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Video: VW Sportsvan vs. Nissan Qashqai

SUV oder Van?

Bild: AUTO BILD
So ungewohnt der Name "Sportsvan" noch klingt, so schnell erklärt ihn seine Form. Der jüngste Golf ist einer dieser praktischen Kästen vom Schlage Mercedes B-Klasse. Aber was bitte sehr haben ein Golf Sportsvan und der Nissan Qashqai gemeinsam? Ein SUV und ein Raumauto? Ganz einfach. Beide sind neu, sprechen das gleiche Publikum an und sind fast auf den Zentimeter genau gleich groß. Verblüffend, wie auf dem gleichen Platz zwei Autos entstehen, die so anders wirken. Es kommt eben immer darauf an, was man daraus macht.

Der Nachfolger des Golf Plus hat erstaunlich viel Platz

VW Golf Sportsvan
Ein großer Golf: mehr Luft überm Kopf und eine um 18 Zentimeter längs verschiebbare Rückbank.
Mit 4,34 beziehungsweise 4,38 Meter Länge bewahren Sportsvan wie Qashqai einerseits ihre stadtfreundliche Kürze, erheben sich zugleich mit ihrer Dachhöhe aus der Masse und auf erhabene Sichthöhe – das bleibt der wichtigste Wohlfühlfaktor dieser Autos. Im Qashqai stehen die Sitze noch zwei Zentimeter höher, das ansehnlich gemachte Cockpit rückt nach unten weg, was das Gefühl verstärkt, über den Dingen zu thronen. Anders beim Blick nach hinten: Nicht nur, dass kleinere Fenster und die breite Dachsäule ganze Radfahrer verbergen können, der Fond ist auch spürbar enger. Was auf der gleichen Fläche möglich ist, zeigt der Sportsvan: eine Verglasung im Schaufensterformat, mehr Luft überm Kopf und eine um 18 Zentimeter längs verschiebbare Rückbank, die den Platz für Mensch oder Gepäck (bis zu 1520 Liter) in luxuriöser Weite verteilt – wo holt ein Golf bloß so viel Platz her? In diesem Wohnzimmer schaltet man automatisch einen Gang runter, seelisch wie tatsächlich. Wer zwischen Baumarkt und Bauernhof viel zu schleppen hat, findet im VW den vielseitigeren Alltagsbegleiter – zumal am Qashqai die höhere Ladekante stört.
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Mit Diesel unter der Haube ist der Qashqai entspannt

Nissan Qashqai
Für den Qashqai gibt es einen Benziner und zwei Diesel – da fällt die Auswahl leichter als beim VW.
Er ist halt ein SUV. Doch Nissans Erfolgsmodell hat in zweiter Generation genau dort an Pkw-Reife gewonnen, wo sie bisher fehlte. Weichere Kunststoffe bestehen jetzt den Anklopftest mit dem Fingerknöchel, die breiten Sitze könnten direkt aus einer Polstergruppe stammen. Und der Sieben- Zoll-Monitor in der Mittelkonsole bietet nun elektronische Nettigkeiten, die mehr als nur den Spieltrieb wecken: Der Rundumblick von "Around View" (Serie im Tekna) hilft, manche Einpark-Macke im schicken Lack zu vermeiden. Diese künstliche Helikopter-Sicht hat der Sportsvan nicht, dafür die ganze Bandbreite der Golf-Goodies: Hier sitzen auch Lange dank des weiter verstellbaren Lenkrads bestens, die Türen öffnen weiter, und es gibt ein paar neue Extras – erstmals eine Lenkradheizung oder den Blind-Spot-Sensor (360 Euro), der beim Ausparken auch Querverkehr erkennt. Hübsch, aber serviert wird der Luxus in einem geradlinigen Interieur, das eher an funktionale Haushaltsgeräte erinnert. Kennt man von VW, genau wie die fünf modernen Motoren von 85 bis 150 PS sowie das Direktschaltgetriebe. Im Qashqai ist die Auswahl mit einem Benziner und zwei Dieseln kleiner.
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Dafür gibt es – wie es sich für ein SUV gehört – immerhin eine Allradversion mit dem stärksten Diesel, der als Topversion Tekna vorfährt. Der 1,6-Liter aus dem Renault-Regal knurrt nur beim Anfahren, trägt dann aber mit seiner Laufruhe zum entspannten Charakter im Qashqai bei. Auf der Autobahn könnte man ihn glatt vergessen, so ausdauernd dreht der Selbstzünder bis an die 5500 Touren. Die nutzt zwar niemand, doch in der Stadt stottert man damit nicht so schnell in den Begrenzer. Nach 500 Kilometer gemischter Fahrt zeigte der Bordcomputer 6,4 Liter – akzeptabel für den 1600-Kilo-Brocken.

Der Golf Sportsvan kann es richtig gehen lassen

Nissan Qashqai VW Golf Sportsvan
Sportsvan, wörtlich genommen: In Sachen Fahrwerk und Dynamik hängt der Golf den Qashqai locker ab.
Sein Allradantrieb schenkt bei Nässe oder in den Bergen die bessere Traktion, ein Dynamiker wird der Qashqai trotzdem nicht. Die Lenkung arbeitet in beiden Stufen teigiger und indirekter als im Sportsvan. Auch das Fahrwerk arbeitet eher komfortorientiert als sportlich, in Kurven neigt sich der Nissan gemütlich zur Seite. Entsprechend schnell und scharf greift das ESP bei abrupten Ausweichmanövern ein. Der Sportsvan dagegen zeigt, warum er so heißt. Die Kiste kann's richtig gehen lassen. Der Zweiliter spielt mit kräftigerem Rumoren die rustikale Begleitmusik, die kürzeren Schaltwege geben den flotten Rhythmus vor: Es geht voran, besonders wenn jenseits der 2500 Touren der Turbolader ins Kreuz tritt. Die Lenkung arbeitet so fein und zielgenau, dass man unbewusst immer tiefer in die Polster rutscht und die sechs Zentimeter höhere Sitzposition gegenüber dem Golf glatt vergisst.  Streicht der Nissan auf der Autobahn bei 190 km/h die Segel, rennt der 20 PS stärkere und 140 Kilogramm leichtere Sportsvan hingegen 212 Spitze und hängt den Qashqai ab. Das verstellbare DCC-Fahrwerk (1000 Euro extra, bei Nissan nicht zu haben) schluckt mit seiner zusätzlichen "Comfort"-Stellung schlechte Straßen gelassener als der Nissan – als ob in der Elektronik ein zweiter, anderer Sportsvan schlummerte.
So viel Fahrvergnügen hat, wie von VW gewohnt, seinen Preis. Als 2.0 TDI Highline mit DCC kostet der Sportsvan fast so viel wie der Qashqai in bester Ausstattung mit Allradantrieb. Dabei hat der Nissan zusätzlich serienmäßig das Panoramadach, 19-Zoll-Räder, Bi- LED-Scheinwerfer und Around View an Bord. Einfach gesagt: Der Nissan ist in jeder Version eine Nummer besser ausgestattet als der VW. Und bringt einen wichtigen Vorteil am Stammtisch mit: Den Qashqai muss niemand erklären. Den Sportsvan muss man erfahren, aber dann verblüfft er. Es kommt eben auf die Verpackung an.

Fazit

von

Joachim Staat
Der Sportsvan ist kein Van mehr, der Qashqai kein SUV in Reinform. Stattdessen sind beide kompakte Hochsitze mit großem Wohlfühlfaktor. Der praktischere VW überrascht mit seinem Sporttalent, der besser ausgestattete Nissan mit neuer Reife im Detail.

Von

Joachim Staat