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Video: Mazda MX-5 (2015)

Erste Fahrt im neuen MX-5

Der MX-5 ist anders. Verlangen wir von anderen Neuheiten unbedingt Fortschritte, soll dieser Roadster sich möglichst gar nicht ändern. Trotzdem macht die vierte Generation des Erfolgsmodells einen gewaltigen Satz ins Unbekannte – und landet genau wieder dort, wo der MX-5 sein soll. Er ist Haut und Herzschlag in Blech geformt. Von seinem Vorgänger, der 2006 präsentiert wurde, entfernt sich die vierte Generation um gefühlte Lichtjahre. Aus der breiten, scharf geschnittenen Front blitzen schmale LED-Scheinwerfer, die Kotflügel schwellen wie beim cokebottle-Design der Sechzigerjahre. Proportionen und Rückleuchten erinnern an den aktuellen Jaguar F-Type, so schließt sich der Kreis: Nie war der Mazda so englisch wie heute. Als Richtschnur diente den Entwicklern das Urmaß ihres ersten Roadsters von 1989.
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Der Neue schrumpft auf 3,92 Meter und knapp eine Tonne Leergewicht, im Basismodell 82 Kilo weniger als der Vorgänger. Die Karosserie speckte 20 Kilo ab, der leichtere Motor 18, die Sitze acht, das Dach ein Kilo. Sogar der Kabelbaum ist jetzt aus Aluminium, wie früher in den Häusern der DDR. So spartanisch wirkt der Zweisitzer innen keineswegs. Erstmals ist die Türverkleidung innen auch lackiert, was aussieht, als fließe das Blech bis ins Interieur. Genarbter Kunststoff umschifft möglichen Billiglook.
Mazda MX-5
Modernität im Cockpit: Auf dem Armaturenträger sitzt nur ein Bildschirm.
Natürlich kommt der MX-5 um die schöne neue Elektronikwelt nicht herum. So zogen ein großes Mitteldisplay ein und ein Controller, der jedoch unglücklich mit dem schönsten Spielzeug des Japan-Roadsters kollidiert: dem Schaltknüppel. Der Knubbel steht auf der Mittelkonsole ausgerechnet vor dem Schalthebel – und nichts bewegen MX-Fahrer lieber als den Joystick der Autowelt, den Hebel mit dem gefühlt kürzesten Schaltweg auf vier Rädern. Wer damit klackt, macht mit dem Unterarm ungewollt Klick – im Bordmenü. Schnell noch ein paar kleine Ärgernisse loswerden: Die Sitzlehne verstellt man nicht mehr stufenlos per Rad, sondern stückweise mit einer Raste. Das Lenkrad lässt sich immer noch nicht in der Höhe verstellen, und das Dach rastet beim Öffnen – wie immer eine Sekunden-Aktion – nur mit Nachdruck im Verdeckkasten ein. Genug gemosert, freuen wir uns lieber über das Wichtigste: Der Mazda hat sich komplett gehäutet – und fand dabei zu sich selbst zurück. Er fährt sich fast wieder so leichtfüßig wie das Urmodell

Das Fahrwerk schluckt die kurzen Schläge 

Szenenwechsel. Wieder mal zu schnell, der Mazda verführt. In der Autobahnausfahrt lauern Bremsrillen, drei, vier fünf, hintereinander. Das Fahrwerk schluckt die kurzen Schläge, die Karosserie bleibt steif. Nur im Dach zittert es vorne am Rahmen. Ein Opfer der neuen Leichtigkeit? Dort wurde mit Alu ein Kilo eingespart. Das Faltverdeck klappt so leicht wie einen Regenschirm zu öffnen. Knopf drücken, Stoff zurück, hinten einklinken, einmal nachdrücken. Und das Schließen: Wenn man im neuen MX das Verdeck in seinem Kasten entriegelt, springt der erste Spriegel hoch. So wird das Zuziehen noch einfacher.Noch sind die Fahrleistungen nicht bestätigt, sondern berechnet. 8,5 Sekunden bis Tempo 100 wären flotter als beim Vorgänger, und 200 Spitze verspricht Mazda. Deshalb kriegen Europäer einen anderen Tacho als den japanischen, der reicht nur bis 200. Im MX-5 bestimmt der Fahrer die Windstärke wieder mit dem Gasfuß – und dem Zeigefinger. Fenster hoch, Windschutz hoch heißt: nur der Scheitel im Eimer. Fenster runter bedeutet: Ganze Frisur im Eimer. Plus Kaltluftföhn in Nackenhöhe, weshalb Roadsterfahrer gerne Schal tragen.  

Der Neue ist wieder echt wie damals

Mazda MX-5
Ausflug ins Grüne: Für den Alltag reicht der Kofferraum im Regelfall aus.
Die Federung ist eine Wohltat. Man möchte die japanischen Ingenieure gar nicht fragen, warum sie plötzlich so viel Mitleid mit der durchgeschüttelten MX-5 Gemeinde haben. Aber: Der Neue federt. Sogar manierlich, das kann nicht nur am Gewicht liegen, doch die Entwickler wollen partout nicht rausrücken mit Federraten und Dämpferkräften. Wir freuen uns trotzdem und schweben über die kleinen fiesen Rillen, die früher bis in die Zahnreihen geklappert haben. Man kann den Sound des 1,5-Liters leicht ausschalten: Dach zu, es dämmt besser als der spartanische dünne Stofflappen von früher. Der alte MX-5 konnte auf einem Handtuch abbiegen. Der neue braucht gefühlt nicht mehr als einen Bierdeckel. Und neigt sich in Kurven. Keine Abenteuer, aber mit der Agilität um die Hochachse kommt auch Rollen um die Längsachse ins Auto. Und einmal wird es dann zu viel. Es geht bergauf rechts, zweiter Gang, als das Heck plötzlich quer steht. Ganz zackig, bevor das ESP auch nur wach geworden ist. Der schmale 195er Serienreifen hat kapituliert, Grip verloren und erst einen Viertel Meter weiter draußen wieder gefunden. Nicht schlimm, kannten wir nur nicht. Überhaupt nicht schlimm, sondern eigentlich passt es gut ins Roadsterkonzept. Der ist wieder echt wie damals. An dem können die Frischlinge lernen, was Autofahren bedeutet.

Von

Joachim Staat