Gipfeltreffen der Luxus-Limousinen: Mercedes greift mit der kurzen S-Klasse nach den Sternen. Kann der S 500 den bisherigen Primus BMW 750i schlagen?
Schön, dass es noch Konstanten gibt in unserer rasanten Zeit. Zum Beispiel diese: Erscheint eine neue S-Klasse, kommt automatisch die Frage "Ist dies das perfekte Auto?" Sie zu stellen, ist im Motorjournalismus quasi Gesetz. Nur: Durch häufiges Wiederholen wird sie keineswegs klüger, wie sich schon nach kurzem Nachdenken herausstellt: Perfekt in was? Perfekt im Sinne von der Komfortabelste, der Schnellste, Sportlichste, Schönste oder der Sparsamste? Oder der Billigste? Oder alles auf einmal? Sie ist so realistisch, diese Annahme, wie den Himalaya auf Rollschuhen zu bezwingen.
Im zweiten Anlauf will die S-Klasse den 7er schlagen
Video: BMW 750i vs. Mercedes S 500
Da kommt keiner vorbei
Einigen wir uns also auf kleinere Brötchen, nämlich auf die Frage: "Ist die S-Klasse die beste Luxusklasse-Limousine?" Und zwar im Rahmen des bewährten AUTO BILD-Derbys, nach Punkten also. Ein früherer Vergleich der Langversion mit dem 7er von BMW verriet uns bereits: Die Konkurrenz kann auch Perfektion, zumal wenn sie von BMW kommt. Nun stellen wir die Frage an den kurzen S 500, jene Variante, die als optimaler Reisewagen für den Selbstfahrer antritt. Und die im Gegensatz zum vormaligen Vergleichstestwagen nicht aus der im Detail noch unvollkommenen Vorserie stammt, sondern in uneingeschränktem Sollzustand antritt. Der Gegner bleibt der bisherige Klassenbeste: BMW 750i, diesmal kurz, aber auch gut? Kurz bedeutet bei der S-Klasse 13 Zentimeter weniger Länge (und Radstand) sowie eine Ersparnis von 3035 Euro. Sie kommt dann auf mindestens 104.601 Euro. Soll es noch das neue "Magic Body Control"-Fahrwerk anstelle der serienmäßigen Luftfederung sein, würde der Betrag um weitere 5058 Euro anschwellen. Würde er, wenn da nicht noch die obligatorischen Zusatzoptionen "Fahrerassistenzpaket plus" (2678 Euro) und Parkpaket (1345 Euro) obendrauf kämen. So ergibt sich ein tatsächlicher Aufpreis von 9081 Euro. Ärgerlich – Knebelangebote wie diese können selbst großzügige S-Klasse-Interessenten verdrießen.
Die Multimediasysteme haben hohes Ablenkungspotenzial
Der BMW 750i benimmt sich auf schlechten Straßen unruhiger als die S-Klasse.
Das führt dann auch dazu, dass unser Testwagen den Rivalen (ausgestattet mit dem Fahrwerkextra "Integral Aktivlenkung" für 1950 Euro) zumindest in einem Punkt sofort klar und deutlich hinter sich lässt: Preislich schlägt so ein Mercedes den BMW um Längen, was sich im Punktekonto freilich ausgesprochen negativ auswirkt. Entsprechend muss die Frage in diesem Vergleich erweitert werden: Ist der Benz der Beste, und sollte er es sein, ist er so viel besser, dass er den Mehrpreis verdient? Das Gefühl beim Einsteigen sagt Ja. Das Innere der neuen S-Klasse bietet jene Pracht, die ein so teures Eliteauto von gewöhnlicheren Angeboten unterscheiden sollte. Schöne Details, hochwertiges Material, solide Verarbeitung (Letztere beim früheren Testwagen noch kritikwürdig), Luxus-Massagesessel (2023 Euro) mit geschmeidig gepolsterten Oberflächen für ein weiches Ansitzen – hier erwartet den Passagier ein nicht alltägliches Fahrerlebnis, dieser Eindruck drängt sich zumindest auf. Wichtig für den Fahrer: Die gewünschte unter den mannigfaltigen Sitzvariationen, das meiste per Comand-System und Monitor abrufbar, sollte er besser vor Fahrtantritt einstellen. Unterwegs könnte es gefährlich werden, denn die Sache beansprucht hohe Aufmerksamkeit. Überhaupt birgt die Vielzahl der Wahlmöglichkeiten und der Multimediaangebote, wie in dieser Klasse heute üblich, ein extremes Ablenkungspotenzial.
Dass es der BMW dem Fahrer in diesem Punkt etwas leichter macht und in einigen Multimediadetails einen höheren Entwicklungsstand aufweist, ändert nichts am grundsätzlichen Sicherheitsrisiko. Ansonsten erwartet den 7er-Passagier ein Ambiente, das im Vergleich eher herausgeputzte Mittelklasse suggeriert als Luxusherberge. Sachlich gibt es hingegen wenig auszusetzen, allenfalls das beengtere Raumgefühl auf den Vordersitzen, die Folge des für BMW typischen Cockpitdesigns.
Große V8-Motoren sorgen für Sportwagen-Beschleunigung
Billig ist anders, aber mit 101.820 Euro unterbietet der 7er-Testwagen die S-Klasse beim Preis deutlich.
Die Kehrseite der Kurzvarianten: Wer hinten Platz nimmt, befindet sich außerhalb des Feudalbereichs, im BMW wie im Mercedes. Der Raumkomfort wirkt hier bescheiden, zumal für Autos jenseits der Fünf-Meter-Grenze. Auch die Seriensitze verwöhnen nicht nachhaltig, wobei der BMW hier dank längerer Sitzflächen noch ein kleines Plus vorweist. Wer mehr erwartet, muss sich das Passende in der Aufpreisliste heraussuchen. Serienmäßig der gehobenen Klasse entsprechend hingegen der Geräuschkomfort – da müssen Fondpassagiere in minderen Limousinen erheblich mehr aushalten. Die Zuversicht, das viele Geld gut angelegt zu haben, kann der S 500 auch während der Fahrt untermauern. Bei niedrigem Tempo ist es in seinem Innern so leise, dass man glaubt, seine Haare wachsen zu hören. Geht es schneller voran, beschränkt sich die Geräuschkulisse auf ein weit entferntes V8-Brabbeln, vermischt mit dezenten Abroll- und Windgeräuschen. Und ohne den geringsten akustischen Aufwand scheint der Biturbo-V8 den Zweitonner beim Öffnen der Drosselklappen in einen Zustand der Schwerelosigkeit versetzen zu wollen. Wie spielerisch die 700 Nm Drehmoment mit diesem Flaggschiff umgehen, das ist schon zutiefst beeindruckend.
Weitere Details zu den beiden Luxuslinern gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen lesen Sie in AUTO BILD 49/2013 oder als Download im Online-Heftarchiv.
Fazit
von
Wolfgang König
Die beste Reiselimousine der Luxusklasse trägt den Stern auf der Haube. Denn genau diese Rolle beherrscht die S-Klasse nahezu perfekt. Da wäre dann auch die Prise Sportlichkeit, die BMW ins Feld führt, unbedeutend. Aber dies ist ein Vergleichstest mit Punkten und mit Anspruch auf Ausgewogenheit. Und da können wir den happigen Mehrpreis des Mercedes nicht einfach übersehen. Deshalb landet er dann auch auf Platz zwei hinter seinem Erzrivalen von BMW – trotz Topform.