Big Boss Dieter Zetsche setzte seiner Mannschaft ein klares Ziel: Bis 2020, so forderte der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, soll Mercedes wieder Premium-Marke Nummer eins werden. Die E-Klasse darf gern den Anfang machen. Den ersten Vergleich traut sich der E 400. Neuer Motor, sechs statt bisher acht Zylinder, 333 PS, ab 56.019 Euro. Gegner: Audi A6 3.0 TFSI Quattro (ab 52.450 Euro), 310 PS, und BMW 535i (ab 53.400 Euro), 306 PS – ebenfalls Sechszylinder.

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Video: E-Klasse, A6, 5er

Neue E-Klasse im Vergleich

Power, Komfort, Sicherheit: Das sind Dinge, die wir von einer Oberklasse-Limousine im Überfluss erwarten. Und, das gebe ich gern zu, es ist selbst für den Testprofi mittlerweile schwer, hier Unterschiede herauszufahren. Welcher Wagen federt eleganter über Unebenheiten, welcher beschleunigt den Bruchteil einer Sekunde schneller, welcher klebt sicherer auf der Straße? Es braucht die Empfindlichkeit einer Prinzessin auf der Erbse, um die Differenzen aufzuspüren. Aber vielleicht ist das auch nicht so wichtig, die nackten Zahlenwerte können Sie in der Tabelle weiter unten lesen. Was die Luxusschlitten unterscheidet, ist eher eine Charakterfrage. Eine kleine Überraschung hier: Der Mercedes setzt auf Fahrspaß, lässt den Fahrer eine Spur direkter am Geschehen teilhaben. Sein V6 klingt aggressiver, lebendiger als die Maschinen von BMW und Audi, die nur entfernt unter der Motorhaube nuscheln. Fast schon synthetisch. Ein gutes Stichwort: synthetisch. In ihrem Drang zur Perfektion haben vor allem Audi und BMW mittlerweile den Draht zum Fahrer durchtrennt. Sich nur keine Blöße geben, dem Gegner nie die offene Flanke zeigen.

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 5er

BMW 5er
Nicht wirklich sportlich: Mit dem Verstellfahrwerk ist der große BMW 5er eher kommod abgestimmt.
Perfektion essen Seele auf. Ist der BMW noch wirklich sportlich? In der Stufe Comfort + des Verstellfahrwerks schaukelt er sogar ein wenig – gemütlich. Und wer den Fahrspaßschalter in der Mittelkonsole auf Sport + stellt, erntet zwar ein paar mehr Tritte von unten, weil das Fahrwerk verhärtet. Sportlicher wird der große, unübersichtliche Wagen dadurch nicht. Ganz ähnlich fühlt sich der Audi A6 an. Hier als Quattro, begibt er sich direkt in die Falle der Perfektion. Jeder fühlt sich auf Anhieb wohl. Er klebt sicher auf der Fahrbahn, schwebt beinahe über Buckel und wechselt die Gänge perfekt – fast so sanft wie die BMW-Achtstufenautomatik. Im A6 gibt es zudem beeindruckenden Luxus. Zum Beispiel den sanft aus dem Armaturenträger schwebenden Bildschirm. Und doch fehlt einem nach einer Tour im A6 etwas: das Erlebnis, ein Auto zu er-fahren, seinen Charakter zu spüren. Der Audi bleibt ebenso fehler- wie seelenlos. Der 400er-Mercedes eckt schon eher einmal an. Der Motorsound, der kräftig und kernig aus dem Auspuff bollert, stört empfindliche Zeitgenossen vielleicht beim Musikhören. Die Siebenstufenautomatik wechselt unter Last die Gänge schon mal etwas zu ruppig.
Und die Optik, die Mercedes-Macher mögen es mir verzeihen, wirkt teilweise aufgesetzt, fast halbstark. Vor allem wenn der E 400, wie unser Testwagen, mit dem 1012 Euro teuren Sportpaket ausgestattet ist. Auch innen ist der Blingbling-Faktor mit Chrom und Alu hoch. Für manche zu hoch. Ganz nebenbei hält der 400er aber noch einen Draht zum Fahrer. Das verstellbare Airmatic-Fahrwerk federt ebenso perfekt wie bei Audi und BMW. Die Mercedes-Lenkung wirkt aber weniger gefiltert. Und wer es in Kurven mal etwas zu ungestüm angehen lässt, kann es noch spüren: Wo Audi und BMW wie am Schnürchen durchziehen, zuckt beim Mercedes kurz das Heck. Schön, er lebt noch.
Der Stern will mich zum Spielen einladen. Das Fahrverhalten ist dabei natürlich so ausgewogen, dass niemals Gefahr besteht, die E-Klasse zu drehen. Die Mercedes-Techniker verzichten nur bewusst auf einen winzigen Schuss Perfektion, zugunsten des Fahrspaßes. Aber Moment mal: War das früher nicht immer eine BMW-Domäne? Dass der Mercedes auch ganz anders kann, liegt an den neuen Assistenzsystemen. Die Distronic Plus ermöglicht teilautonomes Fahren im Stau – und damit ein Stück mehr als die Systeme in A6 und 535i. Jawohl, die neue E-Klasse ist endlich wieder auf Augenhöhe. Ich bin gespannt, wie Audi und BMW darauf reagieren werden ...

Von

Andreas Borchmann