"Mein erstes Auto-Erlebnis? Ich war sieben", erzählt Wolfgang Porsche. "Damals waren die Autos bei uns am Hang geparkt - falls die Batterie schlapp gemacht hatte. Ich kletterte in einen Käfer, brauchte beide Hände, um die Handbremse zu lösen, und wunderte mich, dass der Wagen sofort los rollte. Um sehen zu können, musste ich auf dem Sitz stehen, konnte also nur lenken. Zum Glück ging es am Gegenhang wieder bergauf – ich kam eine Handbreit vor dem Schuppen zum Stehen." Mit zwölf durfte der Enkel des Firmengründers den 10.000. Porsche, einen 356, im Werk vom Band fahren. VW-Chef Heinrich Nordhoff war da, Stuttgarts Oberbürgermeister Klett, und natürlich Vater Ferry, der ihn abends zuvor gefragt hatte. "Was hatte ich einen Bammel, das Auto abzuwürgen." Erlebnisse, die kein Junge vergisst. Erst recht nicht, wenn er mit dem Namen Porsche aufwächst.

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Wolfgang Porsche Bernd Wieland Joachim Staat
Benzingespräch: Die AUTO BILD-Redakteure Bernd Wieland (links) und Joachim Staat beim Interview mit Wolfgang Porsche (Mitte).
Doch "Wölfi" wurde nicht Ingenieur wie sein technik-verliebter Cousin Ferdinand Piëch (heute Aufsichtsratsvorsitzender bei VW), sondern Kaufmann. Ein Zahlenmensch. Der ausgleichende Charakter, der die widerstrebenden Interessen im Familien-Clan unter einen Hut bringt und seit 1981 als ihr Sprecher auftritt. Wolfgang Porsche ist Miteigentümer, Aufsichtsratsvorsitzender und der neue starke Mann in der Porsche Holding SE, die sich anschickt, VW zu übernehmen. Ist er nun Kaufmann oder car guy? Alle Zweifel, ob ein Dr. Wolfgang Porsche genug Benzin im Blut haben könnte, verfliegen, als er seine Lieblinge aus 60 Jahren Firmen-Historie vorstellt. "Was für ein Mut!", schwelgt er vorm Gmünd-Coupé, "einen Sportwagen zu bauen, als die meisten kaum genug zu essen hatten!" Großvaters Traum war mehr als die unternehmerische Urzelle. "So stelle ich mir heute noch das Ideal vor: leicht, klein, alltagstauglich, sparsam." Warum baut Porsche so was nicht wieder, etwa als Sonder-Edition zum runden Geburtstag? "Weil ein kleiner Hersteller wie Porsche darauf angewiesen ist, dass an jedem Auto auch verdient wird." Bloß kein Flop wie Anfang der 90er, als bei Porsche die Uhren auf zwei vor Zwölf standen.

Der nur 110-mal gebaute 904 ist ein Meilenstein für Porsches Image

Eine Rarität ist auch der 904. Nur 110-mal gebaut, aber ein Meilenstein für Porsches sportliches Image. "Ich mag ihn ganz einfach, auch weil sein Design von meinem Bruder stammt." Ferdinand Alexander Porsche zeichnete die Glasfaserkarosse des Rennwagens in solcher Eile, dass später niemand mehr reinreden konnte. "Der einzige Porsche, der vom Zeichentisch direkt auf die Straße rollte". Und der Vorreiter für Sport-Ikonen wie 906, 908, 917, 936 und wie sie alle heißen. Muss Porsche nicht in der Formel 1 starten? "Zu teuer, nicht lukrativ". Da spricht wieder der Kaufmann. Sein erster eigener Porsche war das Sparmodell 912 ("rot mit schwarzem Leder!"), das er zum 18. Geburtstag geschenkt bekam – ein früher Verwandter des Carrera RS, dem der Firmenlenker lächelnd über den "Entenbürzel" streicht. "Wir mussten die Leistung einfacher beherrschbar machen. Mein RS war indischrot, so wie dieser 959." Der 959, Hightech-Überflieger der 80er, war Porsches erster Versuch, mit limitierten Sonderserien Geld einzufahren. "Ich habe die Seriennummer zwei, perlmuttweiß mit hellblauem Leder." Daneben stehen in seiner Garage in Zell am See rund 20 andere Autos, darunter Traktoren, Käfer Cabrio, Schwimmwagen und das Kletter-Urviech Haflinger.
Kommt der Mann denn genug zum Fahren? "O ja, muss ich ja. Die Standschäden sind so schrecklich teuer." Die Preziosen auf lau in die firmeneigene Werkstatt zu rollen - geht nicht. Angeblich bekommt jedes Porsche-Familienmitglied seine Reparatur-Rechnung, so wie es das Aktienrecht vorschreibt. Man ist schließlich in Schwaben. Das spürt man auch im Büro, in dem Wolfgang Porsche AUTO BILD empfängt. Es ist der gleiche, kleine Raum, den auch sein Vater schon benutzt hat. Bescheidener Schreibtisch, gediegenes Nierentisch-Kolorit, an der Wand das Öl-Porträt von Großvater Ferdinand. Wolfgang Porsche geht zum Schrank und zieht flache Schubladen auf: darin Maulschlüsselsätze, Zangen, Hämmer, sauber aufbewahrt wie OP-Besteck. Das Werkzeug des Vaters. Dieser Raum und seine Einrichtung sollen wohl die Enkel-Generation erden, sie an die Wurzeln erinnern, wenn sie jetzt ihr "großes Rad drehen".
356/2 Alucoupé (1948) Wolfgang Porsche
Mit dem 356 hat alles angefangen – jetzt arbeitet Wolfgang Porsche an der Übernahme von VW.
So nennt Porsche den spannendsten Wirtschaftskrimi, den die deutsche Autobranche derzeit erlebt: Die Porsche Holding SE übernimmt VW. Und Wolfgang Porsche, dieser lächelnde, freundliche Herr, ist der Strippenzieher. "Mir ist wichtig, dass die Familie mit einer Stimme spricht", so Porsche. "Nur dann sind wir stark." Zwischen den Porsches und Piëchs, den Enkeln des alten Ferdinand, hat es oft gekracht. Jetzt rückt Wolfgang Porsche nach vorn, als Repräsentant der neuen Eintracht. Krachen lässt es der 65-Jährige noch immer gern – im Speedster ("ein Riesen-Erfolg in den USA") oder mit seinem aktuellen Auto, einem braunen 911 Turbo Cabriolet (österreichisches Kfz-Kennzeichen S-ALZ 911). "Ich persönlich könnte in meinem Auto auf manches verzichten", sagt er. Und streicht mit der Hand durchs Cabrio: "Das Leder, die Stellmotoren oder der Sport-Chronometer – das kostet doch nur Gewicht." Der Mann weiß auch ohne Rundentimer, was die Uhr geschlagen hat.

Der Porsche-Report – ab sofort in AUTO BILD KLASSIK 2/2008

Von

Joachim Staat