Porsche 911 Carrera RS 2.7 Lightweight
Leichter RS 2.7 findet keinen Käufer

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RM Sotheby's bot im August einen von nur 200 gebauten Porsche 911 Carrera RS 2.7 in der Lightweight-Variante an. Doch der aufgerufene Preis war wohl zu astronomisch!
Video: Porsche 911 Carrera RS 2.7 (1972)
Eine Legende unter'm Hammer
Woher kommt der Legenden-Status?
Der RS ist gar nicht so viel stärker als der 911 S 2.4, auf dem er basiert (210 zu 190 PS). Und längst nicht so brutal, kompromisslos oder selten wie der rund zehn Jahre jüngere Porsche 924 GTS (1580 zu 59 Stück). Er kostet mehr als der berühmte 356 Speedster und ist um ein vielfaches teurer als ein 911 Turbo der ersten Generation – und das Ding ist wirklich ein Tier! Was also macht den Reiz des 911 Carrera RS 2.7 aus?
Ein Auto zum Gewinnen

Vor dem Auftauchen des 911 Turbo stellte der Carrera RS 2.7 die Spitze der Porsche-Nahrungskette dar.
Reduziert aufs maximal Nötige

Hellgelb auf Grün, silber-schwarz lackierte Fuchs-Felgen und das Heck mit Kunststoff-Bürzel.
Einer der meistbegehrten Elfer

Originale Recaro-Sitze und das Standard-Lenkrad passen nicht besonders gut zusammen.
Teil unseres Kulturguts
Dabei droht nicht nur Gefahr, dass sich seine Technik kaputt steht, sondern dass der Carrera RS nicht mehr als Automobil im eigentlichen Sinne wahrgenommen wird. Immerhin wurde dieser Porsche ebenso für gestandene Profis wie Privatfahrer gebaut, die damit unter der Woche in die eigene Firma pendelten und am Sonntag beim Flugplatzrennen in Mainz-Finthen an den Start gingen. Ja, er ist laut, seitenwindempfindlich, unbequem und überaus fordernd, aber seine größte Schwäche sind seine größten Fans. Menschen, die den Carrera RS 2.7 nicht nur bezahlen können, sondern sich auch die Freiheit erlauben wollen, ihn artgerecht zu nutzen: Diese erlauchte Minderheit erlebt ein Stück vom Auto-Himmel. Der Rest von uns freut sich, wenn er ohne Absperrband zwischen unseren Allerwelts-Oldies steht. Dann zeigen wir ihn den Kindern, weil er ein Stück deutscher Geschichte ist: "Schau mal, der mit dem Bürzel ..."
Technische Daten

Die Idee des hoch drehenden Saug-Boxers lebt keiner so konsequent wie der RS.
Historie
Das Projekt RS beginnt unter dem Arbeitstitel 911 SC (Super Carrera). Nach Erfolgen mit dem 917 Anfang der 70er-Jahre plant Porsche die Rückkehr in den seriennahen Rennsport. Im Frühjahr 1972 beginnen die Entwicklungsarbeiten, Basis für die neue Sport-Version des 911 ist die aktuelle Elfer- Generation mit 2,4-Liter-Motor. Eine Hubraumerweiterung auf 2,7 Liter, Leichtbau und aerodynamische Hilfen zählen im Sinne einer späteren Homologation von Anfang an zum Gesamtpaket. Im Oktober 1972 debütiert der 911 Carrera RS 2.7 auf dem Pariser Salon. Die leichte und nackte Basis-Version (M 471, 200 Stück) kostet 34.000 DM, die komfortabler ausgestattete, 115 Kilogramm schwerere "Touring"-Variante (M472, 1280 Stück) 36.500 Mark. Der "Umbauauftrag Rennauto" kostet 25.000 Mark Aufpreis, aus dem 911 RS wird der 911 RSR mit 2,8 Liter Hubraum und 300 PS (49 Stück). Mitte Januar 1973 ist die für die Zulassung im Rennsport erforderliche Stückzahl von 1000 Fahrzeugen erreicht, im Juli 1973 läuft die Fertigung aus. Kurz darauf folgt der für den Renneinsatz vorgesehene, 110-mal gebaute 911 RS 3.0, eine Weiterentwicklung des RS 2.7.
Plus/Minus
Aus den Stärken des Über-Elfers resultieren seine Schwächen. Damals wie heute liefert so ein mehr als vier Jahrzehnte alter Carrera RS 2.7 dramatische - und inzwischen natürlich auch wunderbar altmodische - Fahrleistungen. Und mit dem Bürzel am Heck fährt er eine aerodynamische Gehhilfe spazieren, die heute sogar wieder von Porsche selbst kopiert wird. Kurz: Als Hochleistungs-Modell und Stilikone gehört der Carrera RS 2.7 zum automobilen Tafelsilber. Das macht ihn begehrt und wertvoll. Nur schade, dass die grandiose Fahrmaschine allzu oft als Standuhr in der Sammlung eines vermögenden Porsche-Verwahrers oder Garagengold-Investors endet. Gefährlicher als teure Standschäden sind gut gemachte Kopien: Gebaut wurden 1580 Carrera RS, doch unterwegs sind schätzungsweise rund 4500. Wie das? Es sind viele Kopien auf dem Markt! Daher: Nie, nie, nie ein Auto ohne offizielle Porsche-Expertise und/oder sachkundige Hilfe kaufen! NIE!
Ersatzteile
Gut: Für die Elfer-Generation der Vor-Faltenbalg-Ära gibt’s noch fast alles, das meiste als Nachfertigung, aber in schwankender Qualität. Also aufpassen! Schlecht: Originale Teile oder auch Sportsitze und Fuchs-Felgen sind sauteuer. Ganz schlecht: Spezifische RS-Baugruppen wie Dünnglas von Glaverbel, Leichtbau-Ersatzrad oder Heckstoßfänger schlagen deutlich vierstellige Schneisen ins Budget, von Motor-Ersatzteilen gar nicht zu sprechen. Mehr noch als bei anderen klassischen Porsche spielt die historisch korrekte Ausstattung und/oder Vollständigkeit eine wichtige Rolle.
Marktlage
Tja, der Markt der alten Elfer. Immer wieder werden RS 2.7 angeboten, was auch mit dem Status des Anlageobjekts zu tun hat, das gekauft und verkauft wird. Vor fünfzehn Jahren kostete ein Zweier noch rund 60.000 Euro, heute notiert er um die 510.000 Euro, die leichte, reduziert ausgestattete M471-Version (nur 200-mal gebaut) wird locker für bis zu 900.000 Euro gehandelt – aber die Nachfrage ist da. Wer hier mitspielt, ist Zocker oder echter Enthusiast.
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