Er bleibt eine graue Maus, auch wenn er knallrot lackiert ist. Als unser Dauertest-Meriva nach 100.085 Kilometern im Rüsselsheimer Opel-Werk zur Zerlegung eintrifft, ist die Erinnerung an ihn bei vielen Kollegen bereits so verblasst wie jene an die Lottozahlen vom vorvergangenen Wochenende. Erstaunlich, denn die Kollegen haben den Meriva 1.7 CDTI Color Edition, wie sein vollständiger Name lautet, als angenehmes Reiseauto schätzen gelernt. Einträge wie "komfortable Sitze mit guten Einstellmöglichkeiten", "bequemer Einstieg vorn", "viel Platz in der Kabine" oder "Auto für entspanntes Langstrecken-Cruisen" finden sich des Öfteren im Fahrtenbuch. Von Schweden bis Spanien, von Polen bis Italien ist der Meriva ein genügsamer Dauerläufer.

Unterm Strich ein respektabler Verbrauch

Der TÜV-Sieger im Alltagstest
Auf Langstrecken fühlt sich der Meriva wohl. In der City fällt er mit relativ trägem Handling auf.
Trotz vieler scharf gefahrener Autobahnetappen steht unterm Strich ein respektabler Testverbrauch auf der Gesamtstrecke von 7,1 Litern pro 100 Kilometer (Werksangabe: 5,4 Liter). Da der Tank 54 Liter fasst, ergibt sich bei zurückhaltender Fahrweise eine Reichweite von über 800 Kilometern. Allerdings hinterlässt der 130-PS-Motor des Kompaktvans bei manchen Kollegen den Eindruck, als habe sich ein Schiffsdiesel in den Bug des Meriva verirrt. "Der Motor arbeitet vergleichsweise brummig, gerade bei niedrigen Drehzahlen, wenn man besonders sparsam fahren will. Im kalten Zustand hat er das Potenzial, morgens Nachbarn zu wecken", notiert Kollege Berend Sanders ins Fahrtenbuch. Wohl mit ein Grund, weshalb Opel das Triebwerk in der facegelifteten 2014er Version des Meriva durch einen neuen 1,6-Liter-Diesel ersetzt.

In der Stadt wirkt der Van behäbig

Richtig wohl scheint sich der Vierzylinder erst jenseits von 140 km/h zu fühlen. "Der Motor gibt auf einmal den Leisetreter, der Opel wechselt agil Spur und Richtung", hält Online-Kollege Lars Hänsch fest. Die Antriebseinflüsse in der Lenkung nehmen mit zunehmendem Tempo ebenfalls ab. Verkehrte Welt: Während der Kompaktvan in der Stadt behäbig wirkt und mit ziemlich hohen Lenkkräften nervt, wieselt er über Landstraßen und Autobahnen, als sei er von lästigen Fesseln befreit worden. Laut Tacho sind bis zu 210 km/h Spitze drin. Dass Komfort, Geräuschniveau und Geradeauslauf bei hohem Tempo überzeugen, trägt zusätzlich zum Langstreckenkomfort bei. Lediglich die nicht besonders leichtgängige Schaltung und die durch breite B- und C-Säulen eingeschränkte Rundumsicht fallen unangenehm auf.

