Hymer Free S 600 und Westfalia Sven Hedin im Vergleich
Zwei Typen mit Charakter
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In der Bus-Klasse räumen VW und Mercedes-Benz mit California und Marco Polo stückzahlmäßig ab. Bei den Kastenwagen führen Crafter und Sprinter eher ein Nischendasein – warum nur? Die sind so gut!
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Das waren noch Zeiten, als Camper auf waschechten Nutzfahrzeugen aufbauten! Ich weiß noch, wie froh ich als junger Volontär im Caravaning- Business war, wenn ich ein Mobil auf VW T3 fahren durfte.
Der Crafter (mit dem der MAN praktisch baugleich ist) hieß noch LT und war ein vergleichsweise hartgesottener Lärmbolzen. Ende der 1980er war das – also noch nicht so lange her.
Die Mercedes-Chassis aus der Zeit – MB 100 D und T1 ("Bremer Transporter") – waren sogar noch robuster im Umgang. Und dann kam die zweite Generation des Fiat Ducato! Etwa zwei Drittel aller Wohnmobile basieren heute auf dem Italiener, der aber in die Jahre gekommen ist. (Neues Hymer-Wohnmobil: Tramp S 585 im Check)
Eine Chance für den VW Crafter, seinen MAN-Bruder TGE sowie den Mercedes Sprinter, ihre Vorzüge zu zeigen. Wie gut sie sind, zeigt ein Vergleich zwischen Hymer Free S 600 und Westfalia Sven Hedin.
Hymer Free S 600: Kurz und knackig
Auf der Sitzbank des Hymer muss man sich etwas zusammenkuscheln, damit es für zwei passt.
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Homer Free, das ist die coole Camperreihe aus Bad Waldsee: kompakt, innovativ und bei Weitem nicht so gediegen wie die größeren Reisemobilmodelle von Hymer. Und der S 600 ist sozusagen die Krönung der ganzen Baureihe.
Unser Testwagen wirkt sehr elegant in Schwarz und ist mit Hochdach plus Aufstelldach ausgerüstet. Eine wirklich clevere Lösung, die schon im Normalzustand eine vernünftige Stehhöhe bietet und zusätzlich noch zwei Schlafplätze im Obergeschoss besitzt. Das allein schlägt allerdings mit 4490 Euro zu Buche, und die Gesamthöhe des Fahrzeugs wächst zudem auf beachtliche 2,87 Meter.
Technische Daten
Westfalia Sven Hedin
Hymer Free S 600
Motorisierung
Motor/Bauart/Zylinder/Einbaulage
Hubraum
kW (PS) bei U/min
Nm bei U/min
Höchstgeschwindigkeit
Getriebe
Antrieb
Bremsen vorn/hinten
Testwagenbereifung
Reifentyp
Tankinhalt/Kraftstoffsorte
Anhängelast gebremst/ungebremst
Länge/Breite/Höhe
Radstand
Grundpreis (mit Basismotor)
Testwagenpreis
3.180
Diesel/in Reihe/
vier/vorn quer
1968 cm3
130 (177) bei 3600
410 bei 1500
158 km/h
8-Stufen-Wandlerautomatik
Vorderrad
Scheiben/Scheiben
235/60 R 17 C
Continental Van Contact
75 l/Diesel + 18 l AdBlue
3000/750 kg
5986/2040/2670 mm
3640 mm
61.900 Euro
82.312 Euro
314 CDI
Diesel/in Reihe/
vier/vorn quer
2143 cm3
105 (143) bei 3800
330 bei 1200
145 km/h
9-Stufen-Wandlerautomatik
Vorderrad
Scheiben/Scheiben
225/75 R 16 CP
Continental Van Contact
65 l/Diesel + 22 l AdBlue
2000/750 kg
5930/2060/2870 mm
3920 mm
56.955 Euro
79.915 Euro
Das ist der Hymer Free
Ein Luxuscamper für Kunden, die auch im Kastenwagensegment Außergewöhnliches erwarten. Und davon bietet der Free S 600 so einiges. Das fängt schon mit dem Basisfahrzeug an.
Ein Mercedes muss es sein, na klar! Der modernste Transporter, den man derzeit kaufen kann. Mit Assistenzsystemen so zahlreich und modern, wie man es sonst nur von Oberklasselimousinen kennt: Abstandsregeltempomat (1290 Euro) oder Totwinkelassistent (590 Euro) etwa.
In Schienen aufgehängte Leuchten sorgen für genügend Helligkeit auch bei der Nachtlektüre.
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Dazu Multifunktions-Lederlenkrad (250 Euro), großer Bildschirm mit dem tollen Multime-diasystem MBUX (2590 Euro), Rückfahrkamera (500 Euro), Sitze mit guter Seitenführung, einstellbarer Beinauflage und Armlehnen. Einfach spitze!
Das große Kontrollpanel sitzt griff- und sichtgünstig im Dachhimmel zwischen Fahrer und Beifahrer. Der Durchgang nach hinten fällt dank des Hochdachs sehr luftig aus. Der unebene Boden kann jedoch zur Stolperfalle werden, wenn man nicht aufpasst. Hier also Vorsicht!
Das hat der S 600
Einen durchdachten und sehr routinierten Ausbau. Der Grundriss ist klassisch geschnitten mit Zweiersitzbank, Tisch, schmalem Küchenblock, Bad und Querbett im Heck.
