Die Mechaniker um Henri Joosten (NL) und Norbert Kuno (GER) schieben den 55er Chevy Bel Air und den Dodge Avenger in die Startposition. Beide starten in der Klasse Pro Modified. Mit zwölf Liter Hubraum und zusätzlicher Lachgas-Einspritzung oder Kompressor-Aufladung bringen es die Renner auf bis zu 2500 PS. Wenige Sekunden später donnern beide Kontrahenten in Richtung der Achtelmeilen-Markierung, um die rießigen Gummiwalzen an der Hinterachse auf Temperatur zu bringen. Die Zuschauer hält nichts mehr auf ihren Sitzen und sind Sekunden später in die aufziehenden Rauchschwaden gehüllt. Die Überbleibsel solcher Burn Outs sind auf dem Drag Strip für alle gut sichtbar: Gummi, Öl und Treibstoff kleistern den zuvor präparierten Asphalt.

Der Starter steht direkt zwischen den zusammen 5000 PS starken Drastern

Nitrolympx Hockenheim
Einweiser dirigieren beide Piloten rückwärts in den sogenannten Pre-Stage-Sektor (Vor-Start-Bereich). Umringt von der jeweiligen Crew werden jetzt letzte Vorbereitungen getroffen. Hochspannung bei den Fahrern und im Publikum. Die Motoren müssen in den folgenden Sekunden das Maximum ihrer Leistungsfähigkeit abrufen. Henri Jossten löst mit seinem Chevy als erster das Full-Stage-Signal, aus Norbert Kuno zieht wenige Augenblicke nach. Unmittelbar nachdem die Lichter des "Christmas-Tree", der alles entscheidenden Startampel, erloschen sind, signalisieren drei gelbe Lampen den bevorstehenden Start. Roland Mai, der den Lauf in seiner Funktion als Starter kontrolliert, steht direkt zwischen den zusammen 5000 PS starken Pro-Mod-Dragstern. Das grüne Lichtsignal flackert auf – und Hockenheim beebt.

Die Druckwelle raubt den Zuschauern den Atem

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Mit brachialer Gewalt jagen beide Fahrzeuge die Viertelmeile entlang und rauben den Fans den Atem. Die Strecke ist als leichte Kuppe ausgeführt, kurz nach dem höchsten Punkt des Drag Strips kommen sich beide Fahrzeug im Bereich der Mittellinie gefährlich nahe. Ein Raunen geht durch die Ränge. Nur um wenige Zentimeter sind beide Fahrer an einer Katastrophe vorbei geschrammt. Alles in allem dauert die Aktion für beide Drag Racer nur knapp über sechs Sekunden. Sechs Sekunden, in denen Mensch und Material mit fünfacher Erdanziehungskraft auf über 360 km/h beschleunigen. Fast alle im Publikum haben Gänshaut und sacken erleichtert auf ihre Plätze zurück. Der Herzschlag darf sich allerdings nur für einen kurzen Moment beruhigen, die nächsten Wagen rollen bereits in Startposition.
Bei den 23. Nitrolympx in Hockenheim, der offiziellen Drag Racing Europameisterschaft, gingen neben den showträchtigen Pro Modern auch die so genannten Top Fueler an den Start: die Königsklasse im internationalen Dragster-Sport. Die über neun Meter langen, extrem schmalen Rennwagen – die entfernte Ähnlichkeit mit einem Formel-1-Boliden haben – leisten aktuell bis zu 7000 PS. Der Brite Andy Carter beschleunigte seinen Lucas Oil Top Fuel Dragster im Freitags-Qualifying auf 506,79 Stundenkilometer. Sein Höllenritt dauerte gerade einmal 4,867 Sekunden. Nach der furiosen Fahrt mussten die Mechniker den durch Nitromethan aufgeladenen V8-Motor komplett zerlegen und für den nächsten Tag auf Vordermann bringen. Drag Racing ist eine echte Materialschlacht.

Bei der Night-Show liegen Qualm und Adrenalin in der Luft

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Viele der Top-Fuel-Piloten beginnen ihre Drag-Racer-Karriere bereits im Alter zwischen acht und zehn Jahren in der Klasse Junior Dragster. Kämpfen sich dann Klasse um Klasse höher. In Hockenheim waren die jungen Piloten ein Programmpunkt der spektakulären Night-Show am Samstagabend. Kurz nach 20 Uhr wurde das Renn-Geschehen eingestellt – und es legte sich echte Drag-Racer-Romantik über das historische Motodrom. Von besinnlichen Klängen und Gitarrenspiel am Lagerfeuer allerdings keine Spur. Wenn Höllenhunde feiern, dann heulen lautstark die Motoren und Adrenalin liegt in der Luft. Waaghalsige Bike Stunts, eine rauchige Burnout Show und die ausnahmsweise gemütliche Oldie-Parade rundeten den gelungenen zweiten Tag der Nitrolympx 2008 ab.