Schon Rudolf Diesel – Erfinder des gleichnamigen Motors – experimentierte Anfang des 20. Jahrhunderts mit Pflanzenöl als Treibstoff. Nur war damals Erdöl viel billiger als der nachwachsende Kraftstoff aus der Natur. Mittlerweile sieht es anders aus, der Dieselpreis steht bei über zwei Euro pro Liter.

Im Supermarkt war der Liter Pflanzenöl Anfang des Jahres für einen Euro zu haben – die Hälfte des derzeitigen Dieselpreises an der Tankstelle. Unterdessen sind allerdings auch die Lebensmittelpreise gestiegen, unter anderem für Sonnenblumen-, Rapsöl und Co.

Biodiesel und Pflanzenöl sind unterschiedlich

Weil das Lebensmittel nicht als Gefahrgut gilt, ist es in unbegrenzten Mengen lager- und transportierbar. Weitere Vorteile: Als Biokraftstoff ist Pflanzenöl annähernd CO2-neutral, schwefelfrei und ungiftig. Das Auto riecht beim Betrieb zwar ein wenig nach Pommesbude, aber selbst das dürfte manchen Fast-Food-Fans "schmecken". Aus welchen Pflanzen das Öl gepresst wird, ist dabei übrigens egal. Biodiesel und Pflanzenöl sollten dabei übrigens nicht verwechselt werden: Biodiesel wird in einem chemischen Prozess gereinigt, das Pflanzenöl unterliegt nur den Bestimmungen für Lebensmittel. Billig tanken mit Pflanzenöl

Ein Golf 2 fuhr 23.300 Kilometer mit Rapsöl

Bereits zu Beginn der 2000er-Jahre sorgte ein Langzeitversuch des AUTO BILD-Stammleser Wolfgang Blaube für Aufsehen. Er begann damals, seinen VW Golf II nur noch mit Pflanzenöl zu fahren. Erst noch ohne Umbauten, aber nach Startproblemen an kalten Tagen wurde mehr und mehr aufgerüstet.
VW Golf II
Erfolgsmodell: Mit einem Golf 2 Diesel hat AUTO BILD im Jahr 2000 eine 6000-Kilometer-Tour unternommen – mit Öl aus dem Supermarkt.
Bild: Guenter Poley
Ergebnis, allen Zweiflern zum Trotz: Er fuhr und fuhr und fuhr ... Zwar immer mal wieder mit leichter Anlassschwäche, aber selbst das war zum Schluss, nach rund 23.300 Rapsöl-Kilometern, kein Problem mehr. Längere Glühkerzen, ein Kombi-Filterheizer, dickere Kraftstoffleitungen und eine Erhöhung der Fördermenge brachten Besserung. Kosten für Bastler Blaube damals: rund 200 Euro.

Heutige Motoren sind zu sensibel

Die schlechte Nachricht für Sparfüchse: Leider hat sich die Motorentechnik seitdem massiv verändert. Während ältere Dieselmotoren den Ersatzstoff – zumindest im Sommer – meist ohne Probleme vertragen haben, heißt es bei moderneren und aktuellen Common-Rail- oder Pumpe-Düse-Motoren: Finger weg! Die Motoren wurden nicht für den Betrieb mit Salat-Öl konstruiert. 
Audi Q5 50 TDI quattro
Vorsicht: Ein moderner Diesel ist auf keinen Fall für den Betrieb mit Salatöl geeignet – es drohen schwere Schäden.
Bild: Tom Salt / AUTO BILD
Autohersteller erteilen für die Verwendung von Pflanzenöl keine Freigabe, Schäden fallen nicht unter die Gewährleistung. Zu sensibel ist die moderne Motorentechnik, zu hoch die Einspritzdrücke von bis zu 2700 bar. Die Einspritzdüsen können verkoken, also durch Ablagerungen nach und nach verstopfen, Motorschäden drohen.
Diesel tanken
Probleme mit dem Fiskus: Pro Liter Treibstoff gehen rund 50 Cent an den Staat – diese müssen auch für Pflanzenöl abgeführt werden.
Bild: DPA

Besteuerung senkt den Preisvorteil

Ein weiteres Problem sind die Steuern: Diese wurden mit Einführung des Energiesteuergesetzes Mitte 2006 auch bei pflanzlichem Öl als Kraftstoff fällig und seither stetig erhöht. Rund 50 Cent Steuer pro Liter gehen mittlerweile an den Staat. Wer also im Supermarkt "tankt", muss diese Steuer nachträglich abführen – oder er begeht eine Steuerhinterziehung! Wer seinen alten Diesel dennoch mit Pflanzenöl fahren möchte, muss also Steuern abdrücken und mit zugesetztem Kraftstofffilter und verkokten Einspritzdüsen und Ventilen rechnen.

Umrüsten ist Geschichte

Bei viel Kurzstreckenbetrieb kommt zudem unverbranntes Pflanzenöl ins Motoröl. Häufigere Ölwechsel sind nötig. Dazu bekommt der Wagen bei niedrigeren Temperaturen Startprobleme. Abhilfe konnten vor einigen Jahren professionelle Umrüst-Sätze für den Betrieb mit Pflanzenöl schaffen. Zur Jahrtausendwende führten gestiegene Preise für Erdöl zum Boom in der Branche, wie Dr. Georg Gruber von den Vereinigten Werkstätten für Pflanzenöltechnologie zu berichten weiß. Etliche Unternehmen brachten Lösungen fürs Umrüsten auf den Markt.
"Aber es gab damals auch Probleme mit schwarzen Schafen auf dem Markt: Abgasgutachten wurden nicht durchgeführt, Motoren gingen kaputt. Zudem hat die Auto- und Mineralölindustrie bald ihre fossilen Interessen durchgesetzt. Gesetzesänderungen (z. B. Besteuerung biogener Treibstoffe und Entsteuerung von Erdgas und Landwirtschafts-Diesel) haben allen Initiativen zum Autofahren mit Pflanzenöl über Nacht den Stecker gezogen", so der Experte.
John Deere Tractors 6R Series 6250R AMS Ag  StarFire 6000
Wohl dem, der einen Traktor hat: Pflanzenöl als Treibstoff ist nur noch in der Landwirtschaft eine Alternative.
Bild: John Deere GmbH & Co. KG

Die Agrarwirtschaft setzt noch auf Pflanzenöl

Mittlerweile sei die Technik auf dem Pkw-Sektor tot, sie rechne sich nicht mehr und kann, so Dr. Gruber "perspektivisch mit E-Mobilität nicht konkurrieren". Nur in der Landwirtschaft komme Pflanzenöl nachhaltig sinnhaft noch als Treibstoff zum Einsatz, zum Beispiel bei John Deere, dem weltgrößten Hersteller von Landmaschinen.

Von

Raphael Schuderer