Aufbau
Westfalia Sven Hedin
Hymer Free S 600
Außenmaterial Wand/Dach/Boden
Isoliermaterial Wand/Dach/Boden
Wandstärke Wand/Dach/Boden
Fenster
Dachhauben
Herd
Kühlschrank/Eisfach
Modell Toilette
Sitzplätze/mit Dreipunktgurten
Heizung
Steckdosen 12 V/230 V/USB
Leuchten
Aufbaubatterie
Frischwassertank
Abwassertank
Gasvorrat
jeweils Stahlblech
PU/PU/PU
25/25/28 mm
4
3
Gas, 2 Flammen
Kompressor, 70/- l
Thetford C 260
04. Apr
Eberspächer Hydronic 4,8 kW + Wärmetauscher für Boiler
01.02.02
11
AGM, 12 V/92 Ah
100 l
84 l
1x 6 kg
Stahlblech/GfK/Stahlblech
PE/XPS/PE
16/23/18 mm
5
-
Gas, 2 Flammen
Kompressor, 90/6,5 l
Thetford C 400
04. Apr
Truma Combi 4
03.02.02
16
AGM, 12 V/95 Ah
110 l
85 l
1x 5 + 1x 11 kg
Im Vergleich zum sehr automotiven Auftritt des Sven Hedin wirkt der Hymer eher wie ein Wohnmobil: Neben den bequemen Frontsitzen sorgen stoffbespannte Wände, vollwertiger Küchenblock, sogar mit Arbeitsplatten-Erweiterung, Oberschrank und separat eingebauter, klassischer Kühlschrank für Wohnlichkeit.
Dazu kommen noch der praktische Waschraum, ein kleiner Kleiderschrank und ein Spiegel an der Badwand.
So fährt der Homer Free
Wie in einer anderen Dimension – einsame Spitze! Total komfortabel und sicher. Auch im Slalom oder Ausweichtest gibt es keine Klagen. Das ESP greift stets zügig und sicher ein.
Wenn das Bett hochgestellt ist, lässt sich der Laderaum auch für sperrige Güter nutzen.
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Westfalia Sven Hedin: Klar und fordern
Sven Hedin, das ist ein echter Klassiker in der Reisemobilbranche. Namensgeber ist der schwedische Geograf und Entdecker Sven Anders Hedin (1865-1952), der waghalsige Expeditionen in die Gebirge und Wüsten Zentralasiens unternahm.
Ursprünglich auf VW- LT-Basis, rollt die aktuelle Ausgabe des geräumigen Kastenwagens aus Ostwestfalen auf dem VW-Crafter-Zwilling MAN TGE.
Das ist der Sven Hedin
Ein First-Class-Campervan mit toller Historie. Schon die Begrüßung im Cockpitdisplay mit "Willkommen"-Schriftzug und Löwensymbol ist eine Show.
Auch beim Sven Hedin ist der Innenraum optional durch eine luftdurchlässige Schiebetür vor Mücken geschützt.
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Ansonsten ist die Verwandtschaft zum VW offensichtlich: Armaturenträger, Cockpit, Sitze – alles so, wie man es vom Crafter kennt. Dazu kommen viele tolle Details vom Campingspezialisten Westfalia, der auch Modelle von Mercedes oder Ford ausstattet: supersolider Möbelbau sowie eine durchdachte Ausstattung mit vielen praktischen Helfern.
Geradezu ingeniös ist zum Beispiel die Lösung der Bettverlängerung. Anders als der Hymer mit seinen Ausbuchtungen hinten ist der Sven Hedin während der Fahrt dort schmal. Nur wenn das Querbett gebraucht wird, lässt man auf Knopfdruck die Erweiterung herausfahren. Das bringt die letzten notwendigen Zentimeter.
Das hat der Westfalia
Einen klassischen Kastenwagenausbau, allerdings in der Massiv-Ausführung. Die ergonomisch gut konturierte Zweiersitzbank lässt sich für eine bequemere Sitzposition einige Zentimeter vorfahren; dann stehen die Sitzlehnen nicht mehr so steil.
Gesalzene Preise hatten sie schon immer – heute aber bieten die Premium-Transporter Komfort auf Pkw-Niveau.
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Der solide Tisch mit Erweiterung reicht für vier Personen. Während der Fahrt kann er einen dafür vorgesehenen Platz im Heck unter dem Bett einnehmen. Die lange und schmale Küchenzeile mit Zweiflammherd bietet deutlich mehr Arbeitsfläche als die im Hymer. An ihrer Stirnseite sitzen drei Schubfächer, das obere mit Besteckeinsatz. Die beiden unteren gehören zum Kompressorkühlschrank.
Stauraum gibt es zudem auf der Vorderseite in drei Schubfächern und einem Schränkchen. Dort befindet sich auch der Gas-Absperrhahn. Einen Oberschrank gibt es nicht, nur drei offene Fächer in der Wand. Sehr angenehm: die dieselbetriebene Warmwasserheizung mit serienmäßig vier Konvektoren, die noch um eine Fußbodenheizung ergänzt werden kann.
So fährt der Hedin
Spitzenmäßig – wenn auch eine deutliche Spur straffer als der Sprinter. Dadurch fühlt sich der TGE im Slalom und im Ausweichtest viel griffiger und fahraktiver an.
Fazit
von
AUTO BILD
Wir haben hier zwei wahre Prachtexemplare unter den Kastenwagen. Beide auf höchstem Niveau: der wohlfühlig-komfortable Hymer und der perfekt-schlichte Westfalia. Welcher von beiden der Sieger ist? Da entscheidet der persönliche Geschmack. Einen gut gefüllten Geldbeutel verlangen beide.