Prestige und Praxis sind oftmals zwei grundverschiedene automobile Welten. So haftet der kompakten Mercedes B-Klasse der Ruf eines Rentnermodells an, das sagt zum Glück aber überhaupt nichts über ihre inneren Werte aus. Während es an Bord der parallel angebotenen dritten A-Klasse-Generation intim-eng zuging, punktet die vom Marketing vollmundig als Sports Tourer titulierte B-Klasse (W 246) mit einem Van-ähnlichen Raumangebot.
Auf allen fünf leicht erhöhten Sitzplätzen finden Erwachsene angenehm Platz. Die 2011 angelaufene zweite B-Klasse-Generation bemüht sich mit einer frischen Optik um einen jugendlicheren Auftritt: Spätestens wenn das Modell wie unser Testwagen vom Autohus in Bremen als AMG Line mit dicken Schürzen, 18-Zoll-Doppelspeichen-Rädern und roten Kontrastkedern im belederten Innenraum vorfährt, wirkt der Hochdach-Benz fast sogar ein bisschen cool. Die sportliche Image-Kurskorrektur zielte frontal auf den ärgsten Konkurrenten, den BMW 2er Active Tourer, ab.

Die Fahrwerksabstimmung fällt unnötig hart aus

Mercedes B-Klasse 200 d AMG Line
Alles frisch: Feiner Fahrerplatz mit großem Monitor und zahlreichen AMG-Zierelementen.
Bild: Sandra Beckefeldt / AUTO BILD
Doch das erfreulich agile Fahrverhalten wird leider durch eine (viel zu) straffe Feder-Dämpfer-Abstimmung erkauft: Egal ob ein Gullydeckel zu tief gesetzt oder eine Asphaltkante hart angeflickt ist – dieser Benz deckt jeden Straßenbaumangel schonungslos auf. Zum Glück reichen die ergonomisch geformten, gut gepolsterten Sportsitze nicht jeden Schlag 1:1 an die Bandscheiben durch. Unser vier Jahre alter B 200 d kombiniert auf dem Papier schwäbischen Geiz mit 300 Newtonmeter Drehmoment. Der 2,1 Liter große Euro-6-Diesel leistet maximal 136 PS und klingt kaum seidiger als der berühmte Sack Nüsse.
Seine bewegte Vergangenheit dokumentieren knapp 180.000 Kilometer auf dem Tacho, anzumerken ist sie dem scheckheftgepflegten Exemplar nicht. Alle Oberflächen wirken frisch, die Polster keinesfalls durchgesessen. Lediglich die Türverkleidungen zirpen auf Kopfsteinpflaster. Beim Bühnencheck fällt nur eine angeschlagene Triebwerksverkleidung auf.

Das leidige Thema Rost kommt hier nicht zum Tragen

Mercedes B 180
Bei einigen Modellen kam es zu Federbrüchen aufgrund von Durchrostungen. Beim Testwagen sah alles gut aus.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Rostprobleme konnten wir an diesem Fahrzeug aus der ab 2014 gebauten Facelift-Serie nicht beobachten. Das leidige Gammel-Thema verfolgt Mercedes seit vielen Jahren. Beim Vorgänger unserer B-Klasse waren Federbeine, Türen und Falze betroffen, beim aktuellen Modell sind es bis jetzt oft "nur" die Türunterkanten. Immerhin: Mercedes hat Angst vor Imageschäden, tauscht schnell und leise auf Kulanz. In einigen Fällen sorgte die voranschreitende Oxidation auch für gebrochene Federn. Deutlich häufiger und nicht weniger sicherheitsrelevant: Spinnereien in der Bordelektronik. Bei einer B-Klasse im AUTO BILD-Dauertest (Endnote 2-) sorgte immer wieder der unüberlegt agierende Kollisionswarner für Adrenalinschübe, wenn er ohne erkennbaren Grund bei Tempo 180 eine Vollbremsung einleitete, um anschließend im Notlaufprogramm mit 80 km/h die Laster zu blockieren. Erst das Aufspielen einer neuen Software half.

Die Motorenpalette hat für jeden Geschmack etwas zu bieten

Breit gefächert ist die B-Klasse-Antriebspalette: Ausreichend kraftvoll und gut verfügbar ist der Benziner B 180 mit 122 PS. Die Diesel von 90 PS bis 177 PS sprechen primär Vielfahrer an. Selten anzutreffen, aber mit 240 km/h schnell wie ein GTI ist der B-250-Benziner mit starken 211 PS. Bergbewohner dürften sich über die 4matic-Allradmodelle freuen. Mit Erdgas fährt der 156 PS starke B 200 Natural Gas Drive. Nochmals exotischer ist der mit abgespeckter Tesla-Technik versehene Elektro-B 250 e: Er hat knapp 200 Kilometer NEFZ-Reichweite, kommt real aber eher 100 bis 130 Kilometer weit. Je nach Motorisierung gab es entweder ein Sechsgang-Schaltgetriebe oder (wahlweise) den 7-Gang-Doppelkuppler. Und bei einer solchen Angebotsbreite sollte zwischen Prestige und Praxis jeder was finden.

Bildergalerie

Mercedes B-Klasse 200 d AMG Line
Mercedes B-Klasse 200 d AMG Line
Mercedes B-Klasse 200 d AMG Line
Kamera
Gebrauchtwagen-Test Mercedes B-Klasse (W 246)
Fazit: Diese B-Klasse ist keine B-Ware! Ein flexibler Innenraum mit viel Platz, viele Ausstattungsoptionen und die gute Langzeitqualität machen den Benz zum Kauftipp. Günstige Modelle sind daher leider selten.

Fazit

von

AUTO BILD
Die B-Klasse kombiniert viel Platz, Flexibilität und Übersicht mit noblem Mercedes-Image. Leider fährt sie nicht so kommod wie erwartet. Wen das nicht stört, der bekommt aber einen soliden Kompaktvan.