Nur die besten Jeep Cherokee XJ kosten mehr als 7000 Euro. Dennoch sind Geizkragen beim SUV aus Ohio an der falschen Adresse: Folgekosten relativieren den Kaufpreis.
Manche Geschichten sind so gut, dass man sie einfach erzählen muss. Fakt eins: AMC-Designer Richard A. Teague, der unter anderem die Linienführung der American-Motors-Produkte Gremlin, Pacer und Jeep Cherokee XJ verantwortete, gehörte als Kind zur Darsteller-Crew der legendären Kurzfilmreihe "Die kleinen Strolche". Fakt zwei: Ein Autounfall beendete seine Karriere als Kinderstar, er war fortan auf einem Auge blind. Der Jeep Cherokee mit dem internen Kürzel XJ war jedenfalls seine letzte große Arbeit für American Motors. 1983 zog sich der erfahrene Gestalter aus dem aktiven Geschäft zurück. Die Marke Jeep gehörte damals zu AMC, dem kleinsten US-Autohersteller der Big Four. Und bei AMC hatte gerade Renault als Hauptaktionär das Ruder übernommen. Die französischen Manager machten vieles falsch in Southfield, Michigan, dem AMC-Hauptquartier. Aber auch einiges richtig. Sie erkannten das Potenzial des Downsize-Jeep XJ, der sich zu jener Zeit im Prototyp-Stadium befand, und ließen das Auto 1984 auf die Straße.
Für US-Verhältnisse ist der Cherokee XJ ein sehr kompakter Allradler.Auch wenn lästerliche Zungen behaupten, der Renault-Einfluss sei dem Design des Cherokee deutlich anzusehen, ist der kleine Jeep ein schlichtes, sauber gezeichnetes Automobil. Und ja, klein. Mit einem Radstand von reichlich zweieinhalb Metern und einer Gesamtlänge von 4,2 Metern befindet sich der Cherokee in einer Größenklasse mit aktuellen Kompaktautos. Auch technisch unterschied sich der Neue von den ausgewachsenen Geländegängern vom Schlage eines Jeep Cherokee Chief oder Wagoneer. Der XJ verfügte, ein Novum bei Jeep, über eine selbsttragende Karosserie – und unter der schmalen Motorhaube saßen keine fetten V8, sondern ein vergleichsweise asthmatischer 2,5-Liter-Vierzylinder und ein kaum kräftigerer 2,8-Liter-V6 von GM. Der im darauffolgenden Jahr vorgestellte Cherokee Diesel mit einem 85 PS starken Renault-Triebwerk war auch nicht gerade ein Verkaufsschlager.
Der Cherokee erfand das Marktsegment des urbanen SUV
Das Platzangebot für Fahrer und Befahrer ist allenfalls durchschnittlich.Zum Trendsetter wurde der Cherokee erst ab 1987. Da hielt der legendäre Vierliter-Reihensechser Einzug im Maschinenraum. So verkaufte sich der Cherokee deutlich besser. Wovon Renault dann allerdings nichts mehr hatte. Das lag unter anderem daran, dass 1986 die französische Terror-Organisation Action Directe einen Mordanschlag auf Renault-Chef Georges Besse verübte. Besse erlag auf einem Pariser Trottoir seinen Verletzungen. Renault verlor den Mut und veräußerte seine AMC-Aktienmehrheit an Chrysler. Der kompakte Jeep erfand das Marktsegment des urbanen SUV und wurde gleichzeitig zum ersten Bestseller in dieser Nische. Über zwei Millionen Exemplare liefen bis 2001 in Toledo, Ohio, vom Band, nicht eingerechnet jene Cherokee, die in China, Argentinien und Venezuela gebaut wurden. Der ab Modelljahr 2002 gebaute Nachfolger heißt nur in Europa Cherokee. Er hat ein anderes Fahrwerk, andere Motoren und nichts mehr von Teagues puristischem Design.
Dabei hätte es viele Gründe gegeben, am Rezept des XJ festzuhalten. Alles Wichtige an dem kantigen Jeep ist durchdacht, solide, zweckmäßig und langlebig. Das Fahrwerk ist nur sehr oberflächlich betrachtet eine simple Starrachsen-Konstruktion. Hinten hält ein Panhardstab die blattgefederte Achse in der Spur, vorn kümmert sich ein Quadra-Link genannter Querlenkerverbund um Führungsaufgaben. Der Allradantrieb ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. Mit einem massiven Handgriff neben dem Wählhebel können die Vorderräder zugeschaltet werden, je nach Ausstattung und bestelltem Verteilergetriebe permanent oder nur auf losem Geläuf einsetzbar. Die in Europa verkauften Vierliter mit Automatik und Limited-Ausstattung haben den Selec Trac genannten Allradantrieb für alle Lebenslagen an Bord, der simplere Command-Trac-Antrieb wurde bei einfacheren Ausstattungsversionen eingesetzt.
Designklassiker
Das Umsteigen aus einem modernen, weichgespülten SUV in einen Cherokee XJ ist eine Zeitreise. Eng erscheint er heute, der Fahrersitz zu nah am Lenkrad, der Knieraum hinten spärlich. Das Reserverad beansprucht gefühlt den halben Stauraum im Heck. Der Reihensechser läuft recht rau und laut, und von den versprochenen 178 PS scheinen nicht alle zum Appell anzutreten. Auch Lenkung, Bremsen und Federungskomfort entsprechen nicht mehr so ganz den aktuellen Vorstellungen von einem SUV. Ebenso das Trinkverhalten. Mit Verbrauchswerten zwischen 15 und 20 Litern pro 100 km muss man jederzeit rechnen. Und die Fixkosten sind ebenso wenig dazu angetan, Sparfüchse zu versöhnen: Haftpflicht-Typklasse 19 und Steuern für vier Liter Hubraum in der Klasse Euro 2. Was für den Jeep Cherokee XJ spricht? Er ist ein Original, ein Naturbursche von ehrlicher, sympathischer Raubeinigkeit. Und ein Designklassiker obendrein. Man könnte ihn jetzt noch so bauen, er wirkt kaum älter als bei seinem Debüt 1984. Was Richard A. Teague, wenn er noch lebte, bestimmt sehr gefiele.
