Heimlich, still und leise – das trifft gleich in mehrfacher Hinsicht auf den neuen Hyundai Ioniq zu. Hyundais neue Plattform für alternative Antriebe wurde vor wenigen Jahren eher wie eine Randnotiz angekündigt. 2015 gab's dann ein paar Teaser-Bilder, und Anfang 2016 feierte das Auto auf dem Genfer Salon Premiere. Der Ioniq ist bereits in einer rein elektrischen Variante sowie als Hybrid auf den Markt, der Plug-in-Hybrid zum Aufladen an der heimischen Steckdose gesellt sich im zweiten Halbjahr 2017 hinzu. Die beiden erstgenannten Varianten hat AUTOB TEST erprobt.
Überblick: Alles zum Hyundai Ioniq

250 Kilometer elektrische Reichweite sind realistisch

Hyundai Ioniq
Die geschlossene Kühlermaske und die kupferfarbenen Zierleisten kennzeichnen die rein elektrisch angetriebene Variante des Ioniq.
Unheimlich still und sehr leise lässt sich die Fahrt im Ioniq Electric an. Den erkennen Sie an den kupferfarbenen Zierelementen rund ums Auto und dem geschlossenen Kühlergrill. Dahinter sitzt ein Permanentmagnet-E-Motor mit 88 kW Leistung und bis zu 295 Newtonmeter Drehmoment – und der braucht eben längst nicht so viel Frischluft wie ein herkömmlicher Verbrenner. Der "Tank" des Ioniq Electric fasst 28 kWh elektrischer Energie, gespeichert in einem Lithium-Polymer-Akku. Diese Technologie spart Gewicht, erlaubt schnellere Ladezeiten, lässt flexiblere Bauformen zu und hat einen weniger stark ausgeprägten Memory-Effekt. Insgesamt soll das Auto mit einer Ladung 280 Kilometer weit kommen. Das konnten wir noch nicht überprüfen, aber nach unserer etwa zweistündigen Testfahrt erscheinen uns 250 Kilometer bei konzentriertem Einsatz der Rekuperationsbremse als durchaus realistisch.

Schaltwippen regeln Bremswirkung und Energierückgewinnung

Der Elektromotor überträgt seine Kraft mithilfe eines einstufigen Reduktionsgetriebes an die Vorderräder, eine Motorbremse im klassischen Sinne gibt es also nicht. Dennoch trägt der Ioniq "Schaltwippen" hinterm Lenkrad. Damit lassen sich Bremswirkung und Energierückgewinnung des Elektromotors in vier Stufen regeln – der entsprechende Effekt tritt immer dann ein, wenn der Fahrer vom Gaspedal geht. Auf Level null verzichtet die Technik auf jegliche Rekuperation, der Wagen "segelt" mit minimalen Widerständen weiter, wie bei einem modernen Automatikgetriebe mit Freilauf. In der stärksten Stufe geht ein leichter Ruck durchs Auto, als würden Sie in einem Handschalter bei 2500 Touren zwei Gänge runterschalten. Die Verzögerung erfolgt spürbar, die kinetische Energie wird in elektrische Energie umgewandelt und in den Akku zurückgespeist. Im Mitteldisplay wird der Stromfluss auch grafisch dargestellt. Regulär, also via Kabel, lädt sich der Akku an einer herkömmlichen Steckdose (230 Volt) in rund zwölf Stunden auf, an einer Wallbox mit 6,6 kW dauert die Vollladung 4,5 Stunden, an Schnellladesäulen mit 50/100 kW stehen rund 80 Prozent der Kapazität nach 30 beziehungsweise 23 Minuten wieder zur Verfügung.

295 Newtonmeter drücken den Elektro-Fahrer sanft in den Sitz

Hyundai Ioniq
Das Fahrwerk dämpft die meisten Unebenheiten weg. Dank des tiefen Schwerpunkts bleibt der Ioniq zudem sehr lange neutral.
Mit einem Schalter in der Mittelkonsole lassen sich drei Fahrmodi wählen: Eco, Normal, Sport. Die Unterschiede zwischen den ersten beiden Einstellungen sind gering, hier muss sich der Fahrer mit 265 Nm begnügen; erst im Sport-Modus steht das maximale Drehmoment von 295 Nm bereit, im teildigitalen Kombiinstrument ändert sich dann die Darstellung. In Sport gelingt der Sprint auf 100 km/h in 9,9 Sekunden, drei Zehntel schneller als in Eco oder Normal. Aber schon das geringere Drehmoment genügt, um den Fahrer beim Antritt sanft in die Polster zu pressen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt generell 165 km/h – ein annehmbarer Wert für ein E-Auto. Auch über die reinen Werte hinaus gibt sich der Ioniq fahrdynamisch kaum Blößen. Das Fahrwerk arbeitet im Stillen und dämpft die meisten Unebenheiten sanft weg. Dank des tiefen Schwerpunkts bleibt das Fahrzeug sehr lange neutral; um Untersteuern zu provozieren, ist echter Mutwille vonnöten. Die elektrisch unterstützte Zahnstangenlenkung arbeitet zwar recht präzise, aber rückmeldungsarm – eine generelle Hyundai-Schwäche.

