Großer Schwede mit ärgerlichen Aufpreisen

Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben. Heißt im Autofalle: Der Markt ist abgegrast, bevor er überhaupt angeknabbert werden kann. Heißt aber auch: Wer aus den Fehlern der anderen lernt, der hat die Nase wieder vorn. Auch hier trifft der Volksmund punktgenau: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Volvo hat wirklich gut lachen. Zuerst macht der junge Schwede sich lang: Er übertrifft den BMW um 13, den Mercedes ML um 16 Zentimeter. Da der Fünfzylinder platzsparend quer zur Fahrtrichtung liegt, punktet er voll beim Raumangebot.

Die drei bis sieben Mehr-Zentimeter in der Breite fallen nicht so auf wie die knappere Höhe gegenüber dem ML: Sie lässt den XC 90 kämpferisch geduckt erscheinen. Auf Angriff ist er auch getrimmt: Eine so intelligent versteckte dritte Sitzreihe haben wir bisher höchstens im Opel Zafira gesehen. Allerdings: Da sie 1200 Euro Aufpreis kostet, haben wir dieses Extra nicht bewertet. Auch nicht, dass der Kindersitz in der Mitte der zweiten Bank sogar noch längs verschiebbar ist (nur Siebensitzer). Und wenn Babys Beinchen wachsen, dann kann die Mittelkonsole sogar ganz ausgeklinkt werden (130 Euro).

Doch denken wir an Papi und Mami. Die werden sich wundern, dass sie in dieser Preisklasse elektrisch verstellbare Vordersitze extra bezahlen müssen. Immerhin ist bei allen dreien das Lenkrad verstellbar (ML nur in der Höhe), eine in dieser Jahreszeit angenehme Sitzheizung aber kostet Aufpreis oder ist nur in den Topversionen gratis.

Motor und Fahrwerk

Zum Glück sind bei dieser Preis-Politik die Motoren noch serienmäßig. Vorteil BMW: Sein Reihensechser zeigt der Konkurrenz, dass München weiterhin die Maßstäbe in Leistungsentfaltung und Laufruhe setzt. Wenngleich der kleinere Mercedes-Benz dank kräftigem Turbo fast das identische Drehmoment (400 zu 410 Nm) an die vier angetriebenen Räder liefert. Der 2,4-Liter-Volvo könnte bei beiden Konkurrenten Nachhilfe nehmen, er rackert sich mit den 2,17 Tonnen kräftig und recht lautstark ab.

Nun sind diese Autos an sich für die USA gemacht. Dort zählt Komfort viel mehr als Leistung. Auf endlosen Highways will man kommod geradeaus schnüren. Das sanfte Rauschen der Klimaanlage (Mercedes und Volvo serienmäßig sogar mit Klimaautomatik) verbindet sich einschläfernd mit dem Säuseln des Fahrtwinds, der Horchposten meldet übrigens im BMW die meiste Ruhe, da naht irgendwann eine Kurve ... Viele sanft gefederte und hochbeinige Langstreckenläufer kippen jetzt aus den Latschen, stellten die Volvo-Unfallforscher fest, weil die Fahrer übermüdet seien, ihre Aufmerksamkeit sich irgendwo zwischen Cassettendeck und Cupholder ausruhe.

Nun aber wird der Schwede wach: Ein Kreiselsensor misst ständig Neigungswinkel und -geschwindigkeit. Droht ein Überschlag, dann nimmt DSTC (Dynamic Stability and Traction Control) abrupt Gas weg und bremst die Räder, die noch Bodenkontakt haben. Ein erweitertes ESP sozusagen, das wir natürlich im Ausweich-Test ausprobieren mussten. Elch-Erfahrung: super. Was da auf den 235er-Conti Premium Contact abgeht, hat absolutes BMW-Niveau. Präzise nimmt der XC die Ecken, irgendwo weit unten hört man die Sicherheitssysteme emsig schuften. Kompliment an die Volvo-Entwickler: Sowohl Lenkung als auch Fahrwerk sind seit der Vorstellung im August (Heft 33/02) spürbar besser geworden.

Von 100 auf 0 in 40 Metern

Bei so viel Sicherheit ein Blick auf die Bremswege: Um die 40 Meter aus Tempo 100 sind nicht gerade rekordverdächtig, ein Porsche Cayenne schafft schon unter 39 Meter. Apropos Meter: Mit 11,9 bis 12,7 sind die Wendekreise alles andere als parklückenfreundlich. In unseren Citys kurbelt man sich da einen Wolf. Jaja, solche Probleme sind den Amis mit ihren Parkplätzen im Flughafenformat fremd. Aber die drei wollen ja auch Reisewagen mit guten Eigenschaften für den kleinen Offroad-Hunger zwischendurch sein.

Den Klettertrieb testen regelmäßig die Kollegen von "AUTO BILD alles allrad", sie attestieren dem ML dank Leiterrahmen und Getriebeuntersetzung die besten Schlechtwege-Chancen im Trio. Preislich sind sich die drei ziemlich einig, wenngleich der XC 90 ab Herbst mit Schaltgetriebe (derzeit nicht lieferbar) statt Automatik sogar 2000 Euro billiger wird.

Doch auf den Schweden müssen Interessenten ohnehin länger warten, denn für dieses Jahr ist der erste zivile Volvo-Geländewagen völlig ausverkauft. Doch auch dafür weiß der Volksmund Rat: Was lange währt, wird endlich gut.

Technische Daten

Diese Zahlen belegen wieder einmal die These, dass Hubraum durch nichts zu ersetzen ist. Mit seinem Dreiliter setzt sich BMW an die Spitze, 410 Newtonmeter Drehmoment ab 2000 Touren sind schon ein rechtes Pfund. Verblüffende 400 Nm leistet der hubraumkleinere Mercedes-Benz. Er schleppt aber kräftig an seinem Leergewicht. Der Volvo schafft "nur" 340 Nm, das reicht hier für den dritten Platz.

Preise und Ausstattungen

Rund 40.000 Euro: Dafür kann man eine Menge verlangen. Ärgerlich deshalb die magere Komfortausstattung bei BMW und Mercedes. Der Volvo kommt etwas üppiger ausgestattet daher – und ist mit 38.600 Euro der Günstigste im Bunde.

Fazit und Wertung

Fazit Volvo hat den SUV zwar nicht neu erfunden, jedoch mit vielen pfiffigen Ideen und einem prima Fahrwerk angereichert. Deshalb verblüfft es kaum, wenn die Schweden auf Anhieb den ersten Platz erreichen. In dieser Klasse werden zwar nicht die Mega-Stückzahlen gemacht, aber sie gilt als Image-Faktor. Und gerade an dem arbeitet Volvo seit Jahren überaus erfolgreich.