Für Porsche ist es die Frage nach dem Selbstverständnis. Nach der DNA, nach den Wurzeln. Was macht einen Porsche aus? Die Traditionalisten unter uns würden sofort antworten, dass ein Porsche ein Sportwagen ist. Punkt. Leicht, kompakt, alltagstauglich. Wunschdenken! Die Zuffenhausener produzieren mittlerweile zu 80 Prozent fette Limousinen und Geländewagen. Tendenz steigend. Nächstes Jahr folgt mit dem Macan ein SUV auf Audi-Q5-Basis, der den Sportwagenanteil auf zehn Prozent drücken dürfte. Porsche also eine x-beliebige Luxusmarke im VW-Konzern? Vergessen Sie's! Spätestens, wenn der neue Boxster und das 911 Cabrio vor einem stehen, weiß man: Die haben nichts verlernt. Gar nichts. Was für Sportwagen, typisch Porsche.

Überblick: Alle News und Tests zum Porsche Boxster

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Video: Porsche Boxster S

Sportlich eine Klasse für sich

Beim Generationenwechsel im Frühjahr 2012 hat vor allem der Boxster gewonnen. So maskulin durfte er bisher nicht auftreten. Akzentuierter ist der kleinste Porsche geworden, mit Anleihen bei der Hybridstudie 918 Spyder – wie etwa den leicht eckigen Frontscheinwerfern und dem in die Rückleuchten integrierten Heckspoiler. Bei nahezu unveränderter Länge (plus drei Zentimeter) wuchs der Radstand um sechs Zentimeter. Dadurch schrumpfen die Überhänge, und die Fahrgastzelle wandert ein wenig nach vorn. Während die Fronthaube kürzer wird, ist das Heck optisch entscheidende Zentimeter länger geworden. Aber auch das Elfer-Cabrio hat sich gewandelt. Zehn Zentimeter mehr Radstand verschieben die Proportionen – trotzdem entstand nicht nur ein typischer 911er. Das Team unter Federführung von Chefdesigner Michael Mauer hat es geschafft, die über 50 Jahre alte Idee optisch in die Zukunft zu tragen. Allerdings ist das Porsche-Urmeter dabei ganz schön aus dem Leim gegangen. Mit einer Länge von 4,50 Metern und einer Breite von 1,81 Metern hat er mittlerweile das Format des damaligen 928 (1977 bis 1995) erreicht.

Überblick: Alle News und Tests zum Porsche 911

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Video: Porsche 911 Carrera S Cabrio

Erste Fahrt im 911er Cabrio

Überhaupt trägt der 911er seiner graumelierten Kundschaft Rechnung. Selbst ältere Fahrer können den Sportwagen mittlerweile ohne Ziehen im Rücken entern, sitzen auf beheiz- und belüftbaren Sportsitzen, freuen sich über das elektrisch zu betätigende Windschott und das adaptive Fahrwerk. Die klare Botschaft: Für den Elfer ist keiner zu alt. Ist der Elfer also ein Weichei? Nee, nicht wirklich. Die sanfte ist eben nur eine Seite des Elfers. Auf Knopfdruck strafft er sich, trompetet, sägt und bellt sich so zornig durch das Drehzahlband, wie es eben nur ein Porsche kann. Das Doppelkupplungsgetriebe schiebt blitzschnell zur rechten Zeit den rechten Gang hin ein, die Lenkung reagiert sensibel und präzise. Das fühlt sich nicht nur richtig schnell an, es ist es auch. Aber eben nur auf Knopfdruck. Während der Fahrer bei früheren Elfern spürte, dass Porsche den rauen Charakter gerade so domestiziert hat, ist es beim neuen Modell genau andersherum; fast ein wenig synthetisch. Keine Frage, der 911 ist ein nahezu perfekter Sportwagen, aber auch ein guter Porsche? Jedenfalls findet er in dieser Disziplin im neuen Boxster seinen Meister. Er ist die Quintessenz dessen, was Porsche für Traditionalisten ausmacht.
Er wirkt wesentlich kompakter als der Elfer, der Fahrer fühlt sich perfekt ins enge Cockpit gepflanzt. Die Sitzposition passt. Tief sinkt der Pilot auf einen vergleichsweise dünnen, aber angenehm straff gepolsterten Sitz. Und auch die etwas rustikalere Materialauswahl des Boxster entspricht durchaus der Porsche-Tradition. Selbst die auf das 911-Modell fehlenden 85 PS vermisst im Boxster S wirklich niemand ernsthaft. Mit dem Doppelkupplungsgetriebe (2826 Euro Aufpreis) schnellt der Boxster in 4,8 Sekunden auf Tempo 100, das sind winzige fünf Zehntel mehr, als der Elfer für den Standardsprint benötigt. Und auch der Klang gefällt. Das helle Laufgeräusch der früheren Boxster ist Geschichte, der Neue beherrscht die komplette Palette vom bassigen Leerlauf über Bellen bis hin zum heiseren Sägen bei höheren Drehzahlen. So muss ein Porsche klingen!
Selbst abseits aller Boulevards dieser Welt kann sich der Boxster behaupten. Porsche verspricht, dass der Roadster für die prestigeträchtige Runde auf dem Nürburgring nicht mal acht Minuten benötigt – 18 Sekunden länger als der 85 PS stärkere 911. Porschiger als im Elfer fällt auch die Fahrwerkabstimmung aus. Sie fühlt sich authentischer und ehrlicher an als im größeren Elfer. Nicht wirklich unkomfortabel, ist der Boxster straffer abgestimmt und macht Lust auf eine einsame Landstraße am Sonntagmorgen. Den Spagat zwischen Sport und Alltag hat Porsche beim Boxster perfektioniert. Was noch für ihn als besserer Porsche spricht: sein Preis. Der Boxster ist im Vergleich zum 911 Cabrio fast schon ein Schnäppchen. Mit 61.946 Euro kostet er nur rund die Hälfte. Keine Frage: eine Menge Geld, aber der Boxster ist jeden Cent davon Wert. Nur die unverschämte Aufpreispolitik trübt das Bild. Am Ende gewinnt nicht der 911 Carrera diesen Vergleich, sondern der Boxster. Das klingt seltsam. Doch der Boxster ist nicht nur ein toller Sportwagen, sondern auch der bessere Porsche. Quasi ein Elfer in Frühform.

Fazit

von

Stefan Voswinkel
Boxster und 911 zeigen: Porsche hat – Panamera und Cayenne zum Trotz – das Sportwagenbauen nicht verlernt. Während der Elfer der bessere Gran Turismo ist, gefällt mir der Boxster als der bessere Porsche.

Von

Stefan Voswinkel