Das FlexDoor-System überzeugt nicht jeden

Opel Meriva, FlexDoor-Konzept
Opels FlexDoor-Konzept: Der hintere Ausschnitt fällt klein aus – schlecht beim Montieren von Kindersitzen.
Und da beim Meriva Nutzwert vor Noblesse kommt, verzeiht man ihm auch, dass sein Innenraum wirkt, als hätten sich die Designer bei der Gestaltung an 80er-Jahre-Spielekonsolen orientiert. Wer in Urlaub fährt, sollte allerdings nicht zu viel Gepäck einplanen. Denn als familientauglichen Reisewagen wollen manche Kollegen den Meriva nur eingeschränkt empfehlen. Sein 400 bis 1500 Liter großer Kofferraum ist variabel, aber schnell randvoll – schon mit einem kleinen Kinderwagen wird es bei zwei Kindern und Gepäck eng. Auch das variable Sitzkonzept, das den Meriva wahlweise zum Vier- oder Fünfsitzer macht (im Opel-Jargon FlexSpace genannt), bietet in der Praxis kaum Vorteile. Das Gleiche gilt für die gegenläufig öffnenden Türen. Manchen Kollegen nerven sie: "Wenn jemand vorn einsteigt, muss man hinten warten", lautet ein Kritikpunkt. Außerdem werde die Kindersitzmontage eher erschwert, weil der hintere Türausschnitt recht klein ausfalle.
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Weiterer Minuspunkt: Die Isofix-Befestigungspunkte für Kindersitze werden durch die Sitzpolster verdeckt. Als besonderes Detail bietet der Meriva einen von Opel offensiv beworbenen Fahrradträger, der bei Bedarf aus dem hinteren Stoßfänger herausgezogen werden kann. Leider eine ziemlich fummelige und schmutzige Angelegenheit, denn schon nach kurzer Zeit ist die nicht gekapselte Kassette so verdreckt, dass hoher Kraftaufwand nötig ist. Das führt beim Herausziehen oder Hineinschieben zu fiesen Kratzgeräuschen, die klingen, als schabe eine Schneeschaufel über Asphalt. Nach rund einem Jahr in diesem Feuchtbiotop ist die in den Träger integrierte Rückleuchte bereits völlig vergammelt. Da reicht der vorgeschriebene Opel-Service nicht aus. Selbsthilfe ist angesagt: Den Träger regelmäßig zu reinigen und die Scharniere zu fetten bleibt dem Besitzer überlassen.Noch störender: "Der FlexFix-Träger ist kaum mehr als eine Behelfslösung. Die Halterung, die das Fahrrad nur an der Tretkurbel fixiert, ist viel zu wackelig. Besonders für große Fahrräder taugt FlexFix in dieser Form rein gar nichts", kritisiert Kollege Berend Sanders. Träger, die auf einer Anhängekupplung montiert werden, sind die Alternative. Weitere Kritik entzündet sich lediglich an Details. Zum Beispiel am fummeligen Bedienkonzept mit dem auf der Mittelkonsole angerichteten Knopfsalat. Gewöhnungssache, aber dass Opel es mittlerweile besser kann, beweist unter anderem der Adam. Dass das Navigationssystem sich weder mit präziser Routenführung noch mit zuverlässigen Stauwarnungen Freunde macht, fällt da schon schwerer ins Gewicht. Und dass man beim Tanken häufig die klebrige Diesel-Pistole in die Hand nehmen muss, weil die Zapfautomatik gern abschaltet, nervt verschiedene Kollegen.Zu hoher Staudruck im Tanksystem ist vermutlich die Ursache für dieses unangenehme Phänomen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir hätten dem Meriva ohne Weiteres noch 100.000 Kilometer im Dauertest-Fuhrpark zugetraut. Rost ist bei ihm zum Beispiel kein Thema. Zickig gibt sich lediglich die Bordelektrik, und wegen ihrer Zipperlein häufen sich am Ende 15 Fehlerpunkte an. Mal gibt eine Glühlampe den Geist auf, mal fällt der Bremslichtschalter aus, um sich wie von Geisterhand plötzlich wieder zu berappeln. Richtig blöd ist, dass das Kabel des ABS-Sensors vorn links verlegt werden muss, weil es an der Achsmanschette durchzuscheuern droht. Und dass die elektrische Heckklappenentriegelung auf Garantie getauscht werden muss, weil sie plötzlich die Klappe nicht mehr öffnen mag. Aber so ist das eben mit grauen Mäusen: Man muss auch ihre kleinen Macken lieben, um mit ihnen auf Dauer glücklich zu werden.
Wie jedes Dauertest-Fahrzeug wurde auch der Meriva zum Abschluss des Tests demontiert und auf Verschleiß untersucht. Was dabei aufgefallen ist, erfahren Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt es im Online-Artikelarchiv als PDF-Download.

Bildergalerie

Opel Meriva B
Opel Meriva B
Opel Meriva B
Kamera
100.000 Kilometer mit dem Opel Meriva B

Fazit

von

Manfred Klangwald
Mit dem Meriva ist Opel auf einem guten Weg, an alte Tugenden anzuknüpfen. Motor und Getriebe wirkten bei Testende taufrisch. Das ausgeklügelte Variabilitätskonzept konnte in der Praxis jedoch nicht immer überzeugen. Im Stich gelassen hat uns der Meriva nie. Nur mehrere kleine Defekte vermiesen ihm die Bilanz.