Historie
Der Jeep Cherokee mit der internen Modellbezeichnung XJ kam1984 als völlig neues, eigenständiges Modell der damals zu AMC gehörenden Marke Jeep auf den Markt. Doch die Geschichte des Cherokee reicht viel weiter zurück: Schon direkt nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte Willys-Overland Jeeps für die zivile Nutzung. Der 1948 präsentierte Jeepster ist als Freizeitmobil auf Geländewagenbasis eigentlich die Urmutter aller modernen SUV. Doch der schwachbrüstige Motor des Militär-Jeep und der fehlende Allradantrieb verhinderten den Markterfolg, 1950 lief die Produktion aus. 1966 erinnerte man sich des Jeepster und legte den Freizeit-Geländegänger als Jeepster Commando neu auf. 1970 wurde Jeep Teil des AMC-Konzerns. Ab 1973 ersetzte der Cherokee SJ den Commando. 1984 erschien der Cherokee XJ, in einer Zeit, in der AMC eng mit Renault kooperierte. So gab es den Cherokee für Europa anfangs mit einem Renault-Dieselmotor. Zum Erfolg wurde der XJ mit dem 1987 eingeführten Vierliter-Reihensechszylindern bereits unter Chrysler-Regie. 2001 lief die US-Produktion aus.
Technische Daten
Erst mit dem Vierliter-Sechszylinder erhielt der XJ einen angemessenen, aber auch durstigen Antrieb.Jeep Cherokee 4.0 Limited:Reihensechszylinder, vorn längs • eine oben liegende Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, elektrische Einspritzung • Hubraum 3960 ccm • Leistung 131 kW (178 PS) bei 4400/ min • max. Drehmoment 301 Nm bei 3000/min • Vierstufenautomatik • zuschaltbarer Allradantrieb mit Untersetzung und Differenzialsperren • Starrachsen, vorn an Querlenkern, Federn, Dämpfern und Stabi; hinten Blattfedern u. Dämpfer • Reifen 225/70 R 15 • Radstand 2576 mm • L/B/H 4200/1790/1629 mm • Leergewicht 1660 kg, Anhängelast 3250 kg (gebr.) • 0–100 km/h 10,3 s • Spitze 180 km/h • Verbr. 15,1 l N/100 km • Neupreis 1996: 63.560 Mark.
Plus/Minus
Der Allradantrieb des Limited hilft auch auf trockenem Asphalt.Der Cherokee XJ ist trotz seines zivilen Äußeren und der selbsttragenden Karosserie ein Geländegänger von altem Schrot und Korn. Die beiden starren Achsen holpern störrisch über Unebenheiten, und eine Vielzahl mechanischer Geräusche aus dem verzweigten Antriebsstrang verstört den Neuling. Die Mechanik ist, sofern es sich um den Vierliter-Sechszylinder mit Vierstufenautomatik handelt, so gut wie unzerstörbar. Laufleistungen weit jenseits der 300 000 km sind keine Seltenheit. Bei der Probefahrt ist unbedingt die korrekte Funktion der verschiedenen Antriebsarten zu prüfen. Das Verteilergetriebe gibt, wenn zu selten im Allradmodus betrieben, wegen mangelnder Schmierung mitunter den Geist auf. Die letzten Baujahre nach dem Facelift von 1996 sind gut gegen Rost geschützt. Korrosion tritt vor allem hinter durchlässigen Scheibengummis auf. Weniger zu empfehlen sind Cherokee mit Dieselmotor, Vierzylinder-Benziner oder dem alten V6 aus GM-Beständen. Sie sind allesamt schlapp, durstig und anfällig.
Ersatzteile
Teile gibt es in Hülle und Fülle beim Jeep-Vertragshändler. Engpässe treten höchstens bei Ersatzteilen für die Cherokee-Motoren der 80er auf, doch die sollte man meiden. Zudem kümmern sich viele Spezialisten um die große Jeep-Gemeinde, sie bieten Zubehör wie Anhängekupplungen, Seilwinden etc. für den besonderen Einsatz.
Marktlage
Gepflegte Cherokee aus den letzten Baujahren stehen selten lange auf dem Hof, wissen erfahrene Händler wie Rüdiger Blanke vom Lippstädter Autoland, der sich auf XJ und Wrangler spezialisiert hat. Gut ausgestattete Limited-Ausführungen sind besonders gefragt. Etwas weniger begehrt ist die Ausstattungslinie Sport, da diese meist nur mit dem nicht permanenten Command-Trac-Verteilergetriebe ausgerüstet sind. Sehr häufig werden mehr oder weniger modifizierte Cherokee angeboten. Große Räder, wuchtige Bullenfänger, Scheinwerferbatterien und derlei Anbauten mehr mögen zwar manchem gefallen, ein originaler Cherokee ist dennoch höher und auf Dauer wertstabiler einzuschätzen.
Empfehlung
Bei der Cherokee-Suche hilft womöglich ein Blick auf den Schweizer Markt. Der XJ war dort als Allradfahrzeug sehr beliebt, entsprechend groß ist das Angebot an guten, gepflegten Exemplaren. Doch Vorsicht: Für Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und weitere Kosten sind zusätzlich etwa ein Drittel des Kaufpreises fällig.