Beim Thema Elektroauto geht es nach wie vor um das Henne-Ei-Prinzip: Ohne ausreichend viele Ladesäulen kaufen viele Menschen keines, und ohne eine genügend große Zahl von E-Autos lohnt es sich für die meisten Betreiber nicht, Ladesäulen aufzustellen. Aber ist die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte wirklich so wichtig? (alles zum Thema E-Auto laden)"Wer die aktuellen Diskussionen um den Ausbau der E-Auto-Ladeinfrastruktur verfolgt, könnte den Eindruck gewinnen, dass der Erfolg der E-Mobilität allein an der Anzahl der öffentlichen Ladesäulen hängt. Aber das ist ein Trugschluss", sagt Berylls-Analyst Andreas Radics. Berylls hat für fünf wichtige europäische Märkte das Verhältnis zwischen der Anzahl zugelassener E-Autos und öffentlichen Ladesäulen analysiert. Mit 9,2 Electric Vehicles (EVs), die sich eine Ladesäule teilen müssen, liegt Deutschland in dieser Übersicht nur im Mittelfeld. In Frankreich, vor allem aber in den Niederlanden entfallen weniger E-Autos auf die vorhandenen Ladepunkte. In Großbritannien und Norwegen zeige sich jedoch, dass der Erfolg der EVs nicht proportional mit der Zahl der für die Allgemeinheit zugänglichen Ladesäulen steigt.

Norwegen: Elektro-Boom trotz Wartezeiten

Im kleinen Vorzeige-Elektroland Norwegen sind mittlerweile rund 440.000 E-Fahrzeuge zugelassen. Deutschland liegt mit etwas mehr als 400.000 knapp dahinter – Tendenz stark steigend. In Norwegen kommen aber nicht rund neun Autos auf jede Ladesäule, sondern 23. Das Netz öffentlicher Ladepunkte ist in dem skandinavischen Staat nicht nur dünner, sondern viel stärker ausgelastet. Und trotz vermehrter Wartezeiten an den Ladesäulen hält der Elektro-Boom an.

Privilegien für E-Autos sind mit entscheidend

Ladesäulen für Elektroautos
Gebührenfreies Parken und Fahren ist für die Entwicklung der E-Mobilität enorm wichtig.
Bild: DPA
Es ist nicht die Infrastruktur allein, die die Elektromobilität attraktiv macht. Vor allem in Norwegen, wo bereits viele Haushalte über eine private Lademöglichkeit verfügen, hat die öffentliche Hand früh erkannt, dass ohne massive Förderung und Bevorzugung der E-Autos eine Verkehrswende nicht umsetzbar ist. City- oder Brückenmaut, Gebühren für Fähren oder öffentliches Parken entfallen weitgehend. Bei der Anschaffung wird auf die Kauf- und Mehrwertsteuer verzichtet, in Oslo dürfen Taxi- und Busspuren mitgenutzt werden – noch. "Dazu kommt, dass Norwegen mittlerweile nahezu komplett auf grünen Strom setzt und die dort fahrenden E-Autos zumindest im Betrieb CO2-neutral sind", so Radics.

München, Hamburg und Berlin weit vorn

Derzeit gibt es in Deutschland rund 22.000 Ladesäulen mit gut 33.000 Ladepunkten. Mit großem Abstand führend sind die Großstädte München, Hamburg und Berlin. Gerade an den Hauptverkehrsstraßen und Autobahnen wird das Netz kontinuierlich ausgebaut, immer mehr Tankstellen, Park- und Rastplätze werden mit Ladesäulen ausgestattet. Radics' Fazit: "Ohne Zweifel ist es richtig, die Ladeinfrastruktur in Deutschland mit Hochdruck weiter auszubauen." Der Erfolg der E-Mobilität hänge aber nicht allein an einem engmaschigen Ladenetz im öffentlichen Raum. "Ohne kreative flankierende Maßnahmen wie die Ausrüstung von Tankstellen mit Ladepunkten für E-Fahrzeuge werden wir die von der Bundesregierung als Ziel vorgegebenen sieben bis zehn Millionen E-Autos in 2030 ganz sicher nicht erreichen."

Von

Stefan Grundhoff