Anfang 2010 hat Nick Reilly bei Opel das Ruder übernommen und steht nun vor der Mammutaufgabe, die Rüsselsheimer wieder auf die Erfolgsspur zu führen. Im Gespräch mit AUTO BILD verrät Reilly, wie er das schaffen will.
Die Krise bei Opel ist noch lange nicht überstanden. In Deutschland schwindet der Marktanteil, 2010 muss der Hersteller einen Verlust in Milliardenhöhe verwinden. Nick Reilly arbeitet seit Januar 2010 als Geschäftsführer der Adam Opel GmbH unter Hochdruck daran, die Marke wieder aufzubauen. Der neue Chef brachte Opel wieder ins Gespräch – mit anderen Themen als der drohenden Pleite. Eines seiner Anliegen: die "lebenslange Garantie" für Neufahrzeuge. Doch die Trendwende hat der angeschlagenen Autobauer noch nicht geschafft. Im Gespräch mit AUTO BILD erklärt Reilly welche Herausforderungen und Pläne Opel künftig anpacken will. autobild.de bringt das ungekürzte Interview.
AUTO BILD: Hinter Opel liegt ein Jahr der Entscheidungen. Die ersten positiven Schritte in die Zukunft sind gemacht, aber sie spiegeln sich noch nicht im operativen Ergebnis und den Marktanteilen – insbesondere in Deutschland. Macht Sie das unruhig? Nick Reilly: Nein. Es kostet natürlich Zeit und Geld, ein Unternehmen umzustrukturieren, denken Sie etwa an die Investitionen in neue Produkte und Produktionsanlagen, aber auch an die Kosten für den sozialverträglichen Abbau von Arbeitsplätzen. Um zu verstehen, wie es Opel heute geht, muss man sich die Zahlen ohne Restrukturierungskosten anschauen. Und die sind nicht so schlecht. Wann wird Opel wieder schwarze Zahlen schreiben? Wir haben das Ziel, 2012 wieder Gewinne zu machen. Dazu haben wir einen klaren Plan und ich bin optimistisch, dass wir das schaffen werden.
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Ist der niedrige Marktanteil in Deutschland nicht auch ein Grund für die noch hohen Verluste? Was wir in Deutschland verloren haben, gewinnen wir im Rest von Europa dazu. Die Verkaufszahlen sind sogar höher, als wir geplant hatten. Aber natürlich sehen wir, dass der deutsche Marktanteil weiterhin eine Herausforderung darstellt. Allerdings haben wir im November deutlich zugelegt. (Anm. d. Red. Opel hat im November 21.683 Autos verkauft, das entspricht einem Marktanteil von 8,3 Prozent). Dieser Trend wird auch im Dezember anhalten. Woran liegt das? Wichtige neue Modelle wie der Meriva verkaufen sich gut, der Astra Sports Tourer und der überarbeitete Corsa kommen jetzt in den Handel und unterstützen den Volumenzuwachs. Schaut man sich die Verkaufszahlen des neuen Meriva an, liegt er aber deutlich hinter der älteren Mercedes B-Klasse, die zudem deutlich teurer ist. Das ist nur die deutsche Sicht. In Europa ist der Meriva die klare Nummer 1 in seinem Segment. Aber wir wollen nicht leugnen: In Deutschland wurde die Marke Opel in den vergangenen Jahren in Mitleidenschaft gezogen, das spielt eine wichtige Rolle bei den Verkaufszahlen der zurückliegenden Monate. Der deutsche Markt ist sicher die größte Herausforderung, die wir momentan zu bewältigen haben.
Wie wichtig ist der Heimatmarkt für Opel also noch? Sehr wichtig. Deutschland ist zwar nicht der größte Markt für Opel, aber trotzdem enorm relevant. Wir wollen hier zu alter Stärke finden. Wir vertrauen dabei auf die Stärke unserer Autos, die auch in Deutschland viele Preise, wie etwa das "Goldene Lenkrad", gewinnen. Wie wollen Sie zu alter Stärke zurückfinden? Wir müssen mehr Menschen dazu bewegen, Opel wieder ganz oben auf ihre Wunschliste zu setzen. Ich bin sicher: Wer sich erst einmal mit unserer Marke beschäftigt und sich die Autos genauer anschaut, der wird auch einen Opel kaufen. Eine Reihe potentieller Kunden hat unsere Produkte von der Liste gestrichen. Das ist kein Wunder bei der schwierigen Situation, in der sich Opel in den vergangenen 18 Monaten befunden hat. Wie wollen sie die Menschen zu den Händlern bringen und dazu bewegen, sich mit einem Opel auseinanderzusetzen? Wir haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Dinge angeschoben, um die Marke zu stützen. Etwa die lebenslange Garantie. Wir haben Lena als Markenbotschafterin gewonnen, um der Marke ein jugendlicheres Gesicht zu geben. Und wir haben einen Bonus für ehemalige Opel-Fahrer eingeführt, um sie wieder zurückzubringen. Sie sehen: Wir tun einiges, um Opel in Deutschland wieder zum Erfolg zu führen. Aber eine Marke wieder aufzubauen dauert nun mal länger, als sie zu beschädigen. Es wird Zeit brauchen.
