Die Wette gilt! Laut VW soll der neue Variant nur jeden fünften Golf-Käufer für sich begeistern. Doch ich halte dagegen. Der kompakte Kombi, der ab Ende April 2013 bestellt und ab August in Empfang genommen werden kann, bietet nämlich nicht nur deutlich mehr Nutzwert. Nein, dieser Golf Variant sieht auch noch unverschämt gut aus. Das praktische Kasten-Heck wurde nicht – wie beim Vorgänger oft vermutet – nachträglich angeklebt, sondern von Anfang an mit eingeplant. Entsprechend harmonisch und trotz allen Nutzwerts auch elegant steht der Golf Kombi denn auch im Studio, wo AUTO BILD ihm als Erster aufs Blech rücken durfte.
VW Golf
Ansprechender Variant: Der Fünftürer fällt gegenüber dem Kombi optisch leicht ab.
Mitgebracht haben wir den kleinen Bruder, einen Standard-Golf. Der Fünftürer fällt gegenüber dem Kombi optisch leicht ab. Besonders von hinten erscheint der Variant einfach stattlicher und dynamischer. Doch wir haben den fünftürigen Golf natürlich nicht für eine Designkritik mit ins Studio gebracht. Der deutschen liebstes Automobil dient vielmehr als hauseigener Maßstab für den neuen Variant. Was kann der Kombi wirklich besser, wo bietet er handfeste praktische Vorteile – und in welchen Situationen erweist sich der lange Lademeister als die schlechtere Wahl? Bis zur B-Säule findet selbst das aufmerksame Auge kaum Unterschiede. Wie auch? Abgesehen davon, dass der Radarsensor des Abstandstempomaten künftig wie am Variant eine quadratisch-flache Form aufweist und nicht wie noch beim Fünftürer halbkugelig aussieht, gibt es nur geringe Abweichungen. Und die Gemeinsamkeiten reichen sogar noch weiter nach hinten, zumindest innen. Weil der Kombi zwischen den Achsen mit 2637 Millimetern exakt so viel Luft lässt wie das Schrägheck, konnten wir auch auf der Rückbank keine Differenzen feststellen. Das bedeutet im Klartext: Selbst fast zwei Meter lange Menschen fühlen sich in der zweiten Reihe gut untergebracht, für Kopf und Knie bleibt ausreichend Raum. Zur Not arrangieren sich auf der bequemen Bank auch drei Gäste.
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Bis zur B-Säule und beim Radstand identisch: Erst dahinter zeigen Limousine und Variant Unterschiede.
Erst ganz am Ende verraten Golf und Golf Variant, dass sie trotz gleicher Herkunft keine Zwillinge sind. Die charakteristische C-Säule des Golf verschiebt sich beim 31 Zentimeter längeren Variant entsprechend nach hinten und wird zur D-Säule. Sie verliert dabei erfreulicherweise ein wenig an Massivität, sodass der Fahrer beim Schulterblick tatsächlich mehr sieht.  Doch das ist nur ein schöner Nebeneffekt der Golf-Verlängerung. Genau wie die Chromleiste unterhalb der Seitenfenster, die es nur für den Variant Highline gibt – beim Fünftürer schimmert hier dezentes Schwarz. Sobald wir die Heckklappe öffnen, erschließt sich die wahre Bestimmung des Variant. Schließlich kommt der gesamte Längenzuwachs dem Gepäckabteil des Kombis zugute. Und bei 31 Zentimetern mehr oder weniger ist die Größe eben doch entscheidend. Im Variant verschwinden allein unter dem in zwei Stufen öffnenden Gepäckrollo 605 Liter. Nicht mal ein Passat Variant schluckt mehr, der normale Golf hat schon bei 380 Litern genug – da müssen die letzten beiden Reisetaschen zu Hause bleiben. Noch eindrucksvoller stellt der Variant sein Transporttalent unter Beweis, wenn die Fondlehne umgelegt wird.
Schon das Umklappen selbst funktioniert besser als beim normalen Golf: Obwohl die Klappmechanik mit asymmetrisch geteilter Lehne, doppeltem Boden und deshalb ebener Fläche im Prinzip völlig gleich ist, kann der Variant mehr. Zwei unscheinbare Hebel links und rechts hinter der Heckklappe lassen die federvorgespannte Lehne wie von Geisterhand zu Boden sinken. Sehr praktisch, wenn beim Beladen zehn Zentimeter fehlen und nur so gerade eben eine Hand frei ist. Im Fließheck heißt es an dieser Stelle einen langen Arm machen und den Hebel an der Lehne greifen – oder die nette Nachbarin fragen.
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1620 Liter gegen 1270 Liter: In Sachen Transporttalent ist der Kombi selbstverständlich die erste Wahl.
Angesichts eines maximalen Ladevolumens von 1620 Litern wäre eine helfende Hand beim Verstauen des Gepäcks ohnehin hilfreich. Denn auch wenn der große Bruder Passat Variant mit 1731 Litern noch mal einen Koffer mehr schluckt, taugt der Kombi-Golf im Vergleich zu den 1270 Litern des Schräghecks fast schon für Umzüge (bei Single-Haushalten) oder ausgedehnte Urlaube (dann auch gern mit der Nachbarin). Doch der Variant wäre ja kein echter Volkswagen, wenn er uns das Beladen nicht auch selbst erleichtern würde. So öffnet die Heckklappe einen Hauch höher als die des Fünftürers. Zugegeben, wir reden hier nur von 4,5 Zentimetern Höhenunterschied. Wenn man wie der Autor allerdings 1,97 Meter misst, entscheidet diese Winzigkeit mitunter übers Aua oder Nicht-Aua. Vor allem, und nicht nur für kleinere Autofahrer, dürfte ein anderer Wert von größerem Interesse sein: die Höhe der Ladekante. Müssen Koffer und Kisten beim Fließheck auf 67 Zentimeter angehoben werden, erspart uns der Kombi die letzten fünf Zentimeter des Gewichthebens. Auch das klingt erst mal, als sei es nicht der Rede wert, erweist sich aber spätestens ab der fünften Getränkekiste als durchaus relevantes Maß. Insbesondere Bänder und Bandscheiben werden das zu schätzen wissen.
 
Weitere Details zu den beiden Golf-Brüdern gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen lesen Sie in AUTO BILD 10/2013. 
Das Ergebnis liefert keine Überraschung, wohl aber eine klare Einordnung des neuen Golf Variant. Mit ihm präsentieren die Wolfsburger ein durch und durch stimmiges Kombi-Konzept, das sich am Ende verdient gegen seinen klassischen Fließheck-Bruder durchsetzt. Der geringe Vorsprung des Variant zeigt, wie gut der Golf im Kern ist.