Hybrid: Der Verbrenner mischt sich schnell ein

Hyundai Ioniq Hybrid
Typisch Hybrid: Der Hyundai Ioniq rollt elektrisch los, dann übernimmt der Verbrenner mit sanftem Zittern den Job.
Der 50 Kilo leichtere Hybrid erreicht mit 185 km/h eine deutlich höhere Endgeschwindigkeit als der Elektro, dafür benötigt er für den Sprint auf Tempo 100 neun Zehntelsekunden mehr. Davon abgesehen lässt sich der vorausgegangene Absatz in weiten Teilen auf die Hybridversion übertragen. Deren Systemleistung von 141 PS und 265 Nm generieren ein 1,6-Liter-Vierzylinder (105 PS/147 Nm) und ein E-Motor (32 kW/170 Nm). Die Kraft wird von einem neu entwickelten, richtig guten Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe übertragen. Die Ganganschlüsse erfolgen nahezu lückenlos, dazu hat es ohne große Denkpausen nahezu immer den richtigen Gang parat. Via Tastendruck lässt es sich zwischen den Modi Eco und Sport variieren. Im Sportmodus werden die unteren Gänge des Doppelkupplungsgetriebes etwas weiter ausgedreht, die Vortriebskräfte von Benzin- und Elektromotor kombiniert. Das liest sich spektakulärer, als es sich anfühlt, der Effekt verpufft etwas. Im Stadtverkehr übernimmt der E-Motor das Anfahren, allerdings springt ihm der Verbrenner bei flotter Schrittgeschwindigkeit sofort bei. Auch mit behutsamstem Gasfuß ließ sich die Elektronik nicht weiter locken.

Hyundais Ioniq fährt sicher und ist chic eingerichtet

Hyundai Ioniq
Das Cockpit schmücken ökologische Verbundstoffe aus Holz, Kunststoff und Vulkangestein. Die Verarbeitung ist gut.
Insgesamt haben wir uns im Ioniq wohlgefühlt. Die erste Reihe bietet ausreichend Platz und Einstellmöglichkeiten, der Fond fällt dagegen knapp aus. Dem Ladeabteil fehlt es aufgrund der Einbaulage der Akkus etwas an Tiefe, der Stauraum von 350 bis 1410 (Elektro) beziehungsweise 443 bis 1505 Liter geht für die Kompaktklasse aber vollkommen in Ordnung. Im Interieur besorgt ein wohlig naturverbundener Materialmix aus recycelten Kunststoffen, pulverisiertem Holz und Vulkangestein den ökologischen Anstrich. Zugleich hilft der Verbund, 20 Prozent Gewicht zu sparen. Kleiner Tipp: Hybrid-Kunden sollten das schwarze Interieur wählen, die Ausführung in Beige wirkt eher gewollt und weniger edel, als sie anmuten soll. Das Elektro-Innere ist stets in Schwarz, mit bronzenen oder silbernen Applikationen, ausgeführt. Ansonsten fallen die Wahlmöglichkeiten gering aus. Außer den zwei Linien Style und Premium bleiben für das Hybridmodell noch 17-Zoll-Räder (400 Euro, Style) oder sechs (Elektro) beziehungsweise sieben (Metallic-) Lacke zu je 500 Euro. Ab Werk ist der Ioniq weiß. Zudem unterscheiden sich die Aufpreise für die Linien, weil der in der Basis über 9000 Euro teurere Ioniq Elektro besser ausgestattet ist. Je nach Modell, Elektro oder Hybrid, betragen die Aufpreise für Style 2200/3350 sowie für Premium 4700/6370 Euro – zum Glück gibt's für die reinelektrische Variante die Kaufprämie.Die Konnektivität erfindet Hyundai mit dem Ioniq nicht neu, aber bei dem Überraschungsmoment, das das Auto im Windschatten bietet, ist das auch nicht nötig. Wichtiger ist die Performance der Technik: der 8"-Touchscreen (ab Style) reagiert schnell auf Eingaben, das Navi rechnet zügig – auch wenn es um spontane Routenänderungen geht; allerdings ließe sich die Menüführung noch intuitiver gestalten. Lediglich die Basis des Hybrids kommt mit einem 5"-Display und ohne Navigationsfunktion, der Elektro hat auch da schon die 8"-Version an Bord. Zudem lassen sich beim Elektro Abfahrts- oder Ladezeiten programmieren, um beispielsweise von günstigerem Nachtstrom zu profitieren. Das große Navi kann mithilfe von Android Auto und Apple CarPlay außerdem ausgewählte Inhalte des Mobiltelefons direkt aufs Display spiegeln. Etwas enttäuscht sind wir, weil einer der effizientesten Unfallvermeider, der Totwinkelwarner, nur mit der Spitzenlinie Premium zu haben ist. Dafür sind sowohl Adaptivtempomat als auch ein gegenlenkender Spurhalteassistent für alle Linien Standard. Im Ioniq Elektro wird der Adaptivtempomat zum Stauassistenten, der bis zu einem Stillstand von fünf Sekunden selbstständig wieder anfährt.
Weitere Infos zum Hyundai Ioniq und seinen wichtigsten Konkurrenten finden Sie in der Bildergalerie!

Fazit

von

Attila Langhammer
Der Ioniq macht Spaß, der Elektro mehr als der Hybrid. Mit 250 Kilometer Reichweite ist die rein elektrische Variante alltagstauglich und mit 4000 Euro förderfähig – so könnte die E-Mobilität ins Rollen kommen. Außerdem überzeugt uns, dass Hyundai nicht viel Aufhebens gemacht, sondern ein konkurrenzfähiges Fahrzeug auf die Räder gestellt hat.

Von

Attila Langhammer