Wofür steht Opel heute? Was ist der Markenkern, den Sie wieder aufbauen wollen? Wir sind eine Volumenmarke, die die Kunden mit emotionalem Design und sinnvollen Innovationen anspricht. Wir wollen bei den Verkaufszahlen immer unter den Top Drei in Europa sein. Aber trotzdem sollte Opel in Zukunft wieder mehr Nischenautos bauen und damit zusätzliche Emotionen schaffen. Ein Bespiel dafür ist der neue Kleinwagen von Opel, Projektname "Junior", der schon sehr bald vom Band in Eisenach rollen wird. Opel hat in der Vergangenheit immer auf praktische Lösungen bei seinen Produkten geachtet, wie etwa die Flex-7-Sitze beim Zafira. Das Design hat sich stark entwickelt, es ist heute ein wichtiger Grund, sich für einen Opel zu entscheiden. Die Umweltfreundlichkeit unserer Autos war uns immer wichtig, wie etwa der serienmäßige 3-Wege-Kat in den 90er-Jahren zeigt. Auch das bleibt eine unserer Tugenden. Sie sprechen von Massenmarkt und praktischen, umweltfreundlichen Autos. Wie passt das mit dem jüngeren Image zusammen, dass Sie Opel geben wollen? Wenn man jüngere Käufer mit einem Lifestyle-Produkt anzieht, bleiben sie der Marke gegenüber loyal, wenn sie älter werden. Wir bauen hier also die Käufer der Zukunft auf. Und wir wollen uns über emotionales Design und Innovationen unterscheiden. Dabei verlieren wir natürlich nicht die deutschen Ingenieurstugenden aus dem Auge. Das war schon immer unsere Stärke und darauf bauen wir auch in Zukunft.
Technische Innovationen wie Doppelkupplungsgetriebe oder effiziente turbogeladene Benziner kommen aber eben eher von VW. Wo sind also die Innovationen von Opel für die kommenden Jahre? Denken Sie an den Ampera. Der ist bei einem Preis von 42.900 Euro nicht gerade für den Massenmarkt gedacht. Wo bleiben die Innovationen für jedermann? Der Ampera wird 2011 das erste Elektroauto ohne Einschränkungen auf dem deutschen Markt sein. Das ist automobiles High-Tech und kostet seinen Preis. Leider kann man nicht überall der Erste sein. Dafür sind wir auf anderen Gebieten vorn – denken sie mal an den Meriva mit seinem innovativen Türsystem. Und nächstes Jahr wird ein neuer Zafira auf den Markt kommen, der wieder einige technische Überraschungen bereithält. Übrigens: Auch wir arbeiten mit Hochdruck an einem Doppelkupplungsgetriebe. Wird es reichen, damit sich Kunden für Opel entscheiden? Wenn die Technik vergleichbar ist, geht es um gutes Design und die Stärke der Marke. Was wir zudem in den vergangenen zwei Jahren gelernt haben: Opel-Innovationen wie das AFL-Licht, die Verkehrsschildererkennung Opel-Eye oder der Ergonomiesitz können durchaus Kaufentscheidungen beeinflussen. Sie sind nur bei uns für einen breiten Kundenkreis zu bekommen. Und noch etwas sollten Sie nicht vergessen: Wir haben die beste Garantie auf dem Markt. Die für kontroverse Diskussionen und Klagen gegen Opel gesorgt hat. Die öffentliche Diskussion hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Klar ist aber auch, dass wenn jemand sein Auto für einen langen Zeitraum behalten will, wir die beste Garantie haben. Wir wissen aus der Reaktion im Handel, dass die Mehrzahl der Kunden das Opel Garantieangebot als das beste Angebot am Markt wahrnimmt. Unsere Händler zeigen sich sehr zufrieden. Damit haben wir alles richtig gemacht.
Welchen Einfluss hatte die finanzielle Situation von GM auf die Entwicklung neuer Technologien? Die Situation vor zwei Jahren hatte einen deutlichen Einfluss auf Modelle und Technik, die wir eigentlich geplant hatten. Wir konnten einige Dinge nicht machen, weil das Geld fehlte. Aber vor etwa einem Jahr haben wir das rückgängig gemacht und wegweisende Entscheidungen für die Entwicklung neuer Produkte getroffen. Dazu gehört auch, dass wir in diesem Jahr 250 neue Ingenieure eingestellt haben. Der Junior wird auf einer gekürzten Corsa-Plattform in Eisenach gebaut. Wird er ein Lifestyle-Car wie der Fiat 500 oder ein rationales Auto wie der neue VW Lupo? Wir werden in der Kleinstwagenklasse eine zweigeteilte Strategie fahren. Der Agila soll auch künftig junge Familien ansprechen, die einen günstigen Nutzwert wollen. Wir werden einen Nachfolger entwickeln, allerdings wegen der VW-Beteiligung wohl ohne Suzuki. Der Junior wird mehr ein Lifestyle-Auto. Auch weil sich Premium verändert. Immer mehr Käufer wollen ein schickes, umweltfreundliches Auto, unabhängig von der Größe. Das sind junge, unverheiratete Leute mit hohem Einkommen.
Es war viel über einen neuen Calibra zu lesen. Wie ist der Stand der Dinge? Opel hatte in der Vergangenheit erfolgreiche Coupés und Cabrios. Die sollten wir wieder haben. Ja, wir entwickeln solche Fahrzeuge. Aber über einen Namen zu spekulieren ist zu früh. Der ist noch nicht entschieden. Aber wäre es möglich ein solches Coupé wieder Calibra zu nennen? Klar wäre das möglich. Der alte Calibra ist ein Sammlerauto geworden und er war sehr erfolgreich. Ein neues Coupé müsste zu diesem Namen passen und die zu Recht hohen Erwartungen der Käufer erfüllen. Der Name Manta ist zu weit weg? Nein, auch Manta käme in Frage. Warum nicht? Der neue Zafira wächst deutlich. Ist die Lücke zwischen Meriva und Zafira künftig nicht zu groß? Der neue Zafira wird in der Tat größer und bekommt ein paar interessante Innovationen. Damit macht er einen ähnlichen Sprung wie der Insignia im Vergleich zu seinem Vorgängermodell Vectra. Daher können wir mit dem neuen Auto das preissensible Segment nicht mehr ganz abdecken. Deshalb wollen wir den jetzigen Zafira weiterbauen und drei Vans parallel anbieten. VW ist mit dem Tiguan Marktführer der Kompakt-SUV. Was plant Opel? Wir werden ein SUV entwickeln, das ein wenig kleiner als der Tiguan ist. Der Antara bekommt einen Nachfolger, der in Rüsselsheim entwickelt wird und ein wenig größer als der Tiguan ist. Sie werden in Europa die baugleichen Chevrolet Volt und Opel Ampera verkaufen. Ist das sinnvoll? Beide Autos sehen sehr unterschiedlich aus. Die Technik ist in der ersten Generation gleich. Aber das Konzept mit Elektromotor und Range-Extender ist bisher einzigartig. Da haben wir einen deutlichen Vorsprung vor unseren Konkurrenten. In der zweiten Generation werden sich Volt und Ampera dann deutlicher auch technisch unterscheiden.Chevrolet hat andere Käufer als Opel. Warum also nicht beide Autos parallel anbieten?
Es gab in den vergangenen Monaten immer wieder die Diskussion, ob der Ampera ein Elektroauto oder ein Plug-in-Hybrid ist. Was ist er denn aus Ihrer Sicht? (lacht) Sie kennen die Antwort sicherlich: ein Elektroauto. Ohne den Elektromotor fährt er gar nicht, und der Verbrenner wird nur dazu geschaltet, wenn die Batterie entladen ist. Es ist also kein Hybrid im herkömmlichen Sinn. Zukunft braucht Herkunft. Welcher Opel war historisch betrachtet der Wichtigste? Wenn es um den wirtschaftlichen Erfolg geht sicherlich der Kadett E, wenn es aber um die neue Marke Opel geht, dann ist es ganz bestimmt der Insignia, der den Anfang einer neuen Produktära markiert hat. Welcher ist Ihr persönlicher Lieblings-Opel? (überlegt lange) Ich habe viele Jahre einen Calibra Turbo gefahren. Der war toll. Der LotusOmega war ein wirklich faszinierendes Auto. Ich habe zu der Zeit in Großbritannien gearbeitet und einen als Dienstwagen gefahren. Und ich besitze einen Vauxhall 3098 von 1920. Schwer, sich zwischen diesen drei Fahrzeugen zu entscheiden.