ausweichen und fiel erstmal auf Rang fünf zurück. Hamilton saßen im 200. Rennen von Red Bull zunächst Daniil Kvyat und Daniel Ricciardo im Nacken. Nach einer Strafversetzung wegen unerlaubten Motorenwechsels nur von Position 14 in den Grand Prix gegangen, schob sich Sebastian Vettel Rang um Rang bis auf Platz sechs nach vorne. Der Heppenheimer wollte als Verfolger von Hamilton im Klassement noch seine vage WM-Chance erhalten. Nach dem Einsatz des Virtuellen Safety Cars in Runde fünf nahm Rosberg als Zweiter die Jagd auf Hamilton auf. Doch der Deutsche verbremste sich acht Umläufe später, Ricciardo schlüpfte vorbei. Kurze Zeit später kassierte der Australier sogar Hamilton.

Chaos-Wochenende endet mit Spektakel

Force-India-Mann Nico Hülkenberg, der später nach einer Karambolage ausfiel, dümpelte trotz Startplatz sechs nach einem Viertel des Rennens nur auf Position zehn umher. Rosberg indes kämpfte, überholte Hamilton und nahm nun Ricciardo ins Visier. Nach seinem ersten Reifenwechsel reihte sich der Brite sogar nur als Vierter vor Vettel wieder ein. Auf den profillosen Slicks wurde die Dominanz der Silberpfeile dann aber wieder offensichtlich. Hamilton überholte Ricciardo fast mühelos und machte Druck auf Spitzenreiter Rosberg. Vettel war Fünfter, Hülkenberg schon Siebter. Zur Halbzeit kam das Safety Car raus, das Feld zog sich zusammen. Rosberg behauptete auch nach dem Neustart vor Hamilton seine Führung. Vettel setzte sich nach einem Zweikampf mit seinem früheren Teamkollegen Ricciardo auf Platz drei.
Alle News aus Austin: Der USA GP im Splitter
Mercedes
Flieg in unsere Arme: Die Mercedes-Mechaniker feiern den alten und neuen Weltmeister im Ziel
Ein Viertel vor Rennende kam Rosberg während einer erneuten Virtuellen-Safety-Car-Phase an die Box - Hamilton blieb draußen. Eine riskante Strategie. In Umlauf 42 überholte Rosberg Vettel und schob sich auf den zweiten Platz. Zu diesem Zeitpunkt war der Führende Hamilton zum dritten Mal Weltmeister. Im Reifenroulette zog der Brite wie auch Vettel dann zwölf Runden vor Schluss während einer erneuten Safety-Car-Phase frische Pneus auf. Der Thriller von Texas spitzte sich dramatisch zu und schließlich unterlief Rosberg ein entscheidender Fahrfehler. Er kam kurz von der Strecke ab, was Hamilton sieben Runden vor Schluss nutzte, um an seinem Silberpfeil-Kontrahenten vorbeizugehen und seinem 43. Karrieresieg und dem dritten WM-Titel entgegen zu rasen. Vettel hätte den WM-Triumph Hamiltons noch verhindern können, wäre auch er noch an Rosberg vorbeigekommen - dies gelang ihm jedoch nicht mehr, sodass der alte und neue Weltmeister jubeln durfte. (fh/dpa)
Der WM-Stand nach Austin: Hamilton ist durch

Ergebnis - USA GP 2015 in Austin

1. Lewis Hamilton (England) Mercedes 1:50:52,703 Std. (Schnitt: 166,888 km/h)
2. Nico Rosberg (Wiesbaden) Mercedes +02,850 Sek.
3. Sebastian Vettel (Heppenheim) Ferrari +03,381
4. Max Verstappen (Niederlande) Toro Rosso +22,359
5. Sergio Perez (Mexiko) Force India +24,413
6. Jenson Button (England) McLaren Honda +28,058
7. Carlos Sainz jr. (Spanien) Toro Rosso +30,619
8. Pastor Maldonado (Venezuela) Lotus +32,273
9. Felipe Nasr (Brasilien) Sauber +40,257
10. Daniel Ricciardo (Australien) Red Bull +53,371
11. Fernando Alonso (Spanien) McLaren Honda +54,816
12. Alexander Rossi (USA) Manor +1:15,277 Min.
Ausfälle: Will Stevens (England) Manor (2. Runde); Valtteri Bottas (Finnland) Williams (6. Runde); Romain Grosjean (Frankreich) Lotus (11. Runde); Felipe Massa (Brasilien) Williams (24. Runde); Marcus Ericsson (Schweden) Sauber (26. Runde); Kimi Räikkönen (Finnland) Ferrari (26. Runde); Nico Hülkenberg (Emmerich) Force India (36. Runde); Daniil Kvyat (Russland) Red Bull (42. Runde)
Schnellste Rennrunde: Nico Rosberg (Mercedes) 1:40,666 Min.