Wühltiere höchst unterschiedlicher Gattung

Bernd streckt den Daumen. Aber nicht nach oben. Nach links. Weil er mächtig Gas geben muss, um dranzubleiben. Er bändigt in unserem Vergleich der Offroad-Konzepte eine echte Zicke: das 49 PS starke Kawasaki-Quad KFX700. Und zu den Besonderheiten eines Quads zählt nun mal, dass man den kleinen Gashebel am Lenker mit dem Daumen reguliert. Ich dagegen dosiere 105 PS im Handumdrehen. Typisch Motorrad eben. Meinen Beitrag zu diesem schmutzigen Treffen der drei Gelände-Ikonen stellt BMW – es ist die fast schon obszön unverkleidete HP2 für 16.900 Euro.

Sie ist für mich das kompromissloseste Sportgerät, das die Münchener jemals auf Stollenreifen gestellt haben. Eine Wettbewerbsmaschine, die höchste Konzentration erfordert, zumal auf diesem Untergrund. Der staubfeine Sandboden zieht und zerrt am Vorderrad, dass es mir fast den Lenker aus der Hand schlägt.

Luxuriöser Alleskönner mit Wühl-Genen: der GL, Erbe des G-Modells.
Gerald feixt derweil aus dem geöffneten Seitenfenster seines Mercedes. Er hat es gut, denn er hat leichtes Spiel bei dieser Übung, muss das Gaspedal allenfalls streicheln, um einen Bruchteil der ihm zur Verfügung stehenden 306 PS zu mobilisieren. Mein Kollege steuert den neuen Mercedes GL, diesen luxuriösen Alleskönner mit Wühl-Genen des legendären G-Modells. 79.460 Euro in der Sandkiste: Das muss sich der Boulevard-Elefant unter den Offroadern gefallen lassen. Der GL 420 CDI zeigt sich unbeeindruckt von der tückischen Trasse. Die Drehmoment-Wucht von 700 Newtonmetern und die variablen Luftfedern planieren den puderigen Kohlestaubboden der ehemaligen Grube Meuro zur frisch geteerten Autobahn.

Bereits die Anfahrt in dieses Niederlausitzer Tagebaugebiet zeigt, dass hier drei Wühltiere höchst unterschiedlicher Gattungen aufeinandertreffen. Wir sind jedenfalls extra in diese gigantische Buddelkiste gekommen, um vor allem den neuen Mercedes GL offroadtechnisch an seine Grenzen zu bringen – herausgefordert von einer Enduro und einem Sport-Quad.

Gipfelstürmer, Überflieger und Wühlmäuse

Yeehaw! Nur Fliegen ist schöner ... Diese drei sind ebenso unterschiedliche wie faszinierende Gelände-Gänger.
Die Kawa hat inzwischen erst einmal den Kollegen Bernd an sein persönliches Limit gebracht. Die schnellen Passagen auf weichem Sand liegen dem zwei Meter kurzen Spielzeug nicht besonders. Zappelig schlingernd und hektisch hüpfend bahnt sich die KFX700 ihren Weg. Trotz traktionsreicher Noppenbereifung fehlt es bei höherem Tempo schlicht an stabilisierendem Radstand. Die Reifen sind auch der Grund, warum es die BMW aus der Bahn trägt. Vorn ist die Seitenführung der TÜV-konformen Stollenpneus mäßig, hinten mangelt es an Grip. Der Versuch, das pflügende Vorderrad durch Gas geben zu entlasten, verpufft im hilflos durchdrehenden Hinterrad.

Die Probleme, die Gerald mit seinem Mercedes GL derweil im tiefen Sand beschäftigen, beschränken sich eher auf die Komfort-Fragen. Etwa ob das aufwirbelnde Gesteinspulver eigentlich die Sensoren für die Schadstofferkennung der Klimaanlage irritiert. Oder ob die Heck-Kamera bei dieser Staubentwicklung überhaupt noch klare Bilder liefert. Die Buddelqualitäten des GL 420 jedenfalls kümmern Gerald nicht eine Sekunde lang. Der Sand, der den dicken V8-Diesel da vorn unter der Haube aufhalten könnte, muss wohl erst mit Wasser und Zement angerührt werden.

Genug Staub geschluckt – wir fahren an die Abbruchkanten und Steilauffahrten, die Baggerschaufeln an der Abraumhalde hinterlassen haben. Oje, ganz schön heftig: Da wollen wir rauf? Gerald steigt lieber gleich aus. Nicht, weil sein Mercedes kein Kletterer wäre. Permanenter Allradantrieb, Mittel- und Hinterachsdifferenzialsperren, Untersetzungsgetriebe und eine fürstliche Bodenfreiheit von mehr als 30 Zentimetern liefern vorzügliche Kraxel-Voraussetzungen. Aber die schlechte Übersichtlichkeit des 5,10 Meter langen Mercedes mahnen zur Zurückhaltung. Der Blick auf die lackierten Schürzen sowieso ...

Werksangaben und Erfahrungswerte

Für meine BMW gilt das Motto: Wo nix dran ist, kann auch nix kaputtgehen. Selbst wenn ich gelegentlich mit einem der ausladenden Zylinder des Boxermotors gegen einen Stein schramme – dicke Plastik-Protektoren schützen das Material. Gleichzeitig lässt sich das immerhin 195 Kilogramm schwere Gerät erstaunlich spielerisch führen, über Kuppen zirkeln, in fast senkrechten Abfahrten beherrschen und an steilen Auffahrten balancieren. Allenfalls die unsensibel zubeißende Trockenkupplung erschwert die Trial-Einlagen.
Mit Schwung geht das Kawa-Quad auch eine Wand hinauf. Vielleicht.


Bernd hat bei diesen Anforderungen die klar besseren Karten. Seine Kawasaki verfügt über einen unerwartet harmonischen Zweizylinder-Motor und eine passabel dosierbare Automatik. Außerdem kann mein Kollege auf die enorme Traktion des Quads mit starrem Durchtrieb an der Hinterachse vertrauen. Aber schnell wird es am Hang zu steil für das kippelige Vierrad – Auffahrten enden häufig mit einem Überschlag. Und unter 234 Kilo Kawasaki begraben zu werden, das ist wirklich nicht angenehm.

Uäääh, was für eine Schlammschlacht! Das Quad hat's schwer in der Pfütze.
Letzter Test: Wer von den dreien ist wasserfest? Bei einer maximalen Wattiefe von 60 Zentimetern schafft die GL-Klasse sogar Ententeich-Durchquerungen. Stressfrei pflügt Gerald also durch die hüfttiefe Schlammspur – der Regensensor kümmert sich um hochspritzende Gischt. In dieser Sektion muss das Quad passen. Bei der Tiefe unseres Wasserlochs geht alles, was an der Kawasaki grün lackiert ist auf Tauchstation.

Ohnehin ist die Gefahr groß, dass der Motor durch sein tief unten positioniertes Ansaugsystem Wasser schlürft. Das Motorrad nimmt derart tiefe Pfützen mit Schwung und schöner Bugwelle. Vorausgesetzt, am Grund der Wasserdurchfahrt liegt kein glitschiger Stein, der gegen das Vorderrad schlägt und die Fuhre ins Straucheln bringt – so wie bei mir. Ergebnis: ein Vollbad für die HP2 und ihren Piloten. Worauf ich den Daumen strecke. Aber diesmal nach unten.

Kein Zweifel: Saubermann Gerald Czajka saß im GL. Bernd Volkens quälte das Quad, Jan Horn die Enduro (v.l.).
Fazit von AUTO BILD-Testredakteur Jan Horn Hier müsste eigentlich stehen, wer im Gelände die Nase vorn hat. So einfach ist das aber nicht. Natürlich gibt es für den GL unpassierbare Stellen, die eine HP2 überspringt oder die das Quad mit energischer Wühlerei hinter sich bringt. Dennoch ist der Mercedes ein fähiger Offroader. Er meistert schwierigstes Gelände mit souveräner Gelassenheit. Der Fahrer dirigiert das Auto unbehelligt von Lärm, Staub und körperlichen Anstrengungen. Also sagen wir es mal so: Komfortabler und würdevoller als mit einem GL lassen sich Tagebaugruben, Wüsten oder sonstige Offroad-Herausforderungen nicht durchqueren.