Auf dem Trip ins Ungewisse

Nach dem Probelauf bei der letzten Rallye Dakar mit dem Tarek-Buggy (Standard-Chassis aus USA, 1,9-Liter-Turbodiesel, Heckantrieb) wird es für Volkswagen am 1. Januar richtig ernst. Zum ersten Mal steht die Rennversion des Luxusallradlers Touareg (maßgeschneiderter Gitterrohrrahmen, 2,3-Liter-Turbodiesel, Allradantrieb) am Start der "Mutter aller Wüstenrallyes". Ein Abenteuer-Trip ins Ungewisse.

Denn während sich die Konkurrenten Mitsubishi, Nissan und das BMW-Privatteam X-Raid im Wettbewerb – zum Beispiel bei der Desert Challenge in den Vereinigten Arabischen Emiraten Ende Oktober – auf die "Dakar 2004" vorbereitet haben, kam die Wolfsburger Wüstenmannschaft über intensive Testfahrten in Marokko nicht hinaus. Die mit der Entlassung entscheidender Personen verbundene Umstrukturierung von VW Motorsport hat den Zeitplan in den vergangenen Monaten mehr als einmal über den Haufen geworfen.

"Wir werden deswegen den Ball erst mal schön flach halten", dämpft der neue Motorsportchef Kris Nissen allzu hohe Erwartungen an die Dakar-Premiere. Für etwa die Hälfte seiner rund 40 Mann starken Raid-Karawane ist der Weg in die senegalesische Hauptstadt Neuland. "Wir wollen erst mal als Team zusammenwachsen, Fehler machen und analysieren. Erst 2005 machen wir uns dann Gedanken um Siegchancen." Immerhin: Seine beiden Piloten, Jutta Kleinschmidt und Bruno Saby, haben die "Dakar" bereits je einmal gewonnen.

Dicht am Gewichtslimit

Und erste Infos zum Renn-Touareg lassen die Konkurrenz aufhorchen. "So flach, wie der ist, ist er bestimmt richtig gut auf Hochgeschwindigkeitspassagen", glaubt Nissan-Star Giniel de Villiers. "Der 2,3-Liter-Turbodiesel hat sicher so viel Leistung wie unser Vierliter-Sauger", schätzt Mitsubishi-Renningenieur Thierry Viardot. "Aber sein Drehmoment ist viel besser. Außerdem ist der VW offenbar dicht am Gewichtslimit von 1750 Kilo."

Der sparsame Diesel-Touareg wird auf manchen Etappen über 100 Liter weniger Sprit schultern, was den Gewichtsvorteil zusätzlich erhöht. Einziger bisher ersichtlicher Nachteil: Weil VW lange auf ein Verbot der automatischen Reifenbefüllanlagen gehofft hat, ist der Touareg nicht mit dem z. B. von Mitsubishi verwendeten System ausgerüstet, das die Luft auf Knopfdruck aus Drucktanks durch die Radnaben in die Felgen leitet.

Für die dicksten Schlagzeilen sorgt aber schon Nissan. Mit der Verpflichtung des Ex-Rallye-WM-Stars und Rekordpiloten Colin McRae (25 WM-Siege). Aber der Schotte (zuletzt für Citroën im WM-Einsatz) verfolgt mit Beifahrerin Tina Thörner moderate Ziele bei seiner ersten Wüsten-Rallye. Mit seinen Markengefährten, dem Südafrikaner de Villiers, dem vierfachen finnischen Dakar-Sieger Ari Vatanen und dem Franzosen Yves Loubet, wird "Big Mc" kaum mithalten können.

Mitsubishi kommt mit drei Evos

Im Vergleich zur letzten "Dakar" hat Nissan seinen Pick-up mit einer verkleideten Ladefläche und einem riesigen Heckflügel ausgestattet (bessere Aerodynamik). "Außerdem hat unser 3,5-Liter-Sechszylinder jetzt mehr Drehmoment", verriet der neue Teamdirektor Gilles Martineau.

In diesem Punkt klarer Spitzenreiter ist der Dreiliter-Sechszylinderdiesel mit Doppelturbolader, der unter der Haube des BMW X5 arbeitet. Weil in der Vergangenheit immer wieder der Antrieb kapitulierte, musste sogar Drehmoment zurückgenommen werden. Trotzdem haben Grégoire de Mevius und Luc Alphand vor allem auf Highspeed-Etappen Vorteile. "Die Wertungsprüfungen der Dakar 2004 sind zum Teil bis zu 700 Kilometer lang. Das Tempo wird sehr hoch sein, sonst kommt keiner vor Mitternacht ins Ziel", hat de Mevius optimistisch analysiert.

Der größte Erwartungsdruck lastet auf Mitsubishi, zuletzt dreimal Dakar-Sieger. Die Japaner schicken drei Pajero Evolution (neuer Vier- statt 3,5-Liter-Motor, neues System hydraulischer Stabilisatoren) für Vorjahressieger Hiroshi Masuoka, Stéphane Peterhansel - sechsfacher Dakar-Motorrad-Sieger – und den zweifachen Rallye-Weltmeister Miki Biasion in die Wüste. Das deutsche Team Andrea Mayer/Andreas Schulz hat im Pajero mit fast serienmäßiger Karosserieform die Rolle, den drei "Evo"-Kollegen im Notfall aus der Patsche zu helfen. "Bei der Dakar braucht man auch Glück", sagt Mitsubishi-Motorsportdirektor Sven Quandt. "Aber der vierte Sieg in Folge ist ganz klar unser